„Psychische Störungen stehen häufig in Zusammenhang mit der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen. Daher muss vor jeder Form von Beratung und Seelsorge eine gründliche, überprüfbare Diagnostik erfolgen.“ (M. Dieterich)

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PST-R Fallbeschreibungen aus der Beratungspraxis

Herr A., Berufschullehrer, 42 Jahre alt kommt in die Beratung und fängt gleich an zu erzählen:

„Ich bringe ein Problem mit, mit dem ich schon seit Jahren zu kämpfen habe. Irgendwie schaffe ich es immer wieder aufs Neue, in jedes Fettnäpfchen zu treten, dass mir auf dem Weg begegnet. Ich war schon als Kind redselig und extrovertiert und hatte auch oft den Ruf des Klassenkaspers weg. Ich bin schlagfertig und kommunikativ und oft habe ich das Bedürfnis die Dinge locker und lustig zu sehen. Ich lache viel und laut und versuche damit, die angespannte Stimmung um mich herum aufzulösen. Sei es als Lehrer in meiner Klasse oder auch privat. Ich hatte eine sehr schwierige Jugend und das Lachen war für mich ein Ventil, vielleicht sogar eine Art Therapie, nicht ganz in Traurigkeit und Depression zu versinken und mir ein Stück „Leben“ zurückzuholen.  Das wäre per se kein Problem, wenn ich nicht immer wieder das Maß verlieren würde. Im Eifer des Gefechts verliere ich oftmals die Verhältnismäßigkeit und das Ziel. Es kann sein, dass, wenn ich mich richtig heiß geredet habe, meine Schlagfertigkeit unbedacht und verletzend wird. Was oft als Späßchen oder Lockerheit beginnt, endet häufig damit, dass ich jemanden auf die Füße getreten oder beleidigt habe, was überhaupt nicht meine Absicht war. Schon viele Male habe ich versucht mich zu disziplinieren, aber am Ende des Abends lande ich wieder dort, wo ich eigentlich gar nicht hinwollte. Das nimmt mich dann so mit, dass ich die ganze Nacht darüber nachgrübele, was die anderen über mich denken und dass ich wohl mal wieder das Gesicht verloren habe. Ich brauche manchmal Tage mich wieder auf die Spur zu bringen. Es gibt Zeiten, da hasse ich mich dafür, aber ich habe keine Idee, wie ich das ändern kann.“

Ich schlage vor einen Persönlichkeitsstrukturtest durchführen zu lassen. Nach meiner Eingangsdiagnostik mit Hilfe des Tests stellt sich folgendes Ergebnis heraus:

Schon beim ersten Blick auf die Wesenszüge wird ersichtlich, dass sich die einzelnen Ergebnispunkte mehr an den Rändern als mittig befinden. Das heißt Herr A. wird von den Menschen eher als auffällig und markant wahrgenommen.

Eine große Auffälligkeit bei der Auswertung des PSTR-Tests ist der hohe Wert in der Unbefangenheit (1). Menschen mit hoher Unbefangenheit lieben das Unkomplizierte und teilen unbefangen ihre spontanen Gedanken und ihre Gefühlslage mit. Sie reagieren auf Ereignisse unmittelbar und häufig unreflektiert. Im Umgang mit anderen sind sie weniger überlegt, vorausschauend oder diplomatisch. Sie berücksichtigen weniger die Reaktionen anderer Menschen und werden somit leicht von Situationen überrascht, bei denen sie dann oft indiskret und ungeschickt handeln. Man könnte auch sagen, dass der Mund manchmal schneller ist als der Kopf.

Auch die ausgeprägte Begeisterungsfähigkeit (10) und Unkonventionalität (10) des Klienten stechen ins Auge. Begeisterungsfähige Menschen reagieren impulsiv und lieben aufregende Situationen. Bei Kontakt mit anderen Menschen gehen sie aus sich heraus, bei der Arbeit handeln sie ohne Umschweife und beschäftigen sich nur verhältnismäßig kurz mit einer Sache. Herr A. kümmert sich weniger um die Folgen seiner Handlung und handelt oft weniger verantwortungsvoll. Er ist leicht zu begeistern und kann andere für ein Thema begeistern und mitreißen. Unkonventionelle Menschen, wie Herr A., sprudeln vor Ideen – auch gegen den Strom. Sie sind bereit von formalen Wegen abzuweichen, reagieren unter Belastung aber äußerst emotional. Sie meiden Routinearbeiten, sondern suchen anspruchsvolle Aufgaben, ohne dabei die praktische Verantwortung zu übernehmen, was Herrn A. bei der Gestaltung seiner Unterrichtsstunden auch äußerst zuträglich sein kann. Sein Unterricht wirkt durch die unkonventionelle Art und Weise interessant, spannend und abwechslungsreich auf seine Schüler und Schülerinnen.

Ebenfalls hohe Persönlichkeitsausprägungen lassen sich bei Herrn A. in der Sensibilität (10) und Wachsamkeit (1) finden. Sensible Menschen beschäftigen sich intensiv mit ihren Gefühlen und Vorstellungen, sind eher ungeduldig und erwarten die Aufmerksamkeit des Gegenübers. Es kann sein, dass sie Dinge wahrnehmen, die andere Menschen überhaupt nicht bemerken und fühlen sich deshalb oft unverstanden. Im Gespräch wirken sie einfallsreich und ausdrucksstark, gehen aber harten Auseinandersetzungen aus dem Wege. Was seine empfundene Problematik erschwert ist die ausgeprägte Wachsamkeit, sich feinfühlig und empathisch gegenüber anderen zu verhalten. Er grübelt über psychisch-soziale Hintergründe und Motive seines Umfelds, zeigt sich ästhetisch anspruchsvoll und wachsam gegenüber geringsten Veränderungen. Diese Fähigkeit hilft ihm, sein Gegenüber wahrzunehmen und ein Gespür für den anderen zu haben. Er hat sein Gegenüber feinfühlig und einfühlsam im Blick. Nach unbeabsichtigten Indiskretionen anderen gegenüber lässt ihn dann aber seine Wachsamkeit auch überdeutlich spüren, wie sich sein Gegenüber als Widerhall auf seinen Input ihm gegenüber verhält. Gegebenenfalls kann dies dazu führen, dass er die Reaktionen seines Umfelds überinterpretiert, er sozusagen „das Gras wachsen hört“.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Herr A. den Kontakt mit Menschen aktiv sucht (Kontaktorientierung 9) und sich im Gespräch mit andern als unbefangen, begeisterungsfähig und unkonventionell darstellt, jedoch auf die Reaktionen seiner Mitmenschen (über)sensibel und wachsam reagiert. Diese Dialektik im Verhalten und in der Wahrnehmung versetzt Herrn A. in extreme Spannung (Besorgtheit 9) und innere Gespanntheit (9).

In der Grundstruktur zeigt sich ein ähnliches Bild: Herr A. ist im Reden zu Hause, sucht Abwechslung und Unterhaltung (Extraversion 8). Er kann schnell Freundschaften schließen und sich unbeschwert gehen lassen. Er ist redselig, schlagfertig und unternehmungslustig. Manchmal auch zu Streichen und zum Necken bereit, was ihn dann hinterher in eine unangenehme emotionale Lage bringt.

Seine Stimmungslage ist äußerst flexibel; er reagiert, verstärkt durch seine hohe Wachsamkeit, rasch auf die Stimmungslage seines Gegenübers (Emotionalität 7). Herr A. ist psychisch leicht zu beeinflussen. Er ist häufig abgespannt, matt und auch ängstlich, was sich in den Wesenszügen in einer hohen Besorgtheit (9) niederschlägt. Er grübelt oft über das Leben nach und fühlt sich nicht selten missverstanden.

In der Tiefenstruktur finden sich wiederkehrend Ansätze der Wesenszüge wieder: Herr A. beschreibt sich als warmherzig (7), den Menschen zugewandt, sucht nach vertrauensvollen Nahkontakt und möchte andere Menschen glücklich machen. Zudem zeigt er sich eher unkonventionell (7), sehnt sich nach Veränderung und Neuigkeiten und fürchtet sich vor Einschränkungen. Erfolg möchte er möglichst rasch bewirken und Versuchungen, wie seine Mitmenschen verbal zu necken, kann er nur schwer widerstehen, da es ihm primär um seine/die Präsenz geht und nicht, was war oder an Konsequenzen folgen wird.

Herr A. zeigt bei dieser Interpretation ein breites Grinsen und fühlt sich verstanden. „Ja, genau so sehe ich mich auch. Schön, dass ich es nun schwarz auf weiß habe. Aber was kann ich jetzt tun, um mich zu verändern?“

Wir erarbeiten gemeinsam Ziele nach dem ABPS-Veränderungsmodell. Im Fokus stehen:

  1. Entspannungsübungen (progressive Muskelentspannung, Sport, Atemübungen etc.): Anspannung und Stress lässt Herrn A. stärker in seine alten Verhaltensabläufe zurückfallen
  2. Beobachtungsbogen schreiben, Gesprächstagebuch führen: Wie verliefen die Gespräche? Was habe ich geantwortet?
  3. Verzögerung des Handlungsablaufes (operantes Konditionieren): Vor der Antwort auf 10 Zählen, nochmals nachfragen, ein Schluck aus dem Wasserglas nehmen, ggf. den Raum verlassen etc.
  4. Kommunikationsübungen bei denen Herr A. besonders auf die Redeanteile seines Gegenübers achten muss, und seine Redeanteile zurückstellen soll. Alternativ soll er auch mal einen Abend lang gar nichts sagen.
  5. Gedanken, Stimuli, Verstärker und das aktuelle und alte System (Elternhaus) erkennen und benennen und ggf. neue Alternativen finden.
  6. Eine neue gute Wortwahl üben (assoziieren) Lob, Wertschätzung, Ermutigung, Dankbarkeit etc.
  7. Spiritualität miteinbeziehen: Beten, Meditieren, schlechte Gespräche vor Gott bringen und sich vergeben lassen, allein ein paar Klostertage verbringen etc.

Herr A. arbeitet hart an seiner Veränderung. Für ihn war der effektivste Schlüssel zur Verhaltensänderung weniger auf sich und dafür mehr auf den anderen zu achten. Dazu hat er sich entschlossen, sich im Segnungsteam seiner Gemeinde (neues System) anzumelden, um dadurch ein Segen für andere zu sein und sich im Aussprechen guter und bedachter Worte zu üben.  Das hat ihm nicht nur mehr positives Feedback seiner Umgebung gebracht, sondern hat ihn auch in seinem Selbstwert wachsen lassen und ihm zum Teil seine Besorgtheit und Angespanntheit genommen. Herr A. ist auf einem gutem Wege Frieden mit sich und seinen Mitmenschen zu finden.

© Barbara Spägele – 12.10.2022

Herr S, 40 Jahre, wünscht sich eine berufliche Veränderung, nachdem er lange als Projektleiter für ein mittelständisches Unternehmen gearbeitet hat. Ihm liegt bereits ein Stellenangebot vor, welches ihm deutlich mehr Verantwortung für den Aufbau einer neuen Geschäftsidee geben würde. Er ist sich unsicher, ob der diesen Anforderungen gewachsen ist und fragt nach einem Coaching, ihn für diese Aufgabe vorzubereiten.

Nachdem eine Auswertung seines Persönlichkeitstests (PST-R) vorlag, konnte ich ihm seine Fähigkeiten genau beschreiben.

Zusammenfassung der Wesenszüge

In der Zusammenfassung zeigt sich bei Herrn S. insgesamt eine relativ hohe Belastbarkeit (8), die davon ausgeht, dass er nicht so leicht zu beunruhigen ist. Er geht davon aus, mit fast allem fertig zu werden. Er arbeitet diszipliniert und zielstrebig, zeigt sich dadurch anderen gegenüber möglicherweise aber auch aktiv und herausfordernd.

Des Weiteren beschreibt er sich mit einer ebenso hoch ausgeprägten Unabhängigkeit (8), die sich durch ein selbstbewusstes und sicheres Auftreten zeigt. Er macht sich dadurch auch weniger von anderen Menschen abhängig und verfolgt seine eigenen Ziele.

Bei den Einzelheiten der Wesenszüge sind folgende Ausprägungen deutlich erkennbar (wobei nochmals darauf hingewiesen wird, dass diese Ergebnisse dem Eindruck entsprechen, wie Herr S. von anderen Menschen wahrgenommen wird).

Selbstbehauptung (8)
Herr S. verhält sich anderen Menschen gegenüber eher mit einer hohen ‚Ichstärke‘, tritt selbstbewusst auf und wirkt manchmal unnachgiebig, wenn er von einer Sache überzeugt ist. So neigt er hin und wieder auch dazu, seine Entscheidungen selbst zu treffen und diese auch gegen die Meinung anderer und bei Widerständen durchzusetzen.

Begeisterungsfähigkeit (9)
Er beschreibt sich als häufig impulsiv und begeisterungsfähig für neue Ideen. Er liebt neue Situationen, lässt sich schnell von einer Sache begeistern und kann auch andere Menschen davon überzeugen. Bei der Arbeit hält er sich weniger lange mit den Einzelheiten auf, sondern verfolgt eher den großen Rahmen einer neuen Idee.

Selbstsicherheit (8)
Herr S. ist von sich und seiner Meinung überzeugt. Es fällt ihm leicht, anderen Menschen seine Ansichten und Gefühle mitzuteilen. Tätigkeiten, welche Auseinandersetzungen mit sich bringen, weicht er nicht aus. Ebenso steht er emotional strapazierende Situationen ohne große Mühe durch.

Unkonventionalität (8)
Er entwickelt gerne neue Ideen und ist dabei auch bereit, vom üblichen Weg abzuweichen. Innovationen und neue Ziele finden sind Ausdruck seines unternehmerischen Handelns. Herr S. sucht eher die anspruchsvollen Aufgaben, anstatt sich mit Routinearbeiten aufzuhalten.

Robustheit (3)
Herr S. packt in praktischen Dingen oftmals, ohne viel zu überlegen zu, beschäftigt sich dabei mit den realen Gegebenheiten und handelt auf der Grundlage von konkreten und logischen Argumenten. Harte Auseinandersetzungen steht er leichter durch und bewältigt Notlagen nach eigenem Ermessen.

Unbefangenheit (3)
Er liebt das Unkomplizierte und Natürliche, spricht die Dinge so aus, wie er sie sieht und teilt seine Gedanken und Gefühle anderen mit. Dabei reagiert er zumeist unmittelbar auf bestimmte Ereignisse und reflektiert manchmal nicht, wie seine Reaktionen bei anderen ankommen.

In der Zusammenfassung der Einzelheiten zu den Wesenszügen, also für andere leicht erkennbar, beschreibt sich Herr S. als ein unternehmerischer und kreativer Mensch, der das Neue sucht und der andere Menschen leicht von seinen Ideen überzeugen kann. Er vertritt dabei eine klare Meinung, die er seinen Zielen verpflichtend auch gegenüber anderen Menschen unter schwierigen Situationen durchsetzen kann.

Zur Grundstruktur

Bei der Grundstruktur, also dem Teil der Persönlichkeit, der nach außen weniger sichtbar und auch weniger veränderbar ist, beschreibt sich Herr S. auf der Skala „introvertiert-extrovertiert“ (7) als ein eher extrovertierter Mensch. Im Umgang mit anderen Menschen zeigt er sich gesprächig und gesellig, er kann schnell Freundschaften und/oder Allianzen schließen und schätzt dabei die Abwechslung und Unterhaltung. Im Allgemeinen ist er ein unternehmenslustiger Mensch, der bei gemeinsamen Aktivitäten auch die Führungsrolle übernehmen kann.

Auf der Skala „flexibel – stabil“ (3), auf der die psychischen Schwankungen eines Menschen ermittelt werden, beschreibt sich Herr S. als deutlich stabil. Gefühle, Ärger oder Unmut bringen ihn nicht so leicht aus seiner Rolle. Er zeigt sich eigentlich zuversichtlich, dass Dinge sich zum Positiven wenden, und trauert unangenehmen Erlebnissen auch nicht lange nach. Das macht ihn bei der Arbeit deutlich belastbarer.

Zur Tiefenstruktur

Im innersten Teil der Persönlichkeit, der noch weniger veränderbar ist beschreibt sich Herr S. auf der Skala „sachlich – warmherzig“ (6) als leicht warmherzig. Er sucht die Nähe zu den Menschen, möchte anderen helfen und ist dabei auch manchmal etwas großzügig in der Beurteilung anderer. Auf der anderen Seite kennt er aber auch seinen Rückzugsort, indem er sich anderen nicht ständig aufdrängt und dadurch auch eigenständiger wirkt. Sein Nähe-Distanz Verhältnis zu anderen Menschen erscheint im ersten Augenblick als recht ausgeglichen, tendiert dann aber eher leicht zu einer Sehnsucht nach Gemeinschaft mit anderen.

Auf der Skala „unkonventionell – korrekt“ (7) ist sein Wunsch nach Veränderungen und Innovation deutlich größer als an bewährte Methoden festzuhalten. Freiheit im Handeln fördert ihn in seinem unternehmerischen Denken mehr als sich an enge Vorgaben halten zu müssen. So gesehen kann man Herrn S. auch als einen Pionier beschreiben, der ganz neue Möglichkeiten sucht, an die bisher noch niemand gedacht hat. Er handelt dabei manchmal nach seiner privaten Logik, die für ihn selbst stimmt, auf andere aber auch unverständlich wirken kann. Insgesamt hilft ihm diese Ausprägung in der Tiefenstruktur, sich nach Erfolg zu sehnen und dabei auch mal Risiken einzugehen.

Zu den Kontrollüberzeugungen (Leistungsmotivationen)

Die eher hohe Ausprägung bei der „internalen Kontrollüberzeugung“ (7) deutet darauf hin, dass Herr S. der Meinung ist, dass sich Probleme mit einigem Aufwand auch lösen lassen. Er glaubt an sich und seine Fähigkeiten und gibt nicht so leicht auf, ein Ziel zu erreichen. Beharrlichkeit und Disziplin zeichnen ihn als einen leistungsorientierten Menschen aus. Andere sehen ihn möglicherweise als den „Kämpfer“ oder den „Macher“.

Bei der „externalen Kontrollüberzeugung“ (4) zeigen die Ergebnisse, dass Herr S. in seinen Entscheidungen nur schwer von anderen Menschen oder vom Schicksal zu beeinflussen ist. Er vertraut seinen eigenen Fähigkeiten mehr, als dass er Gründe oder Entschuldigungen bei anderen Menschen sucht. Wenn etwas nicht funktioniert, sucht der die Gründe und Verantwortung zunächst bei sich selbst.

Zusammenfassung der Testergebnisse:
Insgesamt kann vom Persönlichkeitsstrukturtest hergesehen gesagt werden, dass sich Herr S. als einen leistungsorientierten Menschen beschreibt, der sich in seinen Strebungen dem Erfolg verpflichtet sieht.

Er ist jemand, der stark nach außen wirkt, der Menschen von seinen Überzeugungen beeinflussen kann und der nicht so leicht aufgibt, nach konkreten Lösungen für ein Problem zu suchen. Seine Herausforderung liegt eher im Neuen, im Konzeptualisieren und im Entwickeln von neuen Strategien.

Darüber hinaus ist er deutlich belastbar für anspruchsvolle Aufgaben, die ihn eher anspornen nach Lösungen zu suchen, die dem Unternehmenserfolg dienlich sind.

Empfehlungen für einen konkreten Förderbedarf
Die in den Wesenszügen erkennbare „Robustheit“ kann von manchen Menschen als wenig ‚empathisch‘ empfunden werden, wenn es darum geht, diese für eine Sache zu überzeugen. Herr S. sollte lernen, die Gedanken und Gefühle seines Gegenübers zu erkennen und darauf eingehen, um von anderen Menschen Unterstützung für seine Ideen zu gewinnen.

Eine ebenso deutliche „Unbefangenheit“ in den Wesenszügen kann sich für Herrn S. in Gesprächen ungünstig auswirken, wenn andere den Eindruck haben, dass er manchmal Kommentare zu schnell oder ggfs. unreflektiert gibt, welche die Situation aber nicht richtig treffen. Lernen, zu reflektieren und zuzuhören worum es dem anderen geht, wäre ein guter Weg, dem anderen ‚auf Augenhöhe‘ zu begegnen und dadurch die Beziehung zu stärken.

Des Weiteren habe ich ihn auf seine relativ hohen ‚Selbstwerte‘ bei der Selbstbehauptung (8) und Selbstsicherheit (8) hingewiesen, die für eine Projektentwicklung zwar unbedingt notwendig sind, im Dialog mit anderen Menschen aber auch als arrogant und überlegen verstanden werden können. Wenn es ihm gelingt, auch diese Persönlichkeitsmerkmale weniger dominant einzusetzen, wird er ganz vielen Menschen Sicherheit in ihrer Zusammenarbeit mit ihm geben.

Vor diesem Hintergrund bringt Herr S. viele gute Eigenschaften mit, um sich einer Herausforderung im Aufbau einer neuen Geschäftsidee zu stellen. Gleichzeitig konnte ihm die Testauswertung zeigen, wie er Menschen für sich gewinnen kann, wenn er diesen auf Augenhöhe begegnet, in dem er an einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen arbeitet.

© Ben Vaske – 01.09.2022

Vor etwa 10 Jahren nahm eine Witwe Kontakt auf. Ihr Mann war unerwartet und plötzlich etwa zwei Jahre zuvor verstorben. Kaum Zeit zu trauern, hatte sie doch mehrere Kinder im schulpflichtigen Alter zu versorgen. Ihr Bildungshintergrund war akademisch (Universität). Um den Lebensunterhalt bestreiten zu können, war sie vollzeitlich erwerbstätig. In ihrer Persönlichkeit war sie als nüchtern und selbstbewusst wahrzunehmen. Sie versicherte, dass sie sich nicht oder nicht mehr in einer Krise befände, auch wenn sie am Anfang des Schocks nur noch funktioniert habe. Aus allgemeinem Interesse wolle sie sich jedoch besser verstehen lernen – in ihrer Aufgabe als Mutter, aber durchaus auch vor persönlichem und beruflichem Hintergrund –.

Ein PST-R konnte den ersten Eindruck einer starken Persönlichkeit bestätigen: Emotionale Widerstandsfähigkeit (8), ausgeprägte ‚Selbst‘-Werte (Selbstbehauptung (9), Selbstsicherheit (8) und Selbstvertrauen (1)) in den Wesenszügen, emotionale Stabilität (3) in der Grundstruktur; aber auch sachlich (3) / korrekt (3) in der Tiefenstruktur (siehe Ergebnisblatt: ‚blau‘ markierte Merkmalsausprägungen).

Jedoch können auch ‚Spannungen von innen nach außen‘ beobachtet werden; z.B. erkennbare Korrektheit (3) in der Tiefenstruktur in Verbindung mit sehr deutlicher Begeisterungsfähigkeit (10), erkennbarer Unkonventionalität (8), sehr deutlicher Flexibilität (1) und Unbefangenheit (1) in den Wesenszügen.

Die niedrige internale Kontrollüberzeugung (2) bei mittlerer externaler Kontrollüberzeugung (4) schien jedoch angesichts der grundsätzlich erfolgreich zu bewertenden Bewältigung der tiefgreifenden Lebenskrise nicht so ganz in das Bild zu passen. Andererseits könnte diese von außen unerwartet hereingebrochene Lebenskrise immer noch die vergleichsweise höhere Ausprägung der externalen Kontrollüberzeugung und zugleich niedrigere Ausprägung der internalen Kontrollüberzeugung erklären.

Die Prognostik für eine weiterhin positive Entwicklung war angesichts des Gesamtbildes der Persönlichkeit und v.a. der Entwicklung seit dem unerwarteten Verlust des Ehemannes trotzdem gegeben; Bedarf an einem Förderprogramm war nicht angezeigt.

Zehn Jahre später nahm die Klientin wieder Kontakt auf. Ihr Eintritt in den Ruhestand würde demnächst bevorstehen. Deshalb mache sie sich Gedanken, wie und womit sie den nächsten Abschnitt Ihres Lebens – die Kinder waren inzwischen aus dem Haus und selbstständig – am besten verbringen könne. Sie hatte etliche Ideen, wie sie die neu gewonnenen Freiheiten gestalten könnte, v.a. im ehrenamtlichen Bereich. Außerdem war sie besonders daran interessiert, welche Entwicklung sie denn nun in den vergangenen Jahren genommen habe. Basis sollte wieder die Analyse ihrer Persönlichkeit sein. Als ‚besondere‘ Anweisung für die Durchführung des Tests wurde ihr mitgegeben, sich den zehn Jahre alten Test nicht vorher anzusehen, um eine Beeinflussung des Ergebnisses möglichst gering zu halten.

Das Ergebnis war auf den ersten Blick überraschend: Während Wesenszüge und Grundstruktur im Bereich natürlicher Entwicklung lagen, war eine sehr große Veränderung in der Tiefenstruktur zu verzeichnen (siehe Ergebnisblatt: ‚rot‘ markierte Merkmalsausprägungen).

Im Gespräch mit der Klientin konnte eine plausible Erklärung erarbeitet werden: Bei der Testdurchführung zehn Jahre zuvor war ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität (Merkmal Korrektheit) im absoluten Fokus und vorherrschend. Offensichtlich überlagerte das Bedürfnis nach Sicherheit und stabilen Lebensverhältnissen und neuer alleiniger Verantwortung für die Familie in dieser Lebenssituation ihre eigentliche Ausprägung in der Tiefe ihrer Persönlichkeit. Zehn Jahre später jedoch, so die Klientin, mit erwachsenen und selbstständigen Kindern, ihrer nunmehr gesicherten Altersversorgung, käme ihre eigentliche, viel tiefer liegende Persönlichkeit wieder hervor. Diese Ausprägung in der Tiefenstruktur passe auch besser dazu, wie sie sich selbst sehe und erlebe: „Jetzt bin ich wieder Ich-Selbst! Damit sei sie auch bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Entwicklung der Kontrollüberzeugungen bestätigt dies und runden das Bild ab: internal nunmehr überdurchschnittlich hoch, insbesondere höher als die externale.

Dieser Einschätzung seitens der Klientin war nichts entgegenzusetzen. In Abwandlung eines Ausspruchs von Ödön von Horváth könnte man auch sagen: „Eigentlich bin ich ganz anders. Damals in der Krise kam ich nur nicht dazu.“

© BTS – 01.08.2022

Herr S., Mitte 60, führt eine kleine Steuerkanzlei und übernimmt gleichzeitig im Kreis der eigenen Geschwister die Rolle des Managers für das familieneigene Unternehmen. Angesichts nachlassender Kräfte könnte er an Rente denken, aber sein Leben lässt es nicht zu, weil er glaubt, überall gebraucht zu werden. So kann es nicht weitergehen. Seine Kanzlei will er irgendwann in jüngere Hände übergeben, weiß aber nicht, wie dies gelingen kann. Er sagt, er habe keine Zeit, diesen Schritt vorzubereiten, weil er sein ganzes Leben immer nur funktionieren muss. Ständig kommen Andere zu ihm mit ihren Bitten woraufhin er tut und macht.

Das Testergebnis überraschte mich. Als Beraterin merke ich, wie schnell ich selbst in Gefahr stehe, aus dem Erzählten eigene Schlüsse zu ziehen. Der Test zeigt nicht das, was ich von einem Steuerberater erwartet hätte, wie z.B. eine hohe Leistungsmotivation (hohe internale Kontrollüberzeugungen), deutliches abstraktes Denken, deutliche Selbstbehauptung und in der Tiefenstruktur eher Sachlichkeit.

Bei den Wesenszügen überraschten mich die hohe Wachsamkeit (1) und die sehr deutliche Sensibilität (10) dieses Mannes. Er nimmt viel wahr und zeigt sich sehr empathisch. Weniger überraschend ist die Besorgtheit (8), die ihn u.a. motiviert, Hilfe zu suchen. In allen anderen Wesenszügen fällt Herr S. kaum auf, weil diese eher ‚mittig‘ angeordnet sind. Ich erkläre ihm, dass ‚kaum auffallen‘ auch etwas über sein ‚selbst-sein‘ aussagt. Andere Menschen nehmen ihn für seine Bedürfnisse weniger wahr und drängen ihn in eine Rolle des ‚Funktionierens‘. So gesehen, hat er noch nicht gelernt, anderen ihre Grenzen aufzuzeigen und nimmt stattdessen die Rolle an, die man von ihm erwartet.

In der Tiefenstruktur zeigt er mit seiner deutlichen Warmherzigkeit (8) seine große Stärke im Umgang mit Menschen, die ihm in beiden Unternehmen hilft, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Sein Bedürfnis nach Harmonie passt zu den Erzählungen, dass er derjenige ist, der zwischen den Brüdern vermittelt und sich um die beiden Schwestern kümmert. Gleichzeitig geht er Konflikten so weit wie möglich aus dem Wege, weil ihm diese viel Kraft kosten.

Ähnlich wie bei den nicht stark ausgeprägten Wesenszügen bietet auch die deutliche Warmherzigkeit eine Erklärung dafür, warum dieser Mann ständig überlastet ist. Wie viele andere Warmherzige hatte er nicht gelernt, nein zu sagen und mehr auf sich selbst zu achten. Er war es von klein auf gewohnt, „der Familie zu dienen“ (und nicht nur dieser!).

Die hohe psychische Beweglichkeit, Flexibilität (8) in der Grundstruktur und die hohe externale Kontrollüberzeugung deuten ebenfalls darauf hin, dass er sich viele Sorgen macht, er in seinen Gefühlen häufig schwankt und dadurch auch sehr beeinflussbar ist. Weil er sich in seinen Gefühlen nicht sicher ist, trifft er auch weniger weitreichende Entscheidungen, so auch nicht für sein eigenes Leben.

Ich fragte mich, was hatte diesen Mann all die Jahre vor einem Burnout geschützt? Er beschreibt sich in der Tiefenstruktur unkonventionell (5). D.h. er sucht nicht ständig nach neuen Aufgaben oder Herausforderungen, die ihm noch mehr Kraft kosten. Er weiß, welche Dinge er wann perfekt erledigen muss und wann nicht. Er tut etwas für sich, in dem er seit vielen Jahren wöchentlich an einer Entspannungsgruppe teilnimmt und sich regelmäßig mit Freunden zum Männerabend trifft.

Als Ziel formulierte der Ratsuchende: Ich will lernen, mein Leben zu gestalten. Nein-Sagen, delegieren und Manipulationen durchschauen wurden als Unterziele formuliert und dienen gleichzeitig der Erhöhung seiner Selbstbehauptung und seiner Selbstsicherheit in den Wesenszügen sowie seiner Selbstwirksamkeit in der internalen Kontrollüberzeugung. Ein bedeutsamer erster Schritt war es für ihn zu erkennen, welche Menschen seine Warmherzigkeit häufig ausnutzen. Diese Personen setzte er auf eine Liste, um in Zukunft bei etwaigen Anfragen an ihn zu prüfen ob er diese mit einem klaren Nein beantworten darf.

Bei Herrn S. bin ich als Beraterin herausgefordert, ihm die Verantwortung für seinen Lernprozess immer wieder ganz bewusst zu machen, da er sonst seinen Hausaufgaben nicht nachkommt und im alten Muster stecken bleibt. Inzwischen hat er gelernt, öfter nein zu sagen, um Zeit zu gewinnen. Er ist bereits dabei, Schritte zu entwickeln, die eigene Arbeit in andere Hände zu geben.

  © BTS 01. Juli 2022

Herr M., 38 Jahre alt, kommt deprimiert und verzweifelt in die Beratung und beginnt zögerlich zu erzählen: „Ich arbeite schon seit vielen Jahren in derselben Firma in der Buchhaltung und die Arbeit war für mich bis jetzt immer gut bewältigbar, sie hatte mir ab und an sogar Spaß gemacht. Ich hatte mit einem recht angenehmen Kollegen ein Büro geteilt und habe dort meine Arbeit immer zur vollsten Zufriedenheit der Geschäftsleitung absolut zuverlässig erledigt. An jedem Monatsende war mein vorgegebenes Pensum erfüllt, die Abrechnungen waren erledigt und die Löhne pünktlich und korrekt überwiesen. Dann kam die Geschäftsleitung auf die für mich kaum nachvollziehbare Idee die ganze Firma und damit alle Abteilungen und jeden Arbeitsplatz umzustrukturieren, obwohl doch alles gut war, wie es war.

Was meine Abteilung anbelangt, hatte die Firmenleitung die Schnapsidee uns in ein Großraumbüro zu verfrachten. Das müssen sie sich ´mal vorstellen: Zwölf Mann in einem Raum! So etwas geht doch nicht! Mit so vielen Menschen im Raum soll man dann auch noch konzentriert arbeiten können? Überall klingelt, dudelt und schwatzt es. Der Geräuschpegel ist nicht auszuhalten. Aber es kam noch schlimmer: Die Arbeitsplätze wurden neu zugewiesen. Als ich von einem Urlaub zurückkam, hatte ich plötzlich einen Arbeitsplatz direkt neben der Eingangstüre – eine Katastrophe! Ständig geht die Türe auf und ich werde fortwährend angesprochen und bei der Arbeit unterbrochen, weil ich am ersten Tisch nach dem Eingang sitze. Jedes Mal verliere ich dann den Faden und muss gefühlt von vorn beginnen. Dass sich da Fehler einschleichen, liegt doch auf der Hand. Oder noch schlimmer: Mein strenger Abteilungsleiter kommt nun regelmäßig überraschend hereingeschneit, schaut mir bei der Arbeit über die Schulter und kontrolliert, was ich gerade tue.

Ich sitze den ganzen Tag angespannt an meinem Arbeitsplatz und warte auf die nächste Störung oder Kontrolle und habe seitdem meine Sinne nicht mehr recht beisammen. Ständig passieren mir nun Fehler, was mich noch ängstlicher und unsicher macht. Immer stärkere Kopfschmerzen bis hin zu Migräne und unglaubliche Nackenschmerzen machen mir zunehmend zu schaffen. Nun kam es, wie es kommen musste: Letzten Monat erhielt ich eine Abmahnung, da ich die Löhne falsch überwiesen hatte. Ich und Fehler?! So etwas darf doch nicht sein! Seitdem bin ich krankgeschrieben und fühle mich nicht mehr imstande zur Arbeit zu gehen.

Ich schlage vor einen Persönlichkeitsstrukturtest durchführen zu lassen. Nach meiner Eingangsdiagnostik mit Hilfe des Tests stellt sich folgendes Ergebnis heraus:

Eine große Auffälligkeit des PSTR-Tests sind die hohen emotionale Schwankungen (1) in den Wesenszügen. Ich erkläre Herrn M., dass die Gefühle derartiger Personen häufig schwanken und er sich deshalb leicht beunruhigen, verunsichern oder ärgern lässt. Störungen bei der Arbeit irritieren und kritische Situationen beanspruchen ihn als ganzen Menschen so sehr, dass ihm daraufhin oftmals  der Mut fehlt stringent weiterzuarbeiten und  eine angefangene Arbeit zu Ende zu führen.

Ebenfalls auffällig ist die große Besorgtheit (10). Ich erkläre Herrn M., dass Besorgtheit Angst bewirkt und Angst wiederum mit körperlicher Anspannung verbunden ist. Deshalb ist es nicht möglich entspannt zu sein und gleichzeitig Angst zu haben oder Angst zu haben und gleichzeitig körperlich entspannt zu sein. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist sein Muskeltonus, vor allem im Hals-Nacken-Bereich und im Bereich des Kiefers, stark erhöht, was wiederum zu Blockaden führt, die sich als psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen, Migräne oder/und Nackenschmerzen bemerkbar machen können.

Ebenfalls deutlich in den Wesenszügen erscheint die geringe Unabhängigkeit (2). Ich erkläre Herrn M., dass Menschen mit dieser Ausprägung bereit sind, sich anderen anzupassen und unterzuordnen. Sie verhalten sich vertrauensvoll, tolerant, zurückhaltend und vorsichtig. Da dieser Wert in einem Zusammenhang mit den folgenden Werten der Einzelheiten in den Wesenszügen steht, schauen wir uns diese in Folge genauer an:

Soziale Anpassung   vs.    Selbstständigkeit (3)
Zurückhaltung          vs.    Selbstsicherheit   (4)
Selbstvertrauen       vs.     Besorgtheit          (10)

Dies bedeutet, dass Herr M. bereit ist, sich sozial anzupassen und sich zudem anderen gegenüber eher zurückhaltend und vorsichtig verhält und Auseinandersetzungen meidet. Tauchen Schwierigkeiten auf, macht er sich dafür selbst verantwortlich. Ebenso lässt er sich von seinen momentanen Gefühlen leiten und neigt dazu, Dinge eher auf sich zukommen zu lassen als eine feste Absicht zu verfolgen und sich durchzusetzen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich Herr M. deutlich emotional schwankend (1), besorgt (10) und angespannt (8) zeigt. Eine derartige Ausprägung bei den Wesenszügen kann auch als ein Indikator für eine Depressive Verstimmung angesehen werden, die den Schwerpunkt im Bereich der Besorgtheit hat.

Mit der hohen psychischen Flexibilität (9) in der Grundstruktur wird deutlich, dass seine starken Stimmungsschwankungen schon seit längerer Zeit bestehen. Da diese Ausprägung bereits während der frühen Kindheitsjahre gefestigt wird, ist dieser Anteil der Persönlichkeit älter als die Wesenszüge und begleitet deshalb die Gefühlswelt von Herrn M. bereits seit längerer Zeit. Emotional flexible Menschen zeigen sich häufig ängstlich, schüchtern, angespannt und fühlen sich oft niedergedrückt. Sie handeln irrational, sind launisch und häufig verstärkt gefühlsbetont. Oftmals tendieren diese Personen zu geringer Selbstachtung und zu rasch aufkommenden Schuldgefühlen, haben eine niedrige Stress- und Angstresistenz, sind oft Stimmungsschwankungen ausgesetzt, grübeln über das Leben nach und fühlen sich nicht selten missverstanden. Außerdem neigen derartige Personen zu psychosomatischen Beschwerden wie Schlafstörung, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Störungen im Magen- und Darmbereich und zu Verspannungen – gerade auch im Nackenbereich. Bei dieser Befundlage ist davon auszugehen, dass Herr M. schon seit einigen Jahren an dieser Störung leidet und diese durch den Arbeitsplatzwechsel lediglich verstärkt wurden.

Zusätzliche Anstrengungen kosten Herr M. die ständigen Unterbrechungen und das andauernde Angesprochen werden durch Besucher oder den Chef während seiner Arbeit. Durch seine geringe Extraversion (2) ist Herr M. eher im Schweigen zu Hause. Problemen, stressreichen Situationen und neuen Kontakten wird er zunächst mit Schweigen begegnen und dadurch Kraft und Ideen schöpfen. Bewegt Herr M. sich in seiner Komfortzone, verhält er sich ruhig, nach innen gekehrt, wenig mitteilungsfreudig und gesellig, verschlossen, ernst und kaum willig auf ständige Anfragen zu reagieren. Herr M. hat zwar im Laufe der Jahre gelernt zu reden, Kontakte aufzunehmen und zu pflegen (siehe Wesenszüge, Kontaktorientierung 5), jedoch kostet ihn dieses Verhalten viel Kraft und Mühe.

Interessant zeigt sich auch die Betrachtung des ´Inneren Kreises´ der Persönlichkeitsstruktur, der Tiefenstruktur, und somit eine Überprüfung, inwiefern das diagnostizierte Verhalten von Herrn M bis in die frühe Kindheit zurückgeführt werden kann.

Hier zeigt sich ein Ergebnis, das der langjährigen Erfahrung entspricht: Herr M. beschreibt sich in der Tiefenstruktur als korrekt (1) und hat somit bereits als Kind gelernt, keine Fehler machen zu dürfen. Weil er alle seine Lebensbereiche perfekt gestalten will, muss er viel physische und psychische Energie aufbringen, um ein solches Ergebnis zu erreichen.

Der überdurchschnittliche hohe Werte bei der externalen Kontrollüberzeugung (7) deutet darauf hin, dass Herr M. im Sinne der „erlernten Hilflosigkeit“ geprägt wurde und er davon ausgeht, dass das eigene Schicksal vom Zufall beziehungsweise von äußeren Kräften oder Menschen bestimmt wird, die sich der eigenen Kontrolle entziehen, und er selbst dadurch wenig Möglichkeiten zur Einflussnahme seiner Lebensumstände hat.

Herr M. ist erstaunt über die Ergebnisse des PSTR und fühlt sich erkannt und verstanden. Wir erarbeiten gemeinsam einen Beratungsplan nach dem ABPS-Modell.

Da die Hintergründe von Herrn M.’s Stimmungsschwankungen in den älteren und damit auch stabileren Teilen der Persönlichkeitsstruktur begründet und diese nur recht schwer zu ändern sind,  beginnen wir mit der Arbeit an den depressiven Anteilen in den Wesenszügen.

Die ersten Schritte sind:

  • Die regelmäßige Einnahme seiner verschriebenen Medikamente (Antidepressiva)
  • Entspannung (Progressive Muskelentspannung, Atmung, Singen, Sport, Schlaf, Pausenzeiten etc.)
  • Erarbeiten neuer Sätze wie z.B. „Ich muss nicht alles korrekt und 100% lösen, die letzten 20% des Weges zur Perfektion brauchen mehr als die Hälfte meiner psychischen Kraft“ (Pareto-Regel)

Bezogen auf die externale Kontrollüberzeugung: „Ich will und kann Probleme lösen – auch ohne Hilfe.

  • Arbeit am Selbstwert, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit und Selbstständigkeit
  • Stärkung durch die Ressourcen des Glaubens usw.

Insgesamt gehen wir alle Punkte des ABPS-Programms Schritt für Schritt durch.

Einer seiner Aufgaben besteht darin, in Absprache mit der Geschäftsleitung, bei seinen Arbeitskollegen anzufragen, ob nicht jemand Interesse hätte mit ihm seinen Arbeitsplatz zu tauschen. Seine spontane und erste Antwort ist, dass er sich nicht vorstellen könne, dass jemand so einen „Looserplatz“ freiwillig haben möchte. Ich erkläre ihm anhand des PST-R, dass es auch Menschen gäbe, die kontaktorientiert, extravertiert und warmherzig seien und dieser Platz für derartige Personen gegebenenfalls genau das Richtige sein könnte. Tatsächlich kam er mit einer Kollegin ins Gespräch, die ganz einsam und vergessen auf einen der hinteren Plätzte saß und neidvoll schon längere Zeit gerne mit Herrn M. getauscht hätte.

                                                                                                                                                  © Barbara Spägele 01. Juni 2022

Herr B, 39 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder kommt in die Beratung, weil er mit seiner derzeitigen Lebenssituation unzufrieden ist. Es fehlen ihm neue Herausforderungen und die Möglichkeiten aktiv zu gestalten und Neuerungen anzustoßen. Er befindet sich in einer Lebensphase, wo er schon vieles erreicht hat und sich gleichzeitig fragt, welche Prioritäten er für sein weiteres Leben setzen möchte. Herr B lebt zwar christliche Werte, hat aber keine lebendige Beziehung zu Jesus Christus.

Beruflich arbeitet er in einem mittelständischen Unternehmen als Assistenz der Geschäftsführung, d.h. weitere Aufstiegsmöglichkeiten sind nicht mehr gegeben und seine Versuche, sich aktiv in die Unternehmensgestaltung einzubringen, verlaufen, für ihn gefühlt, zu schleppend.

Herr B macht vor diesem Hintergrund einen PST-R. Darüber hinaus liegt ein um sieben Jahre älterer PST-R aus einer vorherigen Beratung vor. Sinnvoll wäre es zusätzlich noch den Motivationstest MST durchzuführen.

Im Vergleich der beiden PST-R ergibt sich ein unerwarteter Aspekt: Bis auf  zwei Werten gibt es keine signifikanten Unterschiede:

  1. Bei den Wesenszügen ist die Selbstbehauptung von 5 auf 8 gestiegen

2. In der Tiefenstruktur ist die Unkonventionalität von 6 auf 9 gestiegen.

Die Veränderung in den Wesenszügen lässt sich leicht erklären: Sie hängt mit der Persönlichkeitsentwicklung von Herrn B und  diese wiederum mit seinem beruflichen Werdegang zusammen, in dem zunehmende Leitung und Durchsetzung erforderlich waren.

Die Veränderung in der Tiefenstruktur ist eher selten und erschließt sich auch nicht auf den ersten Blick. Im Auswertungsgespräch weise ich Herrn B auf die Veränderung in der Tiefenstruktur hin und frage ihn nach seinen persönlichen Erklärungen hierfür.

Zunächst teilt er mir mit, dass es ihn sehr freut, dass seine Unkonventionalität in der Tiefe zugenommen hat, weil das genau seinen inneren Wünschen über sich selbst entspricht. Er sieht sich als Entwickler, der sich neuen Herausforderungen stellt und neue Dinge anstoßen will. Er beschreibt seine Angst vor Stillstand und die Befürchtung, dass es in seinem Leben einfach nur so weiter geht.

Gleichzeitig äußert er aber auch Verwunderung darüber, dass hier eine derart starke Ausprägung angezeigt wird, und es zu einer signifikanten Veränderung der Tiefenstruktur gekommen ist.

Ein mögliches Erklärungsmodell für die Veränderung in der Tiefenstruktur wäre, dass Herr B sein Bedürfnis nach Veränderung und Freiheit so tief verinnerlicht hat und es so zu einem festen Bestandteil seines Selbstbild geworden ist, dass quasi ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, der sich bei der Beantwortung der Fragen niedergeschlagen hat.

Hinzu kommt möglicherweise, dass auch die Zunahme in der Selbstbehauptung bewirkt hat, dass Herr B stärker zu seinen Bedürfnissen steht und für sie eintritt.

Im weiteren Beratungsverlauf haben wir ergänzend ein Lebensskript erarbeitet und die Motivation von Herrn B beleuchtet. Es zeigte sich eine hohe Kontingenz in Richtung auf Unkonventionalität, die jedoch noch mit einem Motivationsstrukturtest untermauert werden sollte.

Herr B hat daraufhin ein Gespräch über seine Perspektiven im Unternehmen geführt, mit dem Ergebnis, dass er  mittelfristig in ein anderes Unternehmen sollte.
Er hat sich allerdings politisch  engagiert und eine Wahl zum Bürgermeister gewonnen.

Natürlich wurden auch die weiteren Ergebnisse des der PST-R  besprochen und die Ergebnisse für seine Fragestellung nutzbar gemacht. Insbesondere der hohe Werte bei der internalen Kontrollüberzeugung wird bei der Tätigkeit als Bürgermeister hilfreich sein.


© Elke Grapentin – 27.04.2022

Eine junge Frau, Lehramtsstudentin, Mitte 20, kam zu mir in die Beratung. Sie war auffallend schlank. Meistens trug sie weite Kleidung und einen dicken Pullover, da sie immerzu fror. Die Frau wirkte unkonzentriert und machte einen müden Eindruck.

Sie wog 42 kg und bat mich, ihr zu helfen, aus der Magersucht herauszukommen.

Ihre Familiensituation: Sie wohnte noch bei den Eltern, war die Älteste von 4 Kindern – die jüngste Schwester war erst 4 Jahre alt. Sie kümmerte sich intensiv um ihre Geschwister und half im Haushalt mit. Die Eltern waren beide berufstätig, es gab viel Streit zwischen den Eltern und in der Familie. Ihren leiblichen Vater kannte sie nicht, die Mutter hatte sich von ihm getrennt, als sie 1 Jahr alt war. Essen war ein ständiges Thema in der Familie, da die Eltern sehr viel Wert auf gesunde Ernährung legten und viele Regeln dazu aufstellten, die genau eingehalten werden mussten.

Sie und ihre Mutter kamen zum Glauben, als sie im Teenie-Alter war und sie gehörten heute einer freien Gemeinde an. Für eine genauere Diagnostik schlug ich ihr vor, einen Persönlichkeitstest durchzuführen.

In der Tiefenstruktur beschrieb sie sich mit 1 korrekt und 9 warmherzig.
Diese Ergebnisse zeigten sich in ihrem Leben einerseits durch einen extrem ausgeprägten zwanghaften Perfektionismus und andererseits durch ihren überhöhten Leistungsanspruch. Sie erlaubte es sich nicht, Fehler zu machen und kontrollierte alle erledigten Aufgaben doppelt und dreifach, sodass sie so gut wie keine Freizeit mehr hatte.
Der Wert 9 bei der Warmherzigkeit äußerte sich darin, dass sie gern anderen Menschen half, aber auch sehr von deren Meinung und Zuwendung abhängig war: Sie wollte es allen Menschen recht machen und kam dabei ständig an ihre Grenzen. Diese Ausprägung findet sich oft bei Menschen mit Burnout.

In der Grundstruktur beschrieb sie sich introvertiert 3 und emotional stabil 3. Das heißt einerseits, dass sie vieles mit sich selbst ausmachte und wenig mit anderen Menschen über ihre Probleme spricht. Andererseits zeigte sich eine deutliche psychische Stabilität, die es ihr ermöglicht, ein volles Beratungs-Programm durchzuführen. Hierfür spricht auch der Wert 8 der psychischen Belastbarkeit bei der Zusammenfassung der Wesenszüge.

Die Offenheitsskala zeigt mit dem Wert 3, dass sie deutlich auf einen guten Eindruck bedacht war. D.h  , was andere Menschen über sie denken ist  ihr sehr wichtig.

Bei den Wesenszügen/Zusammenfassung fällt die geringe Unabhängigkeit auf. Das sehen wir auch in der sozialen Anpassung (2). Es ist gut nachvollziehbar, dass sie als angehende Lehrerin sehr große Mühe hatte, vor der Klasse zu stehen und sich durchzusetzen. Auch in dem Wert Zurückhaltung vs. Selbstsicherheit kam sie nur auf Wert 3.

Auffällig ist weiter der Wert 8 in der Selbstkontrolle. Sie legte eine eiserne Disziplin an den Tag, was ihr Arbeitspensum, aber auch ihre (mangelnde) Ernährung betraf.

Ihre Ressourcen der Glaube an Jesus als Retter und Erlöser, ihre hohe Intelligenz und ihr Durchhaltevermögen. Sie war motiviert, gesund zu werden; allerdings zeigt der Wert 4 Sicherheitsinteresse vs. Veränderungsbereitschaft, dass sie Angst vor Veränderungen hatte und sich lieber in vertrauten Bahnen bewegte.

Beratungsprogramm

Zunächst einmal arbeiteten wir an ihrer Gewichtszunahme. Wir erstellten Essenspläne und bei jedem Beratungstermin kontrollierte ich ihr Gewicht und notierte es in einer Tabelle (Gewichtsverlauf). So nahm sie innerhalb von 5 Monaten 8 kg zu, allerdings gab es auch danach noch Schwankungen, jedoch niemals mehr in diesen unteren Bereich.

Durch die Gewichtszunahme hatte sie dann auch mehr Kraft für ihre täglichen Aufgaben, was sie sehr motivierte. Aber sie hatte auch Gedanken wie «Was ist, wenn ich weiter zunehme und dick werde?» Wir arbeiteten an ihrer Körperbildstörung, da sie sich als zu dick wahrnahm. Relativ schnell verstand sie die Problematik und arbeitet gut mit. Allerdings hinkte ihr Gefühl noch längere Zeit hinterher, sodass sie oft ein schlechtes Gewissen hatte nach einer guten und normalen Mahlzeit. Auch fühlte sie sich noch länger nicht wohl in ihrem Körper, der nach und nach etwas Körperfett ansetzte.

Immer wieder half ihr aber der Glaube, durchzuhalten auf dem Weg der Genesung und Veränderung. Eine Aufgabe war, den Psalm 139,14 zu verinnerlichen («Ich preise dich darüber, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke und meine Seele erkennt es sehr wohl») schön gestaltet an den Spiegel zu heften und jeden Morgen beim Blick darauf Gott dafür zu danken. So lernte sie, sich auf Dinge im Leben zu konzentrieren, die ihr wirklich wichtig waren, anstatt den ganzen Tag Kalorien zu zählen.

Sie lernte es mühsam, dass sie Fehler machen durfte und Gott sie nicht deswegen verurteilte. Römer 8,1: «Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, die in Christo Jesu sind» wurde ihr groß und sie verstand die Gnade neu.

Wir arbeiteten an ihrem Selbstbild und der sozialen Kompetenz, sodass sie lernte, «Nein» zu sagen und zu ihrer Meinung zu stehen. Sie überlegte, in welchen Lebensbereichen sie sich permanent der Meinung anderer anpasste und sie übte, gesunde Grenzen zu setzen und sich mit Menschen zu treffen, die ihr guttaten und weniger Zeit zu verbringen mit Menschen, die sie negativ beeinflussten.

Am Ende der Beratung nach 2 Jahren hatte sie ein stabiles Gewicht von 52 kg erreicht und war auf einem guten Weg. Sie hatte eine eigene Wohnung gefunden und das half ihr, unabhängig von der Familiensituation zu werden. Allerdings äußerte sie immer wieder «ich kann die Kontrolle nicht abgeben». Mein Eindruck war, dass sie zwar von der Magersucht geheilt worden aber ihre Work-Life-Balance noch sehr unausgewogen war. Die Energie und Kontrolle, die sie früher in die Magersucht investiert hatte, steckte sie nun in ihre Arbeit- daran sollten wir in Zukunft arbeiten.

© Silke Berg 20220401

Frau L., 18 Jahre, kommt freudestrahlend und beschwingt in die Beratung und fängt gleich an zu erzählen: „Ich habe das Abitur frisch in der Tasche und habe von meinen Eltern zur bestandenen Prüfung die Auswertung eines PSTR geschenkt bekommen. Die Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen und möchte wissen, ob ich geeignet bin Medizin zu studieren und Ärztin zu werden. Ich habe so einige Berufe im Kopf, aber am liebsten würde ich gerne Menschen helfen, große Herausforderungen annehmen, viel lernen und meinen Verstand gebrauchen. Hart dafür zu arbeiten, macht mir nicht viel aus. Da liegt es doch auf der Hand Medizinerin zu werden, oder?“

Ich entgegne ihr, dass wir gerne einen Test durchführen können, um zu sehen, ob sie ihre hohen Ansprüche an sich selbst auch erfüllen kann:

Wir schauen uns gemeinsam die Ergebnisse des Tests an und unterteilen daraufhin ihre Frage in drei Aspekte, die es für sie zu beantworten gilt:

Wir schauen uns gemeinsam die Ergebnisse des Tests an und unterteilen daraufhin ihre Frage in drei Aspekte, die es für sie zu beantworten gilt:

  1. Welche Eigenschaften brauche ich für ein akademisches Studium?
  2. Über welches Persönlichkeitsprofil sollte eine gute Ärztin verfügen?
  3. An welchen Punkten sollte ich arbeiten, um mein Ziel besser verfolgen zu können?

Zu Punkt 1 (Akademisches Studium)

Abstraktes Denken (9) :
Frau L. kann rasch Regeln und Zusammenhänge eines Systems begreifen und ist an abstrakt-logisches Denken gewöhnt. Sie kann schwierige, komplizierte Probleme lösen, was zentrale Voraussetzung bei umfangreichen Studieninhalten und hohen Lernpensa im Medizinstudium darstellt.

Hohe Belastbarkeit (10)
Frau L. ist zu großen psychischen Anstrengungen in der Lage, weil sie sich nicht schnell beunruhigen lässt. Sie zeigt sich durch ihre Gefühle wenig ablenkbar, lässt sich durch die Gefühlswelt anderer kaum irritieren und arbeitet deshalb aktiv, diszipliniert und zielstrebig.

Selbstkontrolle (9):
Frau L. lässt sich kaum spontan von ihren Bedürfnissen leiten und ablenken und richtet ihr Verhalten eher an langfristigen Zielen und Werten aus. Sie hat eine klare Vorstellung von dem, was sie will und lässt sich nur schwer davon abbringen. Auch bei belastenden Situationen hat sie ihre Gefühle unter Kontrolle, bereitet sich sorgfältig auf die Arbeit vor, führt diese trotz Schwierigkeiten zu Ende und lässt dabei das Ziel nicht aus dem Auge.

Internale Kontrollüberzeugung (8):
Internal kontrollierte Personen, wie Frau L., zeigen eine hohe Leistungsmotivation, Leistungsorientierung und Leistungsfähigkeit. Bei diesen Menschen sind die Informationssuche und die Ansprechbarkeit für Einsichten, logischen Zusammenhänge, Kausalitäten und somit auch für eine akademische Herangehensweisen ausgeprägt. Personen mit dieser Kontrollüberzeugung haben eher die Fähigkeit eines Belohnungsaufschubs („delay of gratifikation“), können aber auch manchmal von anderen Menschen als „stolz“ oder „überheblich“ angesehen werden.

Die Frage nach der Fähigkeit ganz allgemein ein akademisches Studium zu bestehen, schließen wir nach dieser Auswertung mit einem eindeutigen „Ja“ ab und wenden uns der Frage zu, ob ihre Persönlichkeitsstruktur auch das Profil einer guten Ärztin in der Berufspraxis widerspiegelt. So stellt die Fähigkeit ein akademisches Studium absolvieren zu können nicht automatisch auch eine hinreichende Bedingung für eine erfolgreiche und effiziente Tätigkeit als Ärztin dar.

Zu Punkt 2 (Profil einer Ärztin)
Da Frau L. Hausärztin werden möchte und diese in der Praxis vorwiegend Menschen beraten und begleiten, betrachten wir folgende Aspekte des Anforderungsprofils:

Wesenszüge (Zusammenfassung)
– Hohe Belastbarkeit
– Wachsamkeit

Wesenszüge (Einzelheiten)

  • Kontaktorientierung
  • Abstraktes Denken
  • Emotionale Widerstandsfähigkeit
  • Selbstbehauptung
  • Selbstvertrauen
  • Selbstkontrolle
  • Innere Ruhe

Kontrollüberzeugungen

  • Hohe internale Kontrollüberzeugung
  • Mittlere externale Kontrollüberzeugung

Wachsamkeit (1):
Frau L. verhält sich feinfühlig und empathisch und denkt über psychisch-soziale Hintergründe nach. Sie ist ästhetisch anspruchsvoll und wachsam gegenüber geringen Veränderungen. Sie kann ungewöhnliche Ideen entwickeln, Menschen herausfordern und fügt sich weniger Sachzwängen. Diese Fähigkeit hilft ihr, ihre Patienten wahrzunehmen und ein Blick für sie zu haben.  Allerdings bewirkt ihre hohe

Sensibilität (10), dass sie sich intensiv mit Vorstellungen und Gefühlen beschäftigt und sich vielleicht auch mal ungeduldig und fordernd verhält. Sie kann von ihren Gefühlen gesteuert sein, lässt sich durch ästhetische Situationen beeinflussen und erwartet Aufmerksamkeit, was eher kontraproduktiv für die Arbeit mit Patienten sein kann. An diesem Punkt kann sie aber noch arbeiten.

Kontaktorientierung (10):
Frau L. arbeitet gerne mit Menschen zusammen, verhält sich kontaktorientiert und hat Interesse an Menschen. Sie kann Gefühlsäußerungen austauschen, reagiert schnell bei der Arbeit, hält sich aber weniger lange bei einer Sache auf, ist in sozialen Konfliktsituationen eher zu großzügig, lässt auch mal etwas durchgehen, strebt daher nicht zu sehr nach Genauigkeit oder Präzision und bedenkt vor dem eigenen Handeln nicht akribisch die Folgen ihres Tuns, was  bei der anvisierten Tätigkeit jedoch eine relevante Persönlichkeitsausprägung sein sollte. Hier kann sie auch noch dazulernen.

Emotionale Widerstandfähigkeit (8):
Da Frau L. als Ärztin täglich mit kranken Menschen, Verletzungen, Problemen und Nöten zu tun hat, wird sie sich durch ihre hohe Widerstandsfähigkeit kaum von diesen Schwierigkeiten beeinflussen lassen. Krisen oder Enttäuschungen werden ohne viel Aufhebens bewältigen werden können. Störungen bei der Arbeit stellen kaum ein Problem dar, kritische Situationen wird sie gut überstehen.  Frau L. plant Widrigkeiten des Lebens ein. Manchmal werden Menschen dieser Ausprägung als ´unsensibel´ beschrieben, was bei ihr aber nicht der Fall ist (siehe Sensibilität).

Selbstbehauptung (8), Selbstsicherheit (10), Selbstvertrauen (5)
Diese drei Items mit dem Präfix „Selbst-“ in den Wesenszügen beschreiben Frau L. mit hoher Ich-Stärke. Frau L. wird sich bei dieser soliden Selbstbehauptung gut durchsetzen können. Bedingt durch ihre Selbstsicherheit stellt sie sich von ihren Ideen überzeugt dar, durch ihr Selbstvertrauen wird sie voraussichtlich mutig neue Situationen angehen. Diese Ich-Betonung wird ihr bei der Ausübung ihres Berufes hilfreich sein.

Innerer Ruhe (3):
Durch ihren hohen Wert bei diesem Item verhält sich Frau L. zufrieden, gelassen und ausgeglichen. Sie kann in Ruhe abwarten, was auf sie zukommt. Bei der Arbeit in ihrer Praxis wird sie sich mit dem Erreichten zufriedengeben und bei starken Belastungen eher einen Leistungsanstieg verzeichnen können. Nach außen hin wirken solche Personen wie ein „Fels in der Brandung“ – was man von einer Ärztin auch erwartet.

In Konklusion der Auswertung wird deutlich, dass Frau L. im überdurchschnittlichen Maß dem ausgebarbeiteten Profil einer Ärztin entspricht. Ich ermutige sie schließlich dazu, das Medizinstudium in Angriff zu nehmen.

Zu Punkt 3 (woran sollte und kann ich noch arbeiten)

Da Frau L. schon ein erwünschtes Persönlichkeitsprofil für ihren Traumberuf vorweisen kann, darf sie sich zunächst so annehmen und zufrieden damit sein wie sie ist. Sie steht erst am Anfang der angestrebten Ausbildung und darf sich Zeit geben, in aller Ruhe zu  ihrem Ziel hinzuentwickeln. Das Leben besteht nicht nur aus Anforderung und Leistungsansprüchen, sondern auch aus Zufriedenheit und einem Sich-Loben-Dürfen. Diesem (Selbst)Zuspruch sollte sie sich immer wieder aussetzen. Natürlich darf und sollte sie dabei, sozusagen auch „im Hinterkopf“ behalten, woran sie noch arbeiten kann. Einige Aspekte wurden bereits in Teil 2 angesprochen, zusätzliche Wachstumsbereiche könnten wie folgt aufgeführt werden:

Unbefangenheit (1):
Bei diesem Item könnte Frau L. leicht von Situationen überrascht werden und sich deshalb gegebenenfalls etwas ungeschickt verhalten, da sie unbefangen, spontan und zum Teil unreflektiert eigene Gedanken und Gefühle äußert.  Sie liebt das Natürliche und Unkomplizierte und handelt deshalb im Umgang mit anderen oft nicht vorausschauend und diplomatisch. Das könnte sich im Umgang mit ihren Patienten oder deren Angehörigen negativ auswirken und daran sollte  gearbeitet werden.

Dieses Item könnte sich zusätzlich durch die Kombination mit der hohen Kontaktorientierung (10), das hohes Ergebnis in der Offenheitsskala (8) und die überdurchschnittlich hohe Extraversion (8) verstärken.

In diesem Falle kann sie das (kommentarlose) Zuhören und Zurückhaltung üben, lernen sich mehr auf die Sachorientierung zu konzentrieren und sich zusätzlich mehr Eigenständigkeit antrainieren (Gruppenverbundenheit (3).

Warmherzig (8) in der Tiefenstruktur:

Menschen mit deutlichen Ausprägungen der Warmherzigkeit, in Frau L.´s Fall (9), in der Tiefenstruktur stehen in der Gefahr, der Diagnostik zu wenig Raum zu geben. Da dies ein hoher Anteil von Frau L.´s Berufsinhaltes ist, muss sie sich dessen bewusstwerden und ganz besonders an der Fähigkeit der Diagnostik üben. Im Gespräch muss auch deutlich gemacht werden, wenn  die Tiefenstrukturwerte im rechten unteren Quadranten liegen (warmherzig/Korrekt) Tendenzen zum Burnout gegeben sind.

Nach der Auswertung des Tests erwidert Frau L.: „Ich fühle mich sehr gut erkannt und bin sehr dankbar für die Besprechung und Erklärung der Ergebnisse. Jetzt fühle ich mich noch sicherer meinem Traumberuf nachzugehen und weiß, an was ich noch arbeiten kann.“

© Barbara Spägele 20220302

Mit diesem Satz bringt eine Klientin ihre innere Spannung auf den Punkt. Sie hat Beratung in Anspruch genommen, um ihrer inneren Unruhe und Erschöpfung auf den Grund zu gehen. Sie erlebt ihren Alltag in hohem Maß ambivalent. Auf der einen Seite sehnt sie sich nach tiefen Beziehungen und Gemeinschaft, auf der anderen Seite erlebt sie das Zusammensein mit anderen als anstrengend und überfordernd.

Nachdem wir ihr Erleben anhand eines typischen Wochenverlaufes nachgezeichnet haben, macht sie den PST-R. Das Ergebnis macht sicht- und beschreibbar, was sie an innerer Zerrissenheit spürt:

In der Grundstruktur beschreibt sie sich im melancholisch-depressiven Bereiche deutlich introvertiert. In der Begegnung mit anderen Menschen bleibt sie scheu und zurückhaltend. Wenn viele Menschen zusammenkommen, fühlt sie sich abgespannt und schnell entsteht das Bedürfnis nach Alleinsein. Auch in der Beratung ist ihre ausgeprägte Introversion spürbar. Mit wachsendem Vertrauen kann sie sich zunehmend öffnen und ihr Inneres zu erkennen geben. ‚Sichtbar werden‘ wird zu einem wichtigen Thema.

In den Wesenszügen zeigt sie die deutliche Tendenz zur sozialen Anpassung (2), Zurückhaltung (3) und somit eine geringe Unabhängigkeit. Was andere denken, fühlen und wollen ist für sie zur Referenz geworden. Ihre eigene Sicht ernst zunehmen fällt ihr schwer. Im Zweifel zieht sie sich dann zurück.

Durch ihre ausgeprägte Wachsamkeit (2) und Sensibilität (8) hat sie ein feines Gespür für das, was um sie herum passiert. Was wollen die anderen? Wie soll ich sein? Wo riskiere ich das Wohlwollen der anderen? Wann immer es ihr zu viel wird, geht sie in den Rückzug und lebt eigenständig. Sie erlebt dies einerseits kurzfristig entlastend, andererseits fühlt sie sich dann aber auch  einsam und unverstanden. In ihren Freundschaften wird ihr Rückzug häufig als Desinteresse und „Eigenbrötelei“ missverstanden. Nicht selten reagieren Menschen um sie herum irritiert und gekränkt.

Ihre Tiefenstruktur zeigt eine spürbare Warmherzigkeit. Hier erschließt sich ihr ein tiefes Bedürfnis nach Nähe, Gemeinschaft und Angenommen-Sein. „Ich möchte dazugehören“, beschreibt sie ihren Wunsch nach Gemeinschaft. In ihren Wesenszügen zeigt sie hingegen eine geringe Kontaktbereitschaft und deutliche Sachorientierung (2). Da es sie schnell an ihre Grenzen bringt „unter vielen Menschen“ zu sein, bleibt sie auf Distanz.

Während wir diese Erkenntnisse aus dem PST-R akzeptieren, werden ihr die Zusammenhänge klar. Hier fällt der prägnante Satz: „Ich kann nicht mit und ich kann nicht ohne Menschen“. Zunächst fühlt es sich für sie wie ein inneres ‚Patt’ an. Ihr wird klar, wie sie zwischen ihren Bedürfnissen nach Innerlichkeit und Stille auf der einen und Gemeinschaft und Beziehung andererseits hin und hergerissen lebt. Wir besprechen, wie aus diesem anstrengenden Entweder-Oder ein Sowohl-als-Auch werden kann. Beides – sowohl Stille und Alleinsein als auch Austausch und Gemeinschaft ist ihr wichtig. Sie lebt in einer lebendigen, großen Gemeinde. Dort ist immer viel los. Davon hat sie sich (zu stark) beeindrucken lassen. Ich muss mich doch in diesem ‚Gewühl‘ wohlfühlen…! Was stimmt denn nicht mit mir?

Auch in ihrem sozialen Beruf hat sie mit vielen Menschen gleichzeitig zu tun. Vorsichtig formuliert sie ihre Erkenntnis neu: »Ich kann sowohl mit als auch ohne Menschen.« Und präzisiert weiter: »Aber lieber einer nach dem anderen als alle gleichzeitig.«

Wir überlegen, wie sie ihre Bedürfnisse in einer heilsamen Balance leben kann. Wo wird Stille und Alleinsein zur bedrängenden Einsamkeit? Wann wird Gemeinschaft für sie zur überfordernden Enge? Ein Bibelwort wird zur Ermutigung (Jesaja 30,15): »In der Ruhe und im Vertrauen liegt eure Stärke!«

Mit folgenden Erkenntnissen geht sie in den Alltag:

  1. Ich darf mein Gemeinschaftsbedürfnis dosieren.
  2. Ich pflege wenige tiefe Freundschaften!
  3. Meine engen Freunde beschreibe ich meine innere Wirklichkeit, so dass sie meinen Rückzug nicht als Beziehungsbotschaft persönlich nehmen.
  4. Im beruflichen Leben orientiere ich mich um, so dass ich weniger mit Gruppen und mehr im 1:1 Kontakt arbeite.
  5. Ich pflege bewusst Zeiten der inneren Einkehr und Stille – nicht im vermeidenden Rückzug, sondern als Ausdruck gesunder Selbstfürsorge.
  6. Ich will lernen, meine persönliche Sicht in die Gemeinschaft einzubringen. Ich will sichtbarer werden. Ich brauche und will es nicht allen recht machen.

Von Zeit zu Zeit schauen wir in der Beratung, wie es ihr mit den Veränderungen geht. Eine Evaluation durch einen weiteren PST-R steht noch aus. Natürlich bietet der PST-R noch weitere Themen an. Doch auch hier gilt: Nicht alles auf einmal, sondern eins nach dem anderen.

Die Ausprägung der internalen Kontrollüberzeugungen lässt Hoffnung zu: „Wenn ich mich um eine Änderung ernsthaft und konsequent bemühe, dann wird es auch klappen.“

© Karsten Kranzmann – 10.02.2022

Frau G., Architektin, 27 Jahre alt kommt niedergeschlagen in die Beratung und fängt zögerlich an zu erzählen: „Mir geht es schon lange nicht mehr gut. Ich tu mir so schwer mit Menschen. Schon als Kind in der Schule oder in der Kinder- und Jugendgruppe unserer Gemeinde war ich sehr schüchtern und fühlte mich ausgegrenzt, weil ich nicht so gut reden konnte und nicht so extrovertiert wie all die anderen war. Die lauten und redegewandten Kinder hatte ich immer bewundert. Die hatten es meines Erachtens auch immer leichter im Leben. Ich tat mir schon immer schwer Kontakte zu knüpfen, diese zu halten und mich zu behaupten.
Das Studium habe ich so einigermaßen  hinter mich gebracht, weil ich Architektur sehr liebe und es mir sehr viel Freude bereitet, kreativ zu sein. In dieser Zeit hatte ich ein, zwei nette Kommilitoninnen, aber unsere Wege haben sich inzwischen leider wieder getrennt. Seit ich berufstätig bin, ist es nur noch furchtbar. Ich habe eine sehr strenge Chefin, der ich nie etwas recht machen kann, und mit meinen vier Arbeitskollegen werde ich irgendwie nicht warm. Jeder versucht bei der Arbeit zu überleben und mit unserer launischen Chefin klarzukommen. In meinem Betrieb gibt es viel Konkurrenzkampf und wenig Kollegialität. Oft lege ich mir bereits im Vorhinein Argumente für Auseinandersetzungen mit meiner Chefin zurecht, aber bis ich dann zu Wort komme, sind wir entweder thematisch schon woanders oder sie gibt mir keinen Raum mich zu äußern. Das frustriert mich sehr!
Da ich 200 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt lebe, sehe ich meine Familie nur noch selten und in meine alte Gemeinde gehe ich auch kaum noch. In eine neue Gemeinde zu gehen habe ich mich bis jetzt nicht getraut. Ich weiß gar nicht wie ich jemanden dort kennenlernen sollte, und fühle mich schon bei dem Gedanken an so viele fremde Menschen überfordert! Jeden Abend sitzte ich allein zu Hause und bin schrecklich einsam.
Ganz schlimm wurde es diesen Sommer, als es meiner besten Freundin aus Kindertagen psychisch sehr schlecht ging. Ich habe versucht, für sie da zu sein und zu helfen, wann immer ich konnte. Ich habe mich für sie entäußert, aber von ihrer Seite kamen lediglich Vorwürfe und verletzende Anklagen. Nie waren meine Bemühungen recht oder gut genug. Sie wurde dann im Herbst mit der Diagnose „Borderlinestörung“ in eine psychosomatische Klinik eingewiesen. Dafür gab sie mir die Schuld und das gab mir jetzt den Rest. Mir geht es so elend, dass ich mich kaum noch auf meine Arbeit konzentrieren kann, und ich habe Angst vor jedem neuen Tag. Ich fühle mich einsam, schuldig und überfordert vom Leben. So kann ich nicht mehr weitermachen!“

Als ihre Beraterin schlage ich vor vorab einen Persönlichkeitstest durchzuführen. Mit den Ergebnissen wollen wir dann weiterarbeiten.

Als das Testergebnis vorliegt, besprechen wir ausführlich die einzelnen Items und Zusammenhänge. Vorab aber kann ich ihr mit den Ergebnissen aber Hoffnung  machen, dass wir gemeinsam vorankommen werden, wenn sie sich auf einen Lernprozess einlassen wird.

Deutlich auffällig bei den Wesenszügen zeigt sich die geringe Unabhängigkeit (1). Ich erkläre Frau G., dass Menschen mit dieser Ausprägung bereit sind sich anderen anzupassen und unterzuordnen. Sie verhalten sich vertrauensvoll, tolerant, zurückhaltend und vorsichtig. Da dieser Wert hoch mit den folgenden Werten der Einzelheiten Wesenszügen korreliert, schauen wir uns diese in Folge genauer an:

Soziale Anpassung   vs.    Selbstbehauptung (4)
Zurückhaltung          vs.    Selbstsicherheit       (3)
Selbstvertrauen        vs.    Besorgtheit                (8)

Frau G. bemerkt von sich aus, dass die Items mit dem Präfix „Selbst-“ sehr gering ausgeprägt sind. Ich erkläre ihr, dass Menschen, die sich schwer durchsetzen können, nicht selten auch Minderwertigkeitsgefühle haben und ihre Identität und Selbstakzeptanz hinterfragen. Oft gehen solche Ergebnisse auch mit einem höheren Wert an psychischer Beweglichkeit (6) in der Grundstruktur einher.

Einen niederen Wert finden wir auch in der Grundstruktur unter Extraversion (1) wieder. Er zeigt an, dass sich hier Lernerfolge erwarten lassen, da sich die Lernkurve noch im steilen Bereich befindet. Ich erkläre Frau G. weiterhin, dass sich sehr introvertierte Menschen eher zurückhaltend, kontaktscheu, wenig unterhaltsam und ernst verhalten. Sie möchten lieber für sich allein sein oder mit nur wenigen, guten Bekannten in Kontakt stehen, was allerdings nicht bedeute, dass sie nicht gemeinschafts- und beziehungsfähig sind. Sie halten sich an Ordnungen oder Vorgaben und sind zuverlässig. Sie suchen weniger die Unterhaltung oder Abwechslung und haben meist Mühe damit rasch Freundschaften zu schließen oder sich unbeschwert gehen zu lassen. Sie sind weniger schlagfertig und unternehmungslustig und überlassen die Führungsrolle gern anderen. Personen mit dieser Ausprägung sind eher im Schweigen zu Hause und brauchen, nach Zeiten des Gesprächs und des Austauschs, Zeiten der Ruhe, um sich zu stabilisieren.

Die beschriebenen Probleme werden auch durch die Ergebnisse der Sachorientierung (5) in der Tiefenstruktur wiedergegeben und bestätigt . Ich erkläre Frau G., dass sich solche Menschen anderen Menschen gegenüber eher reserviert, sachbezogen und präzise verhalten und nicht gerne über ihre Gefühle sprechen und sie von ihren Mitmenschen, und damit auch von ihren Arbeitskollegen und -Kolleginnen, entsprechend wahrgenommen wird.

Ein weiterer Aspekt, der das Problemverhalten betrifft, wird bei der internalen Kontrollüberzeugung (3) augenscheinlich: Während Menschen mit einer hohen internalen Kontrollüberzeugung eine höhere Leistungsmotivation, -orientierung und -fähigkeit zeigen, packen Menschen mit niedrig ausgeprägter internaler Kontrollüberzeugung, wie Frau G., Herausforderungen nicht direkt an oder schieben Probleme vor sich her oder auf die lange Bank.

Hinzu kommt ein höherer Wert bei der externalen Kontrollüberzeugung (6). Die Klientin glaubt, dass ihr eigenes Schicksal eher vom Zufall, von äußeren Kräften oder Menschen bestimmt wird.  Faktoren, die sich ihrer eigenen Kontrolle entziehen und sie selbst dadurch nur wenig Möglichkeiten zur Einflussnahme über ihre Lebensumstände empfindet. Diese Ausprägung nimmt ihr gleichzeitig den Mut eigene Überzeugungen zu entwickeln und sich für diese einzusetzen.

Nach der Testbesprechung kommentiert Frau G. die Interpretation folgendermaßen: „Ich empfinde mich absolut passend beschrieben. So fühle ich mich schon seit vielen Jahren. Endlich hat mich h mich mal jemand verstanden. Aber was machen ich nun damit?“

Wir erarbeiten nach dem ABPS-Veränderungsmodell ein Lernprogramm, das mit den folgenden Zielen hierarchisiert wird:

  1. Eine Beziehungspause mit der erkrankten Freundin bis Frau G. sich selbst stabilisiert hat.
  2. Das Üben von gezielter Entspannung (progressive Muskelentspannung nach Jakobsen, Atemübungen, Wärme, Massagen, Gedankenstopp, Sport, Ernährung, etc.)
  3. Das Erkennen von Stress und Bedürfnissen, einen Beobachtungsbogen schreiben.
  4. Lernen sich positiv zu Konditionieren (Belohnen). Hierbei darf sie auch lernen, dass durch Selbstbestrafung wenig erreicht, aber oft mancher Ansatz zur Selbstentfaltung unterdrückt wird.
  5. Besuch einer Gesprächsgruppe/ BTS-Gruppe (Lernen am Modell)
  6. Geistige Aspekte anschauen, zum Beispiel Psalm 27: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollet ich mich fürchten“; ein Besuch in einer neuen Gemeinde wagen.

Frau G. hat inzwischen mit ihrem Lernprogramm begonnen und übt fleißig, die Ziele zu erreichen. Sie wird wohl noch einige Zeit dafür brauchen, da eine geringe Veränderungsbereitschaft (3) sowie ihre niedrige internale (3) und höhere externale Kontrollüberzeugung (6) einem raschen Lernprozess eher nicht zuträglich sind.
Als Beraterin bin ich mir sicher, dass Frau G. ihren Weg gehen wird und durch ihr fleißiges Üben besser mit ihrer Umwelt und den Mitmenschen zurechtkommen wird.

© Barbara Spägele 20220119

Eine 55-jährige Frau sucht Hilfe, weil sie ständig nervös und gereizt ist und am Arbeitsplatz immer wieder die Beherrschung verliert. Sie erzählt, sie würde es nicht schaffen, sich zu kontrollieren, obwohl dies in ihrer Position als Leiterin eines gemeinnützigen Vereins wichtig sei. Sie schläft schlecht und leidet seit einigen Monaten an Bluthochdruck. Sie vermutet ihre Probleme könnten mit der Lebensgeschichte zusammenhängen und berichtet „Ich bin als zweitälteste zusammen mit sechs Geschwistern groß geworden. Meine Mutter hat sich um uns gekümmert, war aber immer unter Stress. Die große Schwester war der verlängerte Arm der Mutter. Aber ich übernehme auch zu viel Verantwortung. Ich will lernen, meine Grenzen besser wahrnehmen. Bei uns zu Hause waren Gehorsam und gute Schulleistungen wichtig. Ich habe mich sehr angestrengt und war immer Klassenbeste.“

Neben der biografischen Arbeit schlage ich ihr den PST-R vor, damit sie sich besser kennenlernt und ihr Veränderungspotential deutlich wird.

Im Test zeigt die Ratsuchende in den Wesenszügen bei Abstraktes Denken (10) eine überdurchschnittliche Intelligenz, aber auch emotionalen Schwankungen (3) und sehr deutliche Spontanität (1). Zusätzlich weisen die deutliche innere Gespanntheit (9) und Besorgtheit (9) darauf hin, dass sie deutlich unter Stress steht.
Im Hinblick auf ihre Leitungstätigkeit fällt auf, dass sie sich in ihrer Selbstbehauptung (6) und Selbstsicherheit (6) nur im mittleren Wert der Skala beschreibt.  Dies kann für einen Arbeitsplatz unter Christen ausreichen. Es könnte aber auch sein, dass sie nicht deutlich genug Forderungen an ihre Mitarbeiter stellt. – Sie meint: „ Ich sage manchmal nichts um andere zu schonen. Den andern soll es gut gehen. Mich schone ich nicht“.

Bei der Tiefenstruktur wird davon ausgegangen, dass diese genetisch bedingt bzw. schon früh erlernt ist. Die Ratsuchende zeigt eine ausgeprägte Warmherzigkeit (9), was einen Zusammenhang zu ihrer familiären Prägung nahelegt. Sie hat als Kind früh wahrgenommen, wie es den Geschwistern geht und gelernt, für diese zu sorgen.  Es allen recht machen, wurde zu einem inneren Motto bzw. Lebensskript. Als die Ratsuchende hört, dass ihre ausgeprägte Warmherzigkeit mit dem tiefen Bedürfnis nach Nähe verbunden ist, versteht die Single-Frau auch, warum sie im Vorjahr so sehr unter den Corona-Beschränkungen gelitten hat (kein Kontakt haben zu können, wird von warmherzigen Menschen oft als Stress erlebt).
Im Hinblick auf die Probleme am Arbeitsplatz kann die ausgeprägte Warmherzigkeit einen eindeutigen Führungsstil verhindern, denn warmherzige Menschen möchten andere nicht enttäuschen und vermeiden ein Verhalten, das zu Spannungen führt.

Mit der hohen psychischen Flexibilität (8) in der Grundstruktur wird deutlich, dass ihre starken Stimmungsschwankungen schon seit längerer Zeit bestehen. Hier lassen sich auch die Gefühlsausbrüche erklären, besonders auch wenn sie bemerkt, dass bereits ihre Mutter ein solches Verhalten häufig gezeigt hat.

Welches Änderungsprogrammsollte angestrebt werden?

Eine Frau mit hoher Leistungsmotivation und Verantwortungsbereitschaft sollte ihre Bedürfnisse kennen – aber auch ihre Grenzen Bedürfnisse wahrnehmen lernen. Die Arbeit mit Ressourcen stellt eine Möglichkeit dar, gut für sich zu sorgen zeigt aber auch Resilienzen auf, um Stress abzubauen. Eine Klärung am Arbeitsplatz mit dem Team über die genaue Aufgabenverteilung und eine zusätzliche Assistenzkraft, die bei Bürotätigkeiten unterstützt, können zur Entlastung führen. In diesem Zusammenhang kann auch ein komplementäres Verhalten zur Warmherzigkeit erlernt werden, das sich in noch deutlicherer Selbstsicherheit (klare Anweisungen geben) und Selbstbehauptung (Forderungen durchsetzen) zeigt und das langfristig zu einer Stressreduktion führt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Ratsuchende ihr Bedürfnis nach Nähe im privaten Umfeld stillt.

© Susanne Altstädt – 17.12.2021

Ich möchte von einem Fall berichten, bei dem ich, ohne einen Persönlichkeitstest durchzuführen, ein Ehepaar beinahe falsch beraten hätte. Trotz jahrlanger Erfahrung in der Beratung kann die subjektive Einschätzung der Persönlichkeit eines Ratsuchenden nicht die tatsächlich vorliegende Persönlichkeit wiedergeben und dazu verleiten, falsche Ratschläge zu erteilen.

Frau M., Hausfrau und Mutter von 3 Kindern kam vor einigen Wochen in die Beratung und wollte zusammen mit mir einen Disput in ihrer Gebetsgruppe aufarbeiten. Frau M. ist die stellvertretende Leiterin der Gebetsgruppe und liegt im Streit mit ihrer Leiterin. Ich frage sie, worin aus ihrer Sicht das Problem mit der Gruppenleiterin bestünde. Daraufhin beginnt Frau M. zu berichten:

„Johanna, meine Leiterin, ist seit längerer Zeit eine meiner besten Freundinnen. Wir leiten zusammen eine überregionale Gebetsgruppe und stammen aus unterschiedlichen Gemeinden, was für mich völlig in Ordnung ist. Aber seit geraumer Zeit fängt sie an, uns alle zu tyrannisieren. Sie möchte immer mehr „Struktur“ in unsere Treffen bringen, was ich irgendwie nachvollziehen kann, aber nicht auf diese Art und Weise: Alles muss genau geplant und abgestimmt sein. Dabei bestimmt sie allein den jeweiligen Ort für Gebetseinsätze und delegiert keine Verantwortlichkeiten an mich, die Co-Leiterin.  Alles, was ich mache, wird nachkontrolliert, nichts ist gut genug und sie gibt nur äußerst wenige Verantwortlichkeiten aus der Hand. Wenn ich oder andere in der Gebets-WhatsApp-Gruppe etwas schreiben, dann korrigiert sie es langatmig, aber auf ein persönliches Feedback lässt sie sich selten ein. Ich hingegen mag alles freier und einfacher, denn meines Erachtens soll der Geist wehen, wo er will. Schön wäre aus meiner Sicht auch ´mal spontan auf die Straße oder einen Berg zu gehen, um die Liebe Gottes ins Land hineinzubeten. Aber so etwas geht bei Johanna nicht. Ich bin eher ein Bauchmensch, sie ein anstrengender, kontrollierender Kopfmensch. Ich fühle mich neben ihr minderwertig und unverstanden.  Inzwischen sind wir so zerstritten, dass wir als Gruppe schon meinen Pastor eingeschalten haben, was sie nicht möchte, denn es sei ja nicht „ihr“ Pastor.

Ich als ihre Beraterin habe im Hinterkopf, dass Frau M. sich in der Tiefenstruktur wahrscheinlich eher als unkonventionell und ihre Leiterin in der Tiefenstruktur eher als korrekt beschreibt. Ich schlage vor, einen Persönlichkeitsstrukturtest zu machen, was Frau M. aber nicht möchte. Wir arbeiten in Folge ohne PSTR an verschiedenen Punkten weiter und nach wenigen Beratungsstunden hat sich das Problem von selbst gelöst, da die Leiterin die Gruppe verlassen hat und Frau M. sich nun überlegt die Gebetsgruppe selbst weiterzuführen.

Fast zeitgleich frägt Frau M. bei mir an, ob sie nicht auch mit ihrem Ehemann in der Beratung kommen könne, da sich einige unlösbare Probleme bei ihnen als Paar angesammelt hätten. Ich sage zu. Wenig später erzählt der Ehemann von Frau M. in der Beratung: „Wir haben einige Probleme, die sich in Laufe der Jahre als kaum lösbar entwickelt haben. Ich bin Ingenieur und den ganzen Tag berufstätig. Ich setze meine Frau für die Organisation, Tätigkeiten im Haus und Betreuung unserer drei Kinder Zuhause frei. Ein Kind ist bereits ausgezogen, die anderen beiden sind Teenager. Das heißt, sie hätte aus meiner Sicht genügend Zeit das Essen pünktlich zu bereiten, das Haus in Ordnung zu bringen und den Kindern ein Mindestmaß an Erziehung zukommen zu lassen.  Aber oft, wenn ich nach Hause komme, ist kaum etwas erledigt und es gibt immer wieder Streit um die Erziehung der Kinder. So bin ich für geregelte Essens- und Schlafenszeiten, obwohl unser 13-Jähriger immer wieder noch um 12 Uhr nachts in der Küche sitzt und auf seinem Handy daddelt. Für meine Frau geht das völlig in Ordnung und ich bin dann der Böse und habe deshalb über das Verhalten kaum eine Handhabe. Sehr lange habe ich aus Liebe nichts gesagt und abends oft die Hausarbeit mitgemacht. Aber mein Job ist so anstrengend, dass ich letztes Jahr schon wegen eines Burnouts krankgeschrieben wurde. So kann es nicht weitergehen.“

Ohne einen Test durchgeführt zu haben, ist mein erstes Ansinnen das Paar dahingehend zu beraten als verfüge Herr M. in der Tiefenstruktur über ausgeprägte korrekte und Frau M. über unkonventionelle Anteile. Aufgrund dieser Einschätzung lege ich mir bereits die für passenden Arbeitsunterlagen für das Paar zurecht anhand derer ich mit den Klienten eine Perspektivenübernahme trainieren könnte. Doch dieses Mal bestehe ich auf die Durchführung eines Persönlichkeitsstrukturtests, dem beide zunächst nicht zustimmen. Ich entgegne, dass ich prinzipiell keine Paartherapie ohne Test durchführe, da ich immer wieder in der Paarberatung die Erfahrung gemacht hatte, dass diese ohne vorherigen Test nicht effektiv ist. Daraufhin sagen sie einem Test zu. Als die Ergebnisse zurückkommen bin ich mehr als verblüfft:Frau M. beschreibt sich in der Tiefenstruktur mit korrekt (3), 1 Punkt korrekter als ihr Ehemann, der sich auf dieser Achse nicht weit von seiner Frau bei korrekt (4) zeigt. Auf der horizontalen Achse sachlich/warmherzig liegen sie 2 Punkte auseinander, also nicht signifikant. Sie beschreibt sie sich warmherzig (6), er (4). Ihre Punkte liegen weit weniger auseinander als gedacht.

Auch in den Wesenszügen ist sich das Ehepaar in vielen Punkten sehr ähnlich, außer, dass sich Frau M. emotional Wiederstandfähiger (9) und sensibler (8) als ihr Mann beschreibt

Ein weit größerer Unterschied ist in der Grundstruktur auf der Achse emotional stabil/emotional flexibel.

Hier beschreibt Frau M. sich als außergewöhnlich emotional stabil (1), im Unterschied zu ihrem Ehemann, der sich auf dieser Achse auf (4) befindet. Dies erklärt die Tatsache, dass Frau M. mit ihrem Leben, mit der Kindererziehung und dem Zustand im Haushalt relativ zufrieden ist.  Sie lässt sich durch ihre Stabilität wenig von den Ansprüchen ihres Mannes unter Druck setzten, ist weniger beeinflussbar und stressresistenter. Sie macht sich weniger Sorgen, ist weniger empfindlich und lässt sich weniger von den Stimmungen ihres Mannes beeinflussen.

Doch der größte und relevanteste Unterschied des Ehepaares findet sich bei den Kontrollüberzeugungen.

Während Frau M. sich mit einer internalen Kontrolle mit (2) beschreibt, befindet sich ihr Ehemann bei dieser Ausprägung auf (6). Während internal kontrollierte Personen, wie Herr M., jeweils eine höhere Leistungsmotivation, Leistungsorientierung und Leistungsfähigkeit zeigen, packen Menschen mit niedriger internaler Kontrollüberzeugungen, wie Frau M., Herausforderungen erst gar nicht an oder schieben Probleme vor sich her bzw. „auf die lange „Bank“.  Frau M. berichtete in der Einzelberatung wie auch in der Paarberatung, dass sie nur Dinge täte, wo sich Mühe und Aufwand rechne und sie möglichst wenig Energie im Leben verschwenden wolle. Arbeit, die sich für sie nicht lohne, täte sie erst gar nicht. Wahrscheinlich kam diese Verhaltensweise auch in der Gebetsgruppe zum Tragen.

Bei einer Konklusion aller Ergebnisse des PSTR wird deutlich, dass das Eheproblem des Paares sich nicht, wie vorerst von mir falsch diagnostiziert, in der Unterschiedlichkeit ihrer Tiefenstruktur liegt, sondern in der Differenz ihrer emotionalen Stabilität und ihrer internalen Kontrollüberzeugungen. Durch diese neue Erkenntnis ist die therapeutische Vorgehensweise völlig konträr. Während es bei einer entgegengesetzten Tiefenstruktur dem Paar zu erklären gilt, dass diese Struktur zu den „alten Jahresringen“ gehören, die nur schwer oder gar nicht mehr verändert werden können, und es das Ziel ist, die Andersartigkeit des Gegenübers zu erkennen und zu akzeptieren, unterschiedliche Pole herauszuarbeiten und einen Synergieeffekt anzustreben, sieht es nun mit diesen neuen Erkenntnissen ganz anders aus:

Hier gilt es als erstes über die Unterschiedlichkeit der Emotionalität der Grundstruktur und der Kontrollüberzeugen aufzuklären und mit dem ABPS-Veränderungsmodell ein gemeinsames neues Ziel festzulegen. In diesem Falle konnte sich Frau M.  unter anderem darauf einlassen an der Erhöhung der internalen Kontrollüberzeugung zu arbeiten. Sie hat durch den Test verstanden, dass viele ihrer Eheprobleme aber auch viele ihrer ganz allgemeinen Schwierigkeiten einer zu niedrigen internale Kontrollüberzeugung zu Grunde liegen. Wir erarbeiten gemeinsam unterschiedliche Möglichkeiten, vom Zustand Z1 zum Zustand Z2 zu kommen und entscheiden uns für ein Programm, unlösbare Aufgaben in kleine messbare Teilabschnitte zu gliedern, danach einen Abschnitt nach dem andern zu erledigen und über Erfolg und Misserfolg genau Buch zu führen. Ihre nicht so hohe Veränderungsbereitschaft, die die therapeutische Arbeit oftmals erschwert, wurde bei diesem Programm ebenfalls berücksichtig und miteinbezogen.

Herr und Frau M. sind zwischenzeitlich auf einem guten Wege schwierige Punkte für sich zu klären und mir hat es als Beraterin wieder einmal gezeigt, dass ich mit einem PSTR einfach „auf der sichereren Seite“ bin.

© Barbara Spägele – 03.11.2021

Ein Ehepaar, er 49 Jahre und sie, 36 Jahre kommen in die Beratung und fragen mich, ob sie überhaupt noch zueinander passen. Der Ehemann arbeitet als leitender Angestellte in einem großen Dienstleistungsunternehmen, während sie in der Forschung an einer Universität tätig ist. Sie sind erst seit wenigen Jahren miteinander verheiratet und erleben immer weniger gemeinsame Zeiten.

Zu Beginn ihrer Partnerschaft hatte es die Frau beeindruckt, dass er sie mit so viel Lebensenergie und Tatendrang umworben hat. Ständig fielen ihm neue Dinge ein, die sie gemeinsam unternehmen könnten. Es gab für ihn nichts, was er sich nicht zutraute und dadurch erfuhr sie sehr viel Halt von ihm.

Diese Lebensdynamik des Ehemannes stellte sich für die Ehefrau aber auch sehr schnell als eine Überforderung dar, weil sie glaubte, die Erwartungen ihres Mannes nicht mehr erfüllen zu können. Sie hatte darauf gehofft, dass er endlich mal etwas zur Ruhe kommt, auf sie eingeht und nicht immer mit ihr ‚unterwegs‘ sein müsse. Es kam ihr so vor, als hätten sie beide ganz unterschiedliche Lebenspläne entwickelt, die aneinander vorbeigehen und es fehlten ihr die Gemeinsamkeiten.

Grundlage für unsere Beratung war schließlich der Persönlichkeitsstrukturtest, der schon bei einem ersten Vergleich aufzeigte, an welchen Ausprägungen sich ihre Lebenskonzepte unterschieden.

In der Zusammenfassung der Wesenszüge fallen die signifikanten Unterschiede (>2) zwischen beiden Ehepartnern auf. Während Er sich mit einer hohen Ausprägung (10) in der Unabhängigkeit beschreibt, also eher mehr selbstbewusst, sicher und auch herausfordernd auftritt, verhält Sie sich deutlich weniger unabhängig (4), wenn auch immer noch im Mittelfeld der Normalbevölkerung.

Ähnlich groß sind die Unterschiede auch bei der Kontaktbereitschaft. Er beschreibt sich deutlich kontaktbereit (10), arbeitet gern mit anderen zusammen, reagiert oft schnell bei der Arbeit und hält sich weniger lange bei einer Sache auf, während Sie sich in ihrer Kontaktbereitschaft (4) deutlich mehr zurückhält.

Gute Chancen für eine insgesamt erfolgreiche Änderung im Laufe der Beratung sind durch die ähnlichen Werte der Beiden bei der Wachsamkeit gegeben. Beide haben das Potential für Empathie und Perspektivenübernahme, können sich also in den jeweils anderen ‚hineindenken‘.

Die hohe Lebensdynamik des Ehemannes und damit auch die großen Unterschiede zu seiner Ehefrau zeigt sich dann auch bei den Einzelheiten der Wesenszüge. Er beschreibt sich sehr deutlich als kontaktorientiert (10) und er interessiert sich für die Begegnung mit anderen Menschen.
Ebenso hoch ist seine Ausprägung bei der Selbstbehauptung (10), welche er nach außen mit hoher ‚Ichstärke‘ zeigt, indem er sich sehr selbstbewusst und unnachgiebig verhalten kann. Entscheidungen trifft er schnell, ohne seine Frau zu fragen und sie auch nicht in seine Gedanken mit einbezieht.

Mit einer weiteren hohen Ausprägung beschreibt er sich bei der Begeisterungsfähigkeit (10). Dadurch kann er auch mal sehr impulsiv sein, insbesondere dann, wenn er sich in einer für ihn aufregenden Situation befindet, die ihn herausfordert. Bei anderen Menschen geht er ständig aus sich heraus. Er ist leicht zu begeistern und kann auch andere mitreißen.

Seine deutlich hohe Selbstsicherheit (9) lässt wenig Zweifel an sich selbst aufkommen, weil er immer von seiner Meinung überzeugt ist. Auseinandersetzungen sind für ihn eine Herausforderung, der er sich gerne stellt, ohne sich dabei unter Druck zu setzen.

In einem weiteren Unterschied zu seiner Ehefrau beschreibt er sich deutlich als veränderungsbereit (9). Es fällt ihm leicht, sich für Veränderungen und für neue Ideen aufgeschlossen zu zeigen, er lebt von seinen Visionen und geht auch mal risikoreiche Wege ein.

So gesehen beschreibt sich der Ehemann im Gegensatz zu seiner Ehefrau in der Summe seiner Wesenszüge mit einer hohen Außenwirkung, er liebt es aufzufallen, wahrgenommen zu werden und stellt sich schwierigen Aufgaben mit einer großen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, während sie eher nicht auffallen mag, sich eher zurückhält. Sie bestätigte mir ihre Gedanken in einem Satz: „Ich wünsche mir manchmal, dass er mich einfach wahrnimmt, mich fragt, wie es mir geht und mich nicht ständig für seine neuen Ideen gewinnen will. Er muss mir nicht dauernd beweisen, wie gut er in allem ist.

Der Unterschied zwischen beiden Ehepartnern zeigt sich ebenso in der Grundstruktur, also auf der Ebene, die für Außenstehende nicht so leicht wahrgenommen werden kann.

Während sich der Ehemann als deutlich extrovertiert (8) beschreibt, zeigt sich die Ehefrau als eher introvertiert (2) auf dieser Skala. Er sucht die Abwechslung und Unterhaltung, schließt schnell Freundschaften mit neuen Menschen und ist immer ein gesprächiger und geselliger Mann, mit dem andere gerne zusammen sind. So fällt es ihm auch leicht, in jedem Gespräch, nicht nur bei seiner Frau, die Führung zu übernehmen.

Sie hingegen beschreibt sich zurückhaltend und, was den Kontakt mit anderen Menschen anlangt, scheu, wenig unterhaltsam und ernst. Sie möchte lieber für sich allein sein und nicht die Aufmerksamkeit anderer Menschen erfahren.

Auch in der Tiefenstruktur beschreiben sich beide Ehepartner sehr unterschiedlich auf der Achse ‚Unkonventionell – Korrekt‘.

Beide beschreiben sich auf der einen Achse als eher warmherzig, die sich nach vertrauensvollem Nahkontakt sehnen und einander glücklich machen wollen, den Partner idealisieren und seine Schwächen großzügig entschuldigen. Andererseits zeigt Er sich in der Tiefenstruktur deutlich mehr unkonventionell (7), ein Mann, der die Veränderungen und Neuigkeiten sucht.

Er lebt in der Gegenwart und sucht den schnellen Erfolg, dafür gibt er seine ganze Energie und lebt nach seiner eigenen Logik, die für ihn selbst auch stimmt – anderen, insbesondere seiner Frau, jedoch manchmal unverständlich ist.

Sie hingegen beschreibt sich als deutlich mehr korrekt (3). Sie wünscht sich sichere und stabile Verhältnisse, das Bewährte soll bleiben und die ständigen Änderungen ihres Mannes nehmen ihr die Sicherheit, die sie für ihr eher korrektes Leben braucht.

Als wir über diesen Unterschied in der Tiefenstruktur sprachen, erkannten beide sofort, dass sie dadurch häufig falsche Erwartungen voneinander hatten, die den Partner aus seiner jeweiligen Zone herausholen sollten. Sie verstanden jetzt auch, dass sie zu wenig versucht hatten, ihre Unterschiede zu verstehen bzw. sie zu benennen. Sie haben ihre eigenen Wünsche auf den jeweils anderen Partner projiziert und wurden enttäuscht, weil sie keine Gemeinsamkeiten mehr sahen.

Die hohe Lebensenergie, die der Ehemann ausstrahlte, zeigte sich auch nochmals bei  den Ergebnissen der Kontrollüberzeugungen.

Er beschreibt sich sehr deutlich als hoch internal kontrollüberzeugt (9). Das bedeutet für ihn im Alltag, dass er fast jede Herausforderung annehmen kann. Er traut sich fast jede Aufgabe zu und ist davon überzeugt, dass er diese auch mit einigem Aufwand lösen kann. Er ist der typische ‚Macher‘ oder ‚Kämpfer‘ und gibt nicht so schnell auf, auch wenn ihm manchmal ‚Hochmut‘ oder ‚Überheblichkeit‘ nachgesagt wird. Diese Eigenschaft kann aber auch als Ressource für die Arbeit   an der Ehe gesehen werden.

Ihre internalen Kontrollerzeugungen (5), d.h. an den Erfolg zu glauben, liegen zwar im statistischen Mittelfeld der Normalbevölkerung, lösen im Vergleich zur hohen Ausprägung bei ihrem Ehepartner aber manchmal ein Unverständnis bei ihm aus, warum sie so schnell aufgibt und warum sie sich nicht neue Ziele setzt, die sie erreichen möchte. Diese gegensätzliche Erwartungshaltung hat sich bei ihnen dann oft zu einem Streitthema entwickelt, aus dem sie keinen Ausweg mehr gefunden haben.

Wir konnten nach Betrachtung dieser Unterschiede in ihren Persönlichkeiten abschließend festhalten, dass ihre ‚Sprachlosigkeit‘ überwiegend durch unterschiedliche Erwartungen ausgelöst wurde. Jeder Partner hat auf seine Weise seine typischen Verhaltensmuster auf den Partner projiziert, ohne zu verstehen, ob diese/r sie auch verstehen und annehmen kann. Sie konnten mir beide spontan viele Beispiele aus ihrem Alltag nennen, in denen sie ihre Enttäuschungen wiedergefunden haben, die sie jetzt durch die Unterschiede in ihrer Persönlichkeit festmachen konnten.

Die Beschreibung der Testergebnisse hat ihnen zuallererst geholfen, überhaupt erst einmal wieder sprachfähig zu werden und über ihre Unterschiede zu reden.

Darin begründete ich dann auch meine erste Aufgabe an beide Ehepartner, zu lernen, sich ihrer Unterschiede bewusst zu werden und nach Kompromissen zu suchen, die einander nicht kränkten.
Sie sollten sich anhand von Beispielen in Ihrem Alltag überlegen, in welchen Situationen sie konkret ihr Verhalten ‚projiziert‘ haben und überlegen, wie sie sich in diesen Situationen das nächste Mal aufgrund ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten auf Augenhöhe begegnen können. So gesehen muss sich keiner in seiner Persönlichkeit aufgeben bzw. seine Identität verlieren. Beide Partner können vielmehr an ihren Verhaltensmöglichkeiten trainieren und dabei den anderen im Blick behalten.

© Ben Vaske – 01.10.2021

Ein 32 jähriger Gymnasiallehrer, verheiratet, 2 kleine Kinder, sucht wegen Freudlosigkeit und Schlafproblemen Beratung. Er würde oft unter Druck stehen und sich fragen, ob er seinen Job als Lehrer gut macht. Schwierige Schüler und Klassen, konfrontative Eltern, Erwartungen und neue Situationen (aktuell bereitete er erstmalig eine Klasse auf das Abitur vor) tragen dazu bei, dass er sich häufig hinterfragt und sich letztlich gedanklich im Kreis dreht. Er weiß nie, wieviel Unterrichtsvorbereitung genug ist. Manchmal sitzt er bis spät in den Abend an seiner Arbeit. „Er möchte das, was er tut, gerne tun. Das ist schon länger nicht mehr der Fall“, sagt er.

In diagnostischer Hinsicht schlage ich Herrn G. unter anderem einen PST-R Persönlichkeitstest vor. Auf konkretes Nachfragen, wie sich der Druck somatisch bemerkbar macht, konnte er ein Enge-Gefühl im Brustbereich sowie eine innere Unruhe beschreiben. Nachdem wir zunächst das Problemverhalten mit „Freudlosigkeit und unter Druck stehen“ beschrieben hatten, sah er nach weiteren Gesprächen sein Hauptproblem darin „von Gefühlen hin- und hergerissen“ zu werden. Meines Erachtens half ihm dabei die Besprechung des PST-R. In einem Satz ausgedrückt zeigt er eine depressive Persönlichkeitsstruktur, an der allerdings durch ein Lernprogramm gearbeitet werden kann.

Bei den Wesenszügen fällt in der Zusammenfassung auf, auf, dass sich Herr G. mit geringer Unabhängigkeit (1) und Wachsamkeit (3) beschreibt. In den Einzelheiten der Wesenszüge zeigt er soziale Anpassung (3), Flexibilität (3), Vertrauensbereitschaft (1), Unbefangenheit (3), Sicherheitsinteresse (2), Spontanität (3), abstraktes Denken (8), Sensibilität (8) und innere Gespanntheit (8).

Während er also einerseits deutliche Ausprägungen einer depressiven Verstimmung, die außerhalb der Normalverteilung liegt zeigt, fehlen diese an den Persönlichkeitsmerkmalen, die auf eine Ich-Stärke schließen lassen würden (Selbstbehauptung, Selbstsicherheit, Selbstvertrauen).

In der Grundstruktur zeigt sich eine auffallende psychische Flexibilität (7) , die häufig bei depressiven Menschen auftritt. Bei dieser Ausprägung verstärkt sich ebenso sein grübeln, sich Sorgen machen und eine gewisse Ängstlichkeit.

In der Tiefenstruktur beschreibt er sich mit den Werten korrekt (3) und warmherzig (6) in dem Quadranten, der die Ursache für einen Burnout begründen kann. Er möchte den Menschen dienen, andere höher achten als sich selbst und er zeigt gleichzeitig auch einen deutlichen Anspruch an Perfektion indem er möglichst alles gut vorbereiten will. Das kostet ihm bei seiner Durchführung sehr viel Kraft. Ein breiter Verhaltenskorridor auf der Achse sachlich-warmherzig deutet zudem darauf hin, dass er sich nicht in allen Dingen von den Menschen abhängig macht, aber die Tendenz geht schon deutlich in Richtung ‚Harmoniebedürfnis‘ und wenig ‚Konfliktfreudigkeit‘.

Bei den Kontrollüberzeugungen weist Herr G. einen Wert von 5 externale Kontrolle und 4 internale Kontrolle auf. Dies lässt darauf schließen, dass er sich öfters hilflos bzw. schickalsergeben erlebt und weniger selbstwirksam.

An dieser Stelle ist es mir wichtig, zu betonen, dass beim Ratsuchenden zu diesem Zeitpunkt kein Burnout vorlag, allerdings die Anzeichen dafür gegeben waren, dieses Symptombild zu entwickeln. Um hierentgegen zu wirken konnte ich Herrn G mit den Testergebnissen zeigen, welche besonderen Ausprägungen er für die Arbeit als ‚guter Lehrer‘ mitbringt und er diese auch zu wertschätzen lernt. Der Test zeigt, dass er sich gut in seine Schüler einfühlen (s. Wachsamkeit, Sensibilität, eher warmherzig) und er sich auf die jeweiligen Erfordernisse einer Situation einstellen kann (Flexibilität). Die Begeisterungsfähigkeit (7) hob ich ebenfalls hervor, weil dieser Wert darauf hindeutet, dass er Schüler motivieren kann.

Danach kamen wir auf mögliche Ursachen für sein derzeitiges Ergehen zu sprechen. Dabei versuchte ich ihn behutsam, mir der niedrig ausgeprägten Unabhängigkeit und deren mögliche Auswirkungen im Umgang mit den Schülern, bei Elterngesprächen, bei der Verteilung der Zusatzaufgaben im Kollegium einer christlichen Schule zu konfrontieren. Die Wachsamkeit könnte dazu führen, dass er viel wahrnimmt und er bei aufkommendem Unmut anderer Menschen sich zu hinterfragen beginnt.

Die emotionale Flexibilität in der Grundstruktur lässt vermuten, dass Situationen bei ihm starke Gefühlsschwankungen auslösen. Die innere Gespanntheit zeigt, dass er unter Druck steht. Eine weitere Ursache für Druck könnte in dem Wunsch nach Sicherheit, Planbarkeit und Perfektion liegen, sich in der Ausprägung seiner Korrektheit zeigt. Herr G. konnte für sich einige Zusammenhänge erkennen und bestätigte die Annahme des Perfektionsstreben mit dem Satz: „Ich muss doch das Beste geben“. Ich kam auf die mangelnde Ich-Stärke zu sprechen und unterbreitete ihm den Vorschlag, an der Erhöhung der Selbstbehauptung und Selbstsicherheit zu arbeiten. Dies könnte ihm helfen, eine gesunde Grenze zwischen persönlichem Anspruch, Erwartungen anderer und der eigenen Zeit- und Kraftkapazität zu finden.

Herr G. formulierte nach dem Auswertungsgespräch als erstes Ziel: „Ich möchte Ruhe bewahren“ (Problem: von Gefühlen hin- und hergerissen). – Das Ziel verfolgten wir z.B. mit somatischen Hilfestellungen wie Atementspannung und einem geregelten Feierabend, der Grundlage für einen gesunden Schlaf bietet, mit psychischen Hilfestellungen wie z.B. dem Gedanken: „Für heute ist’s genug“, Gedankenstopp gegen die Grübelei, eigene Erfolge wahrnehmen und schätzen (Verstärker). Herr G. schätzte spirituelle Hilfestellungen und beschloss in der morgendlichen Stille die Sorgen bei Gott auf den Schreibtisch zu legen. Den Gedanken, dass Gott durch den Heiligen Geist mit seiner Auferstehungskraft in ihm wirkt und ihn ermächtigt, ein guter Lehrer zu sein, fand er besonders hilfreich.

Nach dem Abitur bekam Herr G. einige positive Rückmeldungen von seinen Schülern, was ihn sehr freute und seine Zweifel zerstreuten, „ob er ein guter Lehrer ist“.

© Susanne Altstädt – 01.09.2021

Herr T., 35 Jahre alt und von Beruf Programmierer, kommt in die Beratung und fängt verzweifelt an zu erzählen:

„Ich bin seit vier Wochen krankgeschrieben, renne von Arzt zu Arzt und niemand kann mir helfen. Schon vor geraumer Zeit fingen meine Augen an schlechter zu werden und seit einigen Wochen sehe ich den Bildschirm vor mir nur noch verschwommen. Zu Beginn der Sehschwäche habe ich versucht mich zusammenzureißen und mich sehr zu konzentrieren, was die Sache nur noch schlimmer machte. Ich sitze den ganzen Tag vor dem PC und da müssen meine Augen einfach funktionieren, aber plötzlich ging gar nichts mehr. Ich habe die Zahlen einfach nicht mehr erkannt. Ich ging zum Hausarzt und der schickte mich gleich weiter zum Augenarzt. Dieser überwies mich dann in die Augenklinik. Aber niemand konnte etwas finden. Die Ärzte sagten nur zu mir, dass es nicht an den Augen selbst liegen würde, und sie rieten mir, ich solle es mit einer Psychotherapie versuchen. Nun komme ich zu Ihnen und hoffe, dass sie mir helfen können“.

Ich bitte ihn mir etwas mehr von der Arbeit zu erzählen:
„Wissen Sie, in meiner Arbeit ist es unglaublich stressig. Ich programmiere Maschinen und ständig strömen neue Aufträge auf meinen Schreibtisch. Wir sind notorisch unterbesetzt und meine Firma macht über unsere Köpfe hinweg Abgabetermine aus, die wir einfach nicht einhalten können. Kaum ist eine Maschine halbwegs programmiert, muss ich sie schon zum Kunden rausschicken, obwohl ich noch gar nicht ganz fertig bin. Dass der Kunde nach einer gewissen Zeit reklamiert und ich dann zusätzlich nachbessern muss, ist Usus. Ständig sitzt mir der Druck im Nacken, nicht schnell genug zu sein, aber ich arbeite so schnell, wie ich nur kann. Aber je mehr ich schaffe, desto mehr Aufträge liegen auf meinem Tisch. Eigentlich liebe ich diese Arbeit, aber unter diesem Druck komme ich jeden Abend wie gerädert nach Hause. Zur Entspannung versuche ich gerade in der Scheune auf dem Hof meiner Eltern eine kleine Werkstatt einzurichten. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und dort ist viel Platz und ich liebe die Arbeit mit Holz. Das ist eine große Freude für mich. Aber auch da ist der Druck groß. Meine Mutter ist psychisch krank und mein Vater ist mit dem Hof notorisch überfordert. Seit ich denken kann ist dort sehr viel mehr Arbeit als er in der Lage wäre zu bewältigen und er erwartet, dass ich immer zur Stelle bin und ihm helfe. Oft werde ich gefragt ´mal „kurz“ zu helfen und dann werden Stunden daraus. Das macht mich so wütend. Aber würde ich nicht helfen, hätte ich ein schlechtes Gewissen meine Eltern nicht zu unterstützen.“

„Irgendwie ist mein Chef wie mein Vater. Was ich tue, ist immer zu wenig und immer habe ich ein schlechtes Gewissen, nicht fertig geworden zu sein. Daraus entwickelt sich immer mehr die Angst, das mir gestellte Arbeitspensum nicht zu schaffen, mein Leben nicht in den Griff zu bekommen. Jetzt kommt die Sorge dazu, nie wieder richtig arbeiten zu können.“

Ich schlage ihm daraufhin vor, einen Persönlichkeitsstrukturtest durchführen zu lassen. Dabei stellte sich folgendes Ergebnis heraus:

Zu den Wesenszügen

Eine gewisse Auffälligkeit im PSTR-Test zeigt sich bei den Wesenszügen in der hohen Besorgtheit (10) von Herrn T. Ich erkläre ihm, dass Besorgtheit mit Angst zu tun hat und diese immer mit körperlicher Anspannung verbunden ist. Das Wort „Angst“ stammt vom altdeutschen „eng“ ab. D.h. es ist unmöglich entspannt zu sein und gleichzeitig Angst zu haben beziehungsweise Angst zu haben und gleichzeitig körperlich entspannt zu sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist deshalb auch sein Muskeltonus, vor allem im Hals-Nacken-Bereich und im Bereich des Kiefers, stark erhöht, was zu Blockaden führt, die sich dann psychosomatisch auswirken können.

Ebenfalls auffällig sind seine geringen Werte bei allen Items, die das Präfix „Selbst“ inkludieren, wie Selbstbehauptung (5), Selbstsicherheit (3), Selbstkontrolle (3) und eben Selbstvertrauen vs. Besorgtheit (10).

Dies bedeutet, dass Herr T. eher bereit ist, sich sozial anzupassen und sich folglich anderen gegenüber eher zurückhaltend und vorsichtig verhält und Auseinandersetzungen meidet. Tauchen Schwierigkeiten auf, macht er sich dafür selbst verantwortlich. Zudem lässt er sich von seinem momentanen Gefühl leiten und neigt dazu, Dinge eher auf sich zukommen zu lassen als eine konsequente Absicht zu verfolgen und sich durchzusetzen.

In der Grundstruktur beschreibt sich Herr T. auffällig hoch in seiner emotionalen Flexibilität (9). Da die Grundstruktur bereits in der Kindheit und Jugend geprägt wird, ist dieser Anteil der Persönlichkeit älter als die Ausprägungen der Wesenszüge. So gesehen begleiten die emotionalen Schwankungen die Gefühlswelt von Herrn T. schon länger. Emotional flexible Menschen zeigen sich häufig im Formenkreis der depressiven Störungen. D.h. sie beschreiben sich ängstlich, schüchtern, sind angespannt, fühlen sich oft niedergedrückt. Sie handeln irrational, oft launisch, aber auch gefühlvoll. Oftmals tendieren diese Personen zu geringer Selbstachtung und zu rasch aufkommenden Schuldgefühlen. Sie haben eine niedrige Stress- und Angstresistenz, sind stimmungsschwankend, grübeln über das Leben nach und brauchen länger als emotional stabile Personen, um wieder in den „Normalzustand“ zu kommen. Außerdem neigen sie zu psychosomatischen Beschwerden wie Schlafstörung, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Störungen im Magen- und Darmbereich und zu Verspannungen – im Falle von Herrn T. eventuell auch zu Sehstörungen.

In der Tiefenstruktur gab es keine Auffälligkeiten, die zum Verständnis einer Veränderung herbeiführen. Auch ist die Tiefenstruktur zumeist nur mit hohem Aufwand veränderbar.

Ein weiterer für das Problemverhalten auffälliger Wert wird bei der externalen Kontrollüberzeugung (7) sichtbar. Herr T. glaubt, dass das sein eigenes Schicksal vom Zufall beziehungsweise von äußeren Kräften oder Menschen bzw. dem „Schicksal“ bestimmt wird, die sich der eigenen Kontrolle entziehen und er selbst dadurch wenig Möglichkeiten zur Einflussnahme seiner Lebensumstände hat. Diese hohe Ausprägung nimmt ihm gleichzeitig den Mut, eigene Überzeugungen zu entwickeln und sich dafür einzusetzen.

Herr T. fühlt sich durch die Interpretation seines PSTR verstanden und abgeholt. Er zeigt sich erstaunt und erfreut für seine Gefühlswelt, endlich die passenden Worte und Beschreibungen zu hören. Herr T. drängt darauf zu erfahren, was er nun daraus machen kann und wie es weitergehen soll. Ich schlage vor, uns zuerst auf das Zielverhalten  „Entspannung“ und „Selbstwerdung“ zu konzentrieren und wir arbeiten einen Plan nach dem ABPS-Veränderungsmodell aus:

Organismus:
Entspannung, Entspannung, Entspannung!
Progressive Muskelspannung, Spaziergänge, Sport (Klettern, Wandern), Wärme (Thermalbad, Sauna etc.), Atemübungen, gesunde Ernährung (weniger Kaffee, Energydrinks, Alkohol), Musik hören/machen, Massagen, Physiotherapie/Krankengymnastik etc.

Medikamente:
Vom Arzt verordnete Medikamente gegen Angst, Stress, innere Unruhe etc.

Gedanken:
Ich darf meine eigenen Grenzen erkennen.
Ich darf mich abgrenzen und „Nein“ sagen.
Es muss heute nicht alles erledigt sein.
Ich darf reden und mich ausdrücken.
Ich darf mich um mich selbst und meine Gesundheit kümmern.

Stimuli (Auslöser)
Arbeit (weiterhin Krankschreibung).
Elterliches Zuhause (erstmal weniger die Eltern besuchen und bei Besuchen klare Absprachen mit dem Vater, wie lange er helfen kann/will).
Vorerst nicht mit dem Computer arbeiten.

Verstärker
Schlechtes Gewissen durch die neu erlernten Gedanken ersetzen.
Mehr reden und nicht alles schlucken

Übung:
Neugelerntes so oft wie möglich wiederholen.
Alte Verhaltensweisen so wenig wie möglich beibehalten.
Täglich das eigene Verhalten beobachten um das Besprochene umsetzen.

  • System:
    Mit dem Chef um neue Lösungsmöglichkeiten über Arbeitsmenge verhandeln.
    Vom Betrieb eine Arbeitsplatzbeschreibung (ein sog. „Pflichtenheft“) verlangen.
    Mit den Eltern ins Gespräch kommen.
    Arbeitszeitvereinbarung mit dem Vater absprechen und sich von seinen Forderungen abgrenzen.

Kontingenz:
Alle voran beschriebenen Items müssen sich ergänzen und in dieselbe Richtung gehen. Eventuelle Widersprüche erkennen und neue Lösungsmöglichkeiten finden.

Spiritualität:
Da Herr T. nicht gläubig ist, müssen wir diesen Punkt vorerst aussparen. Vielleicht ergibt sich im Verlauf der Gespräche eine Gelegenheit sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.

Herr T. arbeitet engagiert an seinen Aufgaben und seine Veränderungsbereitschaft (8) und seine internale Kontrollüberzeugung (5) unterstützen diesen Prozess. Sein Physiotherapeut konnte eine Nacken- und vor allem Kieferblockade feststellen, die dieser innerhalb seiner Berufserfahrung bislang so noch nie gesehen hat. Die physiotherapeutische Behandlung, dabei vor allem die Massagen, erwiesen sich lange Zeit als sehr schmerzhaft, wurden aber mit jeder Behandlung besser. An seiner Arbeitsstelle kam es zu einem guten Gespräch über die Arbeitsbelastung. Momentan ist Herr K. noch krankgeschrieben. Auch mit den Eltern folgten einige Aussprachen, die zur Genesung beitrugen. Zwischenzeitlich hat sich die Sehstörung von Herrn T. gebessert, aber er wird noch eine Wegstrecke vor sich haben, bis die ursprüngliche Sehkraft wieder hergestellt sein wird. Herr T. ist dankbar über den Test und die Hilfe, die ihm widerfuhr. Ich bin sicher, Herr T. wird seinen Weg machen.

© Barbara Spägele – 02.08.2021

Vor einigen Jahren sprach ein junger Student mich an. Er war ziemlich deprimiert und von Selbstzweifeln geplagt. Er studierte Jura, war am Anfang und traute sich das Studium nicht mehr zu. Ich empfahl ihm eine Analyse seiner Persönlichkeit auf Basis des PST-R. Außerdem verständigten wir uns darauf, dass er eine Selbsteinschätzung seiner Persönlichkeit vornimmt, bevor er das Ergebnis der Analyse erfährt. Diesen Weg zu beschreiten, erwies sich als sehr hilfreich: die Selbsteinschätzung (magenta) weicht in einigen Bereichen deutlich vom Ergebnis der Analyse (zyan) ab und war ein guter Einstieg zur Bearbeitung des Anliegens:

Vorab: ‚Offenheitsskala‘ und ‚Abstraktes Denken‘ deuten auf eine Auswertbarkeit des Testergebnisses hin.

Ich konnte ihm anhand einiger Beispiele den Unterschied zwischen seiner Selbstwahrnehmung und dem tatsächlichen Testergebnis erklären, soweit diese relevant für das Anliegen des Studenten erschienen:

Globalfaktoren Wesenszüge:
Der Student sieht sich selbst als wenig belastbar (3) an, während das Ergebnis eine Belastbarkeit (6) im mittleren Bereich der Bevölkerung aufzeigt. Dagegen sieht er sich selbst als deutlich unabhängiger (6) an als das Ergebnis (3) es zeigt.

Einzelheiten Wesenszüge:
Bei der Emotionalen Widerstandsfähigkeit (7) beschreibt er sich im Test als leicht überdurchschnittlich während er diese selbst als deutlich geringer wahrnimmt (4).
Ein ebenso großer Unterschied zeigt sich bei der Sozialen Anpassung (4), obwohl er sich in der Selbsteinschätzung mit deutlich mehr Selbstbehauptung (7) beschreibt.
Auch sein Selbstvertrauen (6), wenn auch im mittleren Bereich, ist deutlich ausgeprägter als sein Eigenbild, welches er mehr in Richtung Besorgtheit (8) sieht.
Bei der Inneren Ruhe (5) weist er im Test ein Mittelergebnis auf während er sich in seiner Selbsteinschätzung als deutlich weniger ausgeglichen wahrnimmt (8).

Grundstruktur:
Während die Ausprägung auf beiden Achsen im mittleren Bereich (5) liegt, nimmt er seine psychischen Schwankungen (8) als deutlich höher wahr. D.h. er glaubt von sich, dass er sehr viel mehr grübelt und über sich nachdenkt, als es das Testergebnis wiedergibt.

Tiefenstruktur:
Auf beiden Achsen gibt es eine hohe Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdbild, sie weichen nicht gravierend voneinander ab.

Kontrollüberzeugungen:
in der Selbstwahrnehmung sieht sich der Student in beiden Merkmalen der Kontrollüberzeugungen – external wie auch internal bei 5, also im Querschnitt der Bevölkerung; im Testergebnis zeigt sich jedoch eine gravierende Abweichung bei der internalen Kontrollüberzeugung (1), d.h. er traut sich wenig zu und ist nicht so sehr von seinen Fähigkeiten überzeugt, seine Ziele zu erreichen.

Im Verlauf der weiteren Gespräche stellte sich heraus, dass sein Selbstbild von seiner ‚Peer-Gruppe‘ geprägt ist. Diese ‚bestimmten‘ seinen Rhythmus, setzten für ihn die Maßstäbe. Im Ergebnis traute er sich nichts mehr zu, fragte sich also, ob ein Studium als solches und insbesondere die Fachrichtung Jura für ihn das Richtige sei. Er zweifelte insgesamt an sich selbst.

Wir erarbeiteten daraufhin eine Unterteilung seiner Fragen in drei Aspekte, die es für ihn zu beantworten gab: (1) Akademisches Studium, (2) Fachrichtung, (3) Peer-Gruppe.

Zu (1): Abstraktes Denken (9) und Belastbarkeit (5) sprechen nicht gegen ein akademisches Studium; die in der Analyse sichtbaren Ausprägungen lassen ein erfolgreiches Studium grundsätzlich erwarten. Als kritisch können die Internalen Kontrollüberzeugungen (1) angesehen werden; aber an denen kann gearbeitet werden.

Zu (2): Die eher sachlich (4) / korrekte (2) Tiefenstruktur spricht nicht gegen die Fachrichtung Jura; eigentlich prädestiniert sie dazu, zumal sie auch bei den Wesenszügen mit einer mittleren Sachorientierung vs. Kontaktorientierung einhergeht.

Zu (3): Die geringe Unabhängigkeit (3) bei der Zusammenfassung der Wesenszüge, die soziale Anpassung (4) und die erkennbare Gruppenverbundenheit (4) lenken seinen Blick zu sehr auf die Peer-Gruppe. D.h. er macht sich teilweise sehr abhängig von der Meinung anderer Menschen und kann sich deshalb wenig durchsetzen.  Dies könnte noch verstärkt werden durch die leicht überdurchschnittliche Ausprägung der externalen Kontrollüberzeugung (6).

Diese gesamte Analyse gab dem Studenten den Mut, sein Studium fortzusetzen und mehr seinen eigenen Rhythmus zu finden und zu leben. Dabei sollte er auf Unabhängigkeit, Selbstbehauptung und Eigenständigkeit achten. Konkret und praktisch: ‚Protokoll‘ führen und insbesondere Erfolge zur Erhöhung der internalen Kontrollüberzeugung ‚feiern‘.

Während des gesamten Studiums gab es anlassbezogen ‚Mutmach-Gespräche‘. Er beendete sein Studium erfolgreich. Ein Vergleich der Analyse der Persönlichkeitsstruktur zu Beginn der Begleitung (zyan) und am Ende (rot) als Evaluation zeigte in den wesentlichen Bereichen deutliche Veränderungen, während die Tiefenstruktur unverändert blieb. Das Verhältnis von externaler zu internaler Kontrollüberzeugung kehrte sich sogar um:

Damit zeigte sich, dass mit Hilfe eines förderdiagnostisch orientierten Instrumentes wie der PST-R Ratsuchenden erfolgreich und nachweisbar geholfen werden kann.

Deutlich muss für jede Berufspositionierung mit dem PST-R gemacht werden, dass
1. In der Regel jedes Hochschulstudium zu Beginn zu Frustrationen führen kann, weil man ganz andere Erwartungen hatte.
2. Die jeweilige Persönlichkeitsstruktur zu den unterschiedlichen Aufgaben, die jeder Beruf mit sich bringt, eine Hilfestellung für die spätere Tätigkeit bringen kann. So können Juristen eher mit kaufmännischen, sachlichen oder beratenden Tätigkeiten usw. eingesetzt werden. Sie können Firmen leiten, Mediation anbieten oder verteidigen. Die Tiefenstruktur des jungen Studenten (hohe Korrektheit) weist in dieser Beschreibung darauf hin, dass sein zukünftiger Berufsweg in die Richtung eines Rechtanwaltes erfolgreich sein kann.

© BTS – 01.07.2021

Wie kann ich einen weiteren Burnout verhindern?

Herr G., 34 Jahre, kam nach einem Klinikaufenthalt wegen eines Burnouts in die Beratung. Da er den PST-R in einem anderen Zusammenhang kennengelernt hatte, kam er mit dem Ziel, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten, um einem weiteren Burnout vorzubeugen.
Ganz allgemein auffällig an den Ergebnissen sind viele extreme Werte. Das bedeutet, dass seine hohen Ausprägungen auf der Skala der Gaußschen Normalverteilungskurve nur sehr selten in seiner Vergleichsgruppe vorkommen. Es sind so gesehen nur ca. 2 bis 4 % der Normalbevölkerung, die ähnlich hohe Werte wie Herr G. aufweisen.

Wenn nach den Hintergründen einer solchen Ausprägung gesucht wird, ist wohl die sehr hohe internale Kontrollüberzeugung („Ich schaffe alles“) in Verbindung mit hoher Sensibilität („ich nehme fast alles wahr“) zu nennen. Menschen mit einer derartigen Kombination sind anfälliger für ein Burnout. Das Gesamtziel für ein Förderprogramm ist damit auch im Sinne der Regel von Pareto vorgegeben: „Es reicht, wenn ich zwei Drittel eines Zieles erreicht habe, denn das letzte Drittel kostet nochmals so viel Kraft“ Ohne diese Regel einzuhalten ist für Herrn G die Gefahr eines erneuten Burnouts vorprogrammiert.

Nachfolgend die Einzelheiten:

Die Wesenszüge zeigen, dass sich Herr G.  als deutlich menschenzugewandt beschreibt. Auffällig sind dabei eine hohe Kontaktorientierung (10) und eine hohe Gruppenverbundenheit (2). Außerdem zeigt er sich als ein veränderungsbereiter Mensch, was an den folgenden Ausprägungen festzumachen ist: (Begeisterungsfähigkeit (10), Unkonventionalität (10), Unbefangenheit (1) und Veränderungsbereitschaft (10).

Des Weiteren verfügt Herr G. über Ressourcen in seiner hohen Ich-Stärke, die sich in den folgenden Merkmalen wiederfindet: Selbstbehauptung (7), Selbstsicherheit (9) und Selbstvertrauen (2), die alle zusammen darauf hinweisen, dass er das Förderprogramm erreichen will.

Herr G. beschreibt sich darüber hinaus noch mit einer hohen Sensibilität (9), verbunden mit einer hohen Wachsamkeit (1) als einfühlsame und empathische Persönlichkeit, die ggfs. in einer Seelsorgegruppe gut aufgehoben wäre.

In der Grundstruktur beschreibt sich Herr G. als deutlich extrovertiert und emotional stabil. Diese Werte könnten möglicherweise als Ressource für Herrn G. interpretiert werden, weil sie vor einer eventuellen Depression schützen.

In der Tiefenstruktur beschreibt sich Herr G. mit einer deutlich ausgeprägten Unkonventionalität (9) und einer hohen Warmherzigkeit (8). Für einen klassischen Burnout ist nur die deutliche ausgeprägte Warmherzigkeit relevant.  Er ist ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen, gegen Langeweile, und versucht dabei, nicht in Disharmonie zu seinen Mitmenschen zu geraten. Hierin könnte ein Hinweis auf Stressfaktoren liegen, der Ihn als einen eher „Getriebenen“ zeigt, mit viel Wechsel, wenig Kontinuität und Integrationswillen. Da wir hier aber von der Tiefenstruktur sprechen, befinden wir uns mit dieser hohen Beweglichkeit im Wohlfühlbereich von Herrn G.

Wie schon weiter oben angemerkt muss bei einem Änderungsprogram besonderes Augenmerk auf die Kontrollüberzeugungen gerichtet werden. Herr G. beschreibt seine sehr hohe internale Kontrollüberzeugung (9) während die externale Kontrollüberzeugung (3) deutlich weniger ausgeprägt ist.

Das bedeutet, dass sich Herr G. als Macher- und Kämpfertyp beschreibt, frei nach dem Motto: „Geht nicht, gibt es nicht!“. Er bezieht wenig die Möglichkeit ein, dass Dinge des Lebens auch manchmal zu akzeptieren sind, d.h. außerhalb seiner Machbarkeit liegen.

Diese hohe internale Kontrollüberzeugung in Kombination mit der ausgeprägten Ich-Stärke, der hohen Menschenzugewandtheit und der extrem ausgeprägten Unstetigkeit, machen Herrn G. zu einer Person, der es schwerfällt, anderen Menschen Raum zu geben, zu delegieren und eigene Grenzen zu akzeptieren.

Durch die Auswertung seines PST-R´s fand Herr G. humorvoll die Selbstzuschreibung: „Ich bin ein Hans Dampf in allen Gassen.“ Und der Zusammenhang zum „Burnout“ lag auf der Hand.

Um einen weiteren „Burnout“ zu verhindern, hat Herr G. gelernt, Kraftkiller und Kraftquellen für sich auszumachen, auf Stresssignale seines Körpers und seiner Psyche zu achten und rechtzeitig gegenzusteuern (Entspannungsübung, Auszeit, Kraftquellen …), im Alltag Priorisierungen/Zuständigkeiten vorzunehmen und Aufgaben zu delegieren. Dabei hat Ihm der Gedanke geholfen, auch anderen die Chance zu geben, das eigene Können zu zeigen. Herr G. hat gelernt nicht immer sofort die Dinge an sich zu reißen, sondern kurz innezuhalten und sich die Frage zu stellen: „Bin ich zuständig? Kann es auch jemand anderes tun?“
Wenn er jetzt noch versteht, dass er mit einem Ergebnis von zwei Dritteln zufrieden sein kann und alles was darüber hinaus erreicht werden soll, nur unnötige Kraft kostet, kann ein weiteres Burnout verhindert werden.

Obwohl Herr G. nur einen sehr eingeschränkten Zugang zum Glauben hat, war es für Ihn hilfreich zu hören, „dass alles seine Zeit hat“, auch das Ausruhen und Entspannen. Das war für ihn ein Stück Erlaubnis, zur Ruhe kommen zu dürfen.

© Elke Grapentin – 01.06.2021

Frau B., 25 Jahre, von Beruf Hebamme, kommt niedergeschlagen in die Beratung und fängt besorgt an zu erzählen: „In meinem Kopf kreisen ständig Gedanken, die immer mehr werden und wie eine Negativspirale nach unten gehen. Ich mache mir den ganzen Tag lang Sorgen um meine Partnerschaft, ob dieser Mann auch wirklich der Richtige ist, mit dem ich glücklich werden kann. Ich frage mich ständig, ob die Zukunft mit ihm gelingen kann, ob meine Entscheidungen die richtigen sind und meine Gefühle für die Ehe ausreichen.  Dabei ist er ein wunderbarer Mensch und ich liebe ihn. Wenn wir zusammen sind, tut er mir wirklich gut, aber kaum bin ich allein, schleichen sich ganz schnell wieder diese Gedanken ein, ob das gemeinsame Leben so wirklich passt, ob er mir genügend Sicherheiten und eine stabile Zukunft  bieten kann. Das macht mich sehr unglücklich.

Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen und eigentlich stelle ich mich und meiner Bedürfnisse eher hinten an. Aber jetzt geht das nicht mehr. Vor lauter Gedanken geht es mir auch körperlich sehr schlecht. Ich habe Magenbeschwerden, Herzklopfen und Schlafprobleme, habe keinen Appetit und fange in letzter Zeit immer wieder an zu zittern, was mir sehr unangenehm ist.  Ich habe mir auch schon überlegt die Beziehung zu beenden, damit es mir endlich wieder besser geht, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden, da ich ihn wirklich liebe und er ein ganz wundervoller Mensch ist, der für mich viel Geduld und Verständnis hat. Der Versuch, meine Probleme zu verdrängen hat meine Lage noch viel schlimmer gemacht.  Ich fühle mich gefangen, habe Angst meinen Partner zu verlieren und Fehler zu machen, sorge mich vor der Zukunft und kann mich selbst nicht annehmen. Dabei  will ich nur ein glückliches und sicheres Leben! Ist das zu viel verlangt? Was ist nur los mit mir?“

Ich schlage vor einen Persönlichkeitsstrukturtest durchführen zu lassen. Nach meiner Eingangsdiagnostik mit Hilfe des Tests stellt sich, für mich wenig überraschend, folgendes Ergebnis heraus:

Frau B. zeigt in ihren Wesenszügen einige Anteile einer eher schwermütig-depressiven Persönlichkeitsstruktur. Hierzu gehört eine deutlich ausgeprägte Besorgtheit (9) und die Innere Gespanntheit (10). Dazu kommt ein ausgeprägtes Sicherheitsinteresse (3) sowie eine Tendenz zu Soziale Anpassung (4), die zusammengesehen in ihr ein ständiges Grübeln auslösen und ihr wenig Selbstvertrauen geben.

Der hohe Wert ihres Abstrakten Denkens (9) zeigt dennoch, dass bei Frau B. in einem Veränderungsprogramm mit der ‚Rekonstruktion‘ von sogenannten „verirrten Gedanken“ erfolgreich gearbeitet werden kann.

Weil sie in der Grundstruktur kaum Anteile hat, die auf eine tieferliegende depressive Verstimmung hinweisen, darf auch angenommen werden, dass die von ihr geschilderten Wesenszüge erst seit jüngerer Zeit aufgetreten sind und durch ein systematisch konzipiertes und konsequent durchgeführtes Lernprogramm wieder verschwinden werden. Ihre Ausprägung bei „emotional flexibel (6)“ lässt keine großen Gefühlsschwankungen erkennen, von daher hat sie eine gute Voraussetzung, ihr Lernprogramm erfolgreich zu absolvieren.

Bei der Suche nach den möglichen Ursachen der depressiven Verstimmung schauen wir besonders auf die Tiefenstruktur.

Ich erkläre Frau B., dass sie einen signifikant niedrigen Wert auf der Achse korrekt-unkonventionell (1) vorweist und einen auffallend hohen Wert auf der Achse sachlich- warmherzig (8) zeigt. In diesem Quadranten der Tiefenstruktur (sozialer Quadrant) ist die Disposition für ‚Burnout‘ sehr hoch, das heißt, je niedriger der Wert korrekt und gleichzeitig je höher der Wert warmherzig, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit an einem Burnout zu erkranken, weil es nicht möglich ist, im Leben alles richtig und perfekt zu machen, schon gar nicht im Umgang mit anderen Menschen.

Ebenso ist bei einem signifikant hohen Wert der Korrektheit die Disposition für einen möglichen Zwang bzw. Zwangsgedanken gegeben. Korrekte Menschen sind von Natur aus eher vorsichtig, woraus sich rasch Sorge, Skepsis und Kritik entwickeln kann. Durch falsche Lernprozesse können sich daraus Kontrolle und Rituale und letztendlich ein zwanghaftes Verhalten sowie Zwangsstörungen entwickeln. Letztendlich hat sich bei Frau B. darüber eine Störung entwickelt, die sie in einer Gedankenspirale fixiert und sich auch psychosomatisch äußert.

Frau B. kann sich nun durch das Testergebnis besser selbst wahrnehmen und verstehen und äußert nun selbst über sich: „Ich habe verstanden, dass ich als korrekter Mensch Sicherheiten brauche und die auch von meinem Partner abverlange. Weil er mir keine Garantie für mein Leben geben kann, stelle ich ihn und uns oft in Frage. Zusätzlich habe ich Schwierigkeiten Entscheidungen zu treffen, da ich keine Fehler machen will und ich nicht gut mit Veränderungen zurechtkomme. So wie es immer war, so soll es bleiben.  Am liebsten würde ich das Leben zur Beständigkeit zwingen, aber das Einzige, was daraus entsteht, sind meine zwanghaften Gedanken meine Liebe, mein Leben und meine Zukunft zu kontrollieren. Dazu kommt, bedingt durch meine Warmherzigkeit, die Bereitschaft zur Selbsthingabe bis hin zur Selbstaufgabe. Ich definiere mich oft über andere und kann durch meine Abhängigkeit sehr schlecht Spannungen im mitmenschlichen Bereich ertragen und gebe deshalb meistens nach. Aber was mache ich nun mit dieser Erkenntnis?“

Frau B. und ich besprechen nun folgende, hierarchisierten Ziele, die wir in das Veränderungsmodell der ABPS einschreiben:

  1. Entspannung üben
  2. Zeit für sich selbst nehmen und sich selbst etwas Gutes tun
  3. Abgrenzung lernen (Nein-Sagen, Selbstbehauptung…)
  4. Gedankenstopp lernen – da sie auch gerne Musik macht, soll sie ein Lied als Gedankenstopp einstudieren
  5. Irrige Gedanken anschauen und akzeptieren: Ich darf Fehler machen
  6. Die Liebe als Freiheit und Geschenk akzeptieren und lernen seine Sicherheit in Gott zu finden
  7. Das Leben auch mit Humor sehen und lachen lernen

Frau B. arbeitet gewissenhaft und korrekt an ihren Zielen. Da sie eine sehr hohe internale Kontrollüberzeugung besitzt, geht sie ihren Prozess auch sehr leistungsorientiert an. Sie traut sich zu, etwas zu erreichen und gibt dabei auch nicht so leicht auf.

Immer wieder ermutige ich sie auch mal „Fünf gerade sein zu lassen“ und Dinge des Lebens auch mal lockerer zu sehen. Inzwischen kann Frau B. in den Sitzungen auch immer mehr lachen. Entspannung gepaart mit gesundem Selbstwert kommt zunehmend in das Leben von Frau B. Sie befindet sich auf einem guten Weg und fühlt sich immer wohler und sicherer und kann ihre Beziehung deshalb auch immer gesünder gestalten. „Ich bin so froh, dass ich mich durch den Test  selbst besser wahr nehmen kann und jetzt auch für mein weiteres Leben gutes Handwerkzeug besitze.“

                                                                                                                                        © Barbara Spägele 07.05.2021

Frau K. 30 Jahre alt ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. Sie berichtete von immer stärker werdenden Angstphasen, verbunden mit dem Gedanken, dass es vielleicht besser wäre, wenn ihr Leben aufhöre. Sie war auch verzweifelt, weil sie verhindern wollte, in eine Klinik eingeliefert zu werden.

Gleich zu Beginn unserer Gespräche erklärte ich ihr mit Hilfe einer kleinen Präsentation eine der möglichen Entstehungsursachen ihrer Ängste im Zusammenhang mit Stresssituationen. Diese Erkenntnisse halfen ihr, ihre Situation besser zu verstehen und Hoffnung auf Veränderung zu bekommen.

Um zu überprüfen, ob eher medizinische oder psychotherapeutische Hilfestellungen den Schwerpunkt der Beratung stellen sollten, wurde der PST-R durchgeführt. Die Ergebnisse machten deutlich, dass Frau K. mit einer Angststörung, gemischt mit einer depressiven Störung zu kämpfen hatte. Erkennbar ist eine solche Diagnose im PSTR bei den Wesenszügen, der Grundstruktur, der Tiefenstruktur und den Kontrollüberzeugungen. Erfolge durch Änderungsprogramme sind bei den Wesenszügen schneller zu erwarten, als bei den stabileren Anteilen der Persönlichkeitsstruktur.

Auf depressive Verstimmungen weisen bei den Wesenszügen deutliche Ausprägungen bei ihren emotionalen Schwankungen (3), der Sensibilität (9), der Besorgtheit (10) und ihrer inneren Gespanntheit  (9) hin.

Bei einem Beratungsprogramm sollte mit der Übung begonnen werden, die am schnellsten Erfolg verspricht. Das wäre im Falle von Frau K. eine körperliche Entspannungsübung. Hierzu trainierte sie nach dem Programm der „Progressiven Muskelentspannung“ im Sinne von Jakobsen. Außerdem begrenzte sie ihren Medienkonsum, und sie stellte fest: „Ich fühle mich so viel entspannter und ausgeglichener. Meine Schlafqualität hat sich deutlich verbessert.“

Um die hohen Werte der Besorgtheit zu reduzieren und gleichzeitig die vorgegebene Sensibilität zu gebrauchen ist es sinnvoll, nach dem Motto „Geh aus mein Herz und suche Freud“ nach Möglichkeiten zu suchen, bei denen Frau K. tatsächlich tiefe Freude empfinden kann und diese Möglichkeiten fest und regelmäßig in das Beratungsprogramm einzubauen.

Die Ergebnisse in der Grundstruktur zeigen sich bei introvertiert (3) und emotional flexibel (8). Sie beschreibt den Zustand mit „ich habe das Gefühl, ständig zu denken“. Sie teilt sich weniger mit, sondern macht ihre Sorgen mit sich selbst aus. Diese Ergebnisse zeigen aber auch, dass die melancholisch – ängstliche Persönlichkeit schon seit längerer Zeit vorliegt. Sie bestätigt es so: „Schon als Kind war ich sehr ängstlich und hatte häufig Angstattacken.“ Deshalb ist damit zu rechnen, dass die oben beschriebenen Anleitungen zur  Änderung der Wesenszüge über lange Zeit hinweg durchgeführt werden müssen.

In der Tiefenstruktur beschreibt sie sich korrekt 1 und die Bandbreite ihrer Antworten befindet sich ausschließlich im Quadranten „korrekt/warmherzig“. Sie hat überhöhte Ansprüche an sich und ihre Umgebung, kann ihnen jedoch kaum entsprechen. Das führt zu Frustration und einer hohen Besorgtheit. Außerdem möchte sie „eine Frau sein, die allen gefallen will“, was auf ihren hohen Wert der Warmherzigkeit zurückgeführt werden kann.

Die Ergebnisse der Tiefenstruktur können auch einige Ursachen der Störungen erklären. Frau K. Ist bemüht, alles was sie tut ganz korrekt zu erledigen. Hier kann die Erklärung der Pareto-Kurve helfen, mit der Lösung einer Aufgabe auch dann zufrieden zu sein, wenn sie nur 2/3 des Ziels erreicht hat. Sie lernt, ihre Ansprüche auf ein realistisches Maß zu bringen: „Es muss nicht immer alles perfekt sein.“

Allerdings sollte sie auch verstehen lernen, dass sie nicht allen Menschen helfen kann. Dabei kommen auch spirituelle Aspekte zum Tragen, etwa unter dem Aspekt: „Gottes Hilfestellung ist größer als das, was ich tun kann“.

Auch bei den  Ergebnissen der Kontrollüberzeugungen finden wir Hinweise auf ihre Störungen. Der niedrige Wert der internalen Kontrollüberzeugung zeigt eine gewisse Hilflosigkeit den Umständen gegenüber. Zur Erhöhung der internalen Kontrollüberzeugung bekam sie eine Hausaufgabe, die sie in kleine Teilschritte zergliedern und nach Erreichen jedes Schrittes den Erfolg feststellen und notieren sollte. Ihr Motto bei allen zukünftigen Aufgaben sollte jetzt lauten „ich kann die Probleme lösen, Gott ist bei mir und zwei Drittel ist auch schon sehr gut“.

Wir besprachen Angstsituationen, die sie erlebt hatte (ABC von Ellis), zum Beispiel wenn sie allein im Dunkeln war oder in einer großen Menschenmenge und wie sie damit umgehen könnte. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse (durch den Wert Abstraktes Denken 9 hat sie eine hohe Auffassungsgabe) und die Umsetzung des Gelernten in der Praxis machte sie rasch Fortschritte. Sie zeigte eine hohe Motivation, Einstellungen und Haltungen in ihrem Leben zu verändern. In der Vergangenheit lebte sie nach dem Motto: „Was ich gerade fühle, bestimmt mein Verhalten.“ Begeistert berichtete sie mir, dass sie zum ersten Mal diese Zusammenhänge verstehe und wie sie sich früher von ihren Gefühlen hat leiten und bestimmen lassen. Jetzt lernte sie, für sie wichtige Werte im Leben umzusetzen, sich auf ihre Ziele zu fokussieren und erlebte, wieviel entspannter und angenehmer sie ihren Alltag leben kann.

Auch ihr Gottesbild entsprach nicht dem, was die Bibel uns vermittelt. So half ihr die Erkenntnis, dass Gott uns gnädig anschaut und uns nicht nach unseren Werken beurteilt, sondern auf der Grundlage des Opfers Jesu. Das brachte Frieden und Ruhe in ihr Leben und sie konnte Geborgenheit in Gott erleben.

Der Vers aus Matthäus 11,28-30 wurde zu ihrem Leitsatz: „Komm her zu mir, die du dich abmühst und beladen bist und ich werde dir Ruhe geben.“

Ihr Ehemann unterstützte sie sehr in diesem Prozess und motivierte sie, „er sei stolz auf sie“.

© Silke Berg – 12.03.2021

Mit dieser Frage beginnt eine Beratung im Berufskontext mit einer 30jährigen Frau, die im Gesundheitswesen arbeitet. Ihr Arbeitgeber hat ihr die Leitung eines größeren Teams in Aussicht gestellt und damit ihr Interesse geweckt, aber auch Unsicherheit ausgelöst. „Will ich das eigentlich? Bleibe ich lieber im Hintergrund? Lust hätte ich ja schon, aber bringe ich die Voraussetzungen einer Führungskraft mit?“

Erste Hinweise ergeben sich im Gespräch. Die Klientin beschreibt einen deutlich spürbaren Gestaltungswillen und gleichzeitig einen Frust über eingeschliffene Routinen in den aktuellen Arbeitsabläufen.

Seit einigen Monaten absolviert sie eine Fachweiterbildung, die ihr Wissen sinnvoll vertieft und erweitert.

Zur diagnostischen Vertiefung führen wir den PST-R sowie eine Selbsteinschätzung anhand der wesentlichen Items des PST-R durch. Im Sinne des Beratungsauftrages erfolgt die Interpretation der Ergebnisse vor dem Hintergrund der beruflich orientierten Fragestellung.

In ihren Wesenszügen fallen dabei die folgenden Merkmale auf.

Eine deutlich hoch ausgeprägte Begeisterungsfähigkeit (9), eine ebenso hohe Veränderungsbereitschaft (9), eine deutliche Unkonventionaltiät (8) sowie Spontanität (3) zeigen sie nach außen hin als eine Person, die neue Ideen und Impulse generiert. Sie sprüht vor Ideen zur Optimierung von Abläufen und Innovationen und ist dazu bereit, Neues auszuprobieren sowie Risiken einzugehen.

Im Gespräch arbeiten wir heraus, dass sie damit andere auch überfordern kann. Wir vereinbaren, dass sie sich ein „Ideenbuch“ anlegt, in dem sie zunächst alle Impulse notiert und mit etwas zeitlichem Abstand auf Wirkung, Priorität und Umsetzbarkeit hin überprüft – korrigieren kann man ja später noch.

In der Tiefenstruktur beschreibt sie sich mit einer deutlich ausgeprägten Warmherzigkeit (8), welche sich auch in den Wesenszügen mit einer hohen Kontaktbereitschaft (8) erkennen lässt. In diesem Zusammenhang werden Ihre Stärken in der Beziehungsgestaltung zu Kolleginnen und Kollegen sowie zu den zumeist chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten deutlich, in dem sie ihren Wunsch nach Nähe zu anderen Personen ausdrückt.

Im Bezug zur Führungsaufgabe sprechen wir dabei über mögliche Herausforderungen in Konfliktsituationen, die ihre Sehnsucht nach einer harmonischen Atmosphäre bedrohen könnte. Sie formuliert ihre Erkenntnis aus dieser Ausprägung wie folgt: „Ich will lernen, in konfliktträchtigen Momenten meine Frau zu stehen und die Sach- und Beziehungsebene klarer zu unterscheiden. Als Führungskraft kann ich es nicht allen jederzeit recht machen.

Wir besprechen, dass sie zum nächsten Gespräch zwei konkrete Situationen beschreibt, in denen Sie ihre Konfliktfähigkeit trainieren kann.

Auf der anderen Achse der Tiefenstruktur zeigt sie eine Tendenz zur Unkonventionalität (6), also auch hier eine Bereitschaft nach Veränderung bzw. Innovation, die sich wie bereits oben beschreiben noch deutlicher bei den Wesenszügen zieht.

Mit den Ergebnissen der Persönlichkeitsstruktur lässt sich nun auch ihr ganz persönlicher Führungsstil erkennen. Ihr ist ein teamorientierter Führungsstil wichtig. Diese Haltung lässt sich sowohl an ihrer Warmherzigkeit in der Tiefenstruktur als auch in ihren Wesenszügen nachzeichnen, wo sie sich mittig sowohl zwischen Selbstbehauptung (6) und sozialer Anpassung als auch zwischen Eigenständigkeit (5) und Gruppenverbundenheit beschreibt. Diese Ausprägungen befähigen sie zu einem partizipativen Führungsstil, den sie in Anlehnung an aktuelle Führungsansätze des „Empowerments“ versteht und dadurch mehr Verantwortung auf andere übertragen will. Daraus leitet sich dann auch ihr eigener Anspruch an Führung ab: „Ich möchte andere ermutigen und mitnehmen“.

Die Kontrollüberzeugungen weisen auf eine ausgeprägte Selbstwirksamkeit hin. Hindernisse nimmt sie als Herausforderung an, die gemeistert werden wollen. „Ich fühle mich schnell gebremst“, beschreibt sie Situationen, in denen sie ihre Kraft nicht entfalten kann. Andererseits liegt genau hier das Potential für das neue Aufgabenfeld. Ihren internalen Antrieb und Gestaltungswillen kann sie als Führungskraft besser auf die Straße bringen. „Ich möchte gestalten, etwas verändern!“, wird ihr deutlich und man spürt ihr den Tatendrang und die Vorfreude ab. Es stellt sich dabei heraus, dass sie insgeheim gehofft hatte, dass sich ihre Führungsqualifikation bestätigen würde.

Summa summarum bestätigt der PST-R ihre Selbstwahrnehmung. Ihre Besorgtheit „ob ich wohl das Zeug zur Führungskraft habe“ wechselt in zunehmendes Selbstvertrauen. „Ich will und kann das schaffen und möchte gezielt da hinein wachsen.“ Die Herausforderungen, die eigene Kreativität und Veränderungsbereitschaft zu dosieren und mutig in Auseinandersetzungen hineinzugehen nimmt sie an.

Wir übersetzen dies in konkrete Schritte, die sie im Alltag einüben kann, bis es zur endgültigen Verantwortungsübernahme kommt. So führte die gemeinsame Interpretation des PST-R mit Verknüpfungen zu ihrem Erleben und Verhalten zu einer Selbst-Bewusstheit und –Vergewisserung ihrer Stärken.

© Karsten Kranzmann – 13.03.2021

Herr D., 68 J., seit drei Jahren im Ruhestand, gibt im Erstgespräch an, eigentlich recht glücklich verheiratet zu sein. Was die Paarbeziehung trübe, seien gelegentliche sexuelle Funktionsstörungen und vor allem sein häufiger Pornokonsum, unter dem seine Frau sehr leide.

Seine Kinder seien bereits außer Haus. Er habe in seinem Erwerbsleben erfolgreich eine eigene Firma im handwerklichen Bereich geführt, seit drei Jahren sei er nun im Ruhestand, was ihm auch gut gefalle.

Pornographie habe er seit seiner Jugend durchgängig konsumiert und habe es nie geschafft, dies zu beenden. In der Seelsorge wurde ihm gesagt, er solle Pornographie als Sünde sehen und mit dem Lesen entsprechender Bilder aufzuhören. Aber es sei bei ihm wie bei einer Sucht.

Mit der Häufigkeit und der Art der sexuellen Begegnungen mit seiner Frau sei er im Großen und Ganzen zufrieden. Seine Frau habe seinen Pornokonsum früher geduldet, mittlerweile verletze sie es aber zunehmend, zumal es beim gemeinsamen Sex des Öfteren nicht klappe.

Seine Frage war, ob eine solche Pornosucht mit seiner Persönlichkeitsstruktur zusammenhinge und man diese im PST-R erkennen und dann daran arbeiten könne.

Im PST-R zeigt sich folgendes Bild:

Bei Suchtstörungen ist vor allen anderen Ergebnissen die Tiefenstruktur der Persönlichkeit von Bedeutung – und gerade diese ist am schwierigsten zu ändern bzw. eine mögliche Änderung immer im Zusammenhang mit den Kontrollergebnissen zusehen.

In der Tiefenstruktur beschreibt sich Herr D. unkonventionell (7). Damit dürfte es ihm etwas schwerer fallen, als Personen mit korrekten Anteilen in der Tiefe, auf erotische Impulse durch pornografische Medien zu verzichten. Einfacher ausgedrückt: Er ist leichter verführbar als korrekte Menschen und braucht im Therapieprozess, zumindest zu Beginn, konsequente Begleitung. Im Laufe des Lernprozesses kann ihm jedoch die Liebe zu seiner Frau helfen, sich selbst freiwillige Grenzen im Sinne von „Abstinenz“ von Pornoliteratur zu setzen. Wie bei allen Suchtproblemen sollte demnach von Anfang an mit einer begleiteten Totalabstinenz das Therapieprogram beginnen.

Auf der Achse warmherzig – sachlich beschreibt sich Herr D.  sachlich (4). Seine Frau schätzt er hier ähnlich ein, beide haben nach seiner Einschätzung ein ähnlich großes Bedürfnis nach Nähe und Selbstbestimmtheit und können das ausgewogen austarieren. So gesehen sind die Voraussetzungen optimal, um das Ziel zu erreichen.

Die weiteren Ergebnisse des PST-R können helfen das Programm zu verfeinern.

In der Zusammenfassung der Wesenszüge gibt es die folgenden Ergebnisse:

Er zeigt eine hohe Wachsamkeit (2). Das ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen empathisch einfühlen zu können. Er kann sich mit einer solchen Qualität immer besser in die Not seiner Frau einfühlen.

Wir vereinbaren deshalb die beiden wichtigen Ziele: Zum einen die Aufmerksamkeit für mediale Erotik-Angebote gezielt zu senken, zu sich selbst ein „Stopp“ zu sagen. Zum anderen, die Schönheit seiner Frau wieder bewusster, achtsamer wahrzunehmen.

Bei den 16 Einzelheiten seiner Wesenszüge bespreche ich mit Herrn D. vor allem seine hohe Spontanität (3), die er beschreibt: Diese ist prinzipiell nützlich, indem sie ihm hilft, auf seine jeweiligen Bedürfnisse zu achten und gut für sich zu sorgen. In Bezug auf seine „Porno-Sucht“ wird sie für ihn jedoch zum Nachteil, da er spontanen sexuellen Lustimpulsen fast immer folgt, und es danach dann bereut. Hier vereinbarten wir konkrete Übungen im Sinne des „Gedankenstopps“, die ihm helfen, seine Disziplinfähigkeit deutlich zu erhöhen.

In der Grundstruktur beschreibt sich Herr D. extrovertiert (7). Wir reden über sowohl über seine Zeit als selbständiger Handwerker, als auch über seine Zeit im Ruhestand. In beiden Lebensphasen habe er genug berufliche und private Kontakte (gehabt). Zeiten größeren Frustes habe es lediglich während eines Branchenumbruchs gegeben, die er schließlich über einen Wechsel in eine andere Sparte hinter sich lassen konnte.

Die mittlere emotionale Flexibilität (5) bestätigt seine Aussagen dahingehend, dass er sich zwar offen dafür zeigt, durch neue Impulse bisherige, langjährige Verhaltensgewohnheiten in Frage stellen zu lassen. Selbst durch die aktuelle Krise in seiner Paarbeziehung widersteht er jedoch der Versuchung, zu viel Zeit und Energie damit zu verbringen, darüber nachzugrübeln, was er in der Vergangenheit für Fehler gemacht hat. Stattdessen will er konstruktiv im Hier und Jetzt sein Verhalten ändern.

Aus seinen Kontrollüberzeugungen Internal (8) schöpfte ich die Zuversicht, dass sich Herr D. zutrauen kann, neue Herausforderungen zu meistern sowie Empfehlungen von Fachpersonen motiviert anzuwenden und seine Ziele damit zu erreichen. So war es dann später auch.

© Adrian Lenkner – 17.02.2021

Frau F., 45 J., gelernte Steuerfachgehilfin, ist verheiratet und mit 3 Kindern als Mutter und Hausfrau tätig. Zusätzlich hat sie einen Minijob als Buchhalterin und engagiert sich im Kindergottesdienst der freikirchlichen Gemeinde. Bei dieser ehrenamtlichen Tätigkeit im Kindergottesdienst-Team hat sie den Eindruck, mit ihrer Art, anzuecken. Dann würde sie sich sehr schnell zurückziehen und sich nicht wertgeschätzt fühlen.  Sie zweifle an sich, hinterfrage ihren Wert und würde diese Einstellung bzw. diese Fragen auch in die Ehe, Familie und ihre Gottesbeziehung hineintragen. Folgende Fragen will sie in einem Beratungsprozess klären: Wer bin ich, was will ich, was macht mich aus? Bin ich bereit für mich einzustehen?

Frau F. leidet unter Verspannungen und Bluthochdruck. Typische Sätze zu Beginn der Beratung: „Ich kann nicht für mich einstehen. – Alles regt mich auf. – Ich bin manchmal so unzufrieden und denke:  Das könntest Du noch besser machen. Ich putze und putze und komme nicht dazu, etwas für mich zu machen.“

Eingangsdiagnostik anhand des PST-R

Frau F. beschreibt sich in der TS sehr deutlich korrekt (1) mit einem sehr großen Verhaltenskorridor. Als ich ihr erkläre, dass sich dies so anfühlen könne als hätte man zwei Seelen in einer Brust, bestätigt sie dies. In der Grundstruktur zeigt sie sich deutlich introvertiert (2) und auf der Achse der Emotionalität deutlich flexibel (8). Letzteres zeigt die starke Beweglichkeit der Stimmung. Die deutliche Introversion deutet darauf hin, dass sie die Dinge, die sie bewegen, mit sich selbst ausmacht. Man findet eine solche Grund- und Tiefenstruktur häufig bei Menschen mit depressiver Stimmungslage.

In den Wesenszügen zeigen sich stark ausgeprägt: eine deutliche Zurückhaltung, ein deutliches Sicherheitsinteresse sowie eine deutliche Besorgtheit – auch das sind Kennzeichen einer depressiven Verstimmung.

Im Auswertungsgespräch konnten wir ihr Leben und das Testergebnis gut miteinander verknüpfen. Die deutliche Zurückhaltung und Introversion zeigten, wie schwer es ihr fiel, Gedanken und Gefühle zu äußern. Dadurch wurde sie oft nicht wahrgenommen. Wenn sie sich darüber ärgerte, „reagierte sie patzig und eckte an.“ Da sowohl die Introversion (2) in der Grundstruktur und als auch die Zurückhaltung (2) in den Wesenszügen eine deutliche Ausprägung erkennen lassen, kann hier ein Lernprozess mit einer guten Erfolgsaussicht forciert werden.

In der Tiefenstruktur auf der Achse Korrektheit-Unkonventionalität wurde der Ratsuchenden ihre überdurchschnittliche Ausprägung in Richtung Korrektheit (1) bewusst. Sie konnte ihre hohen Ansprüche an sich und andere damit in Verbindung bringen. Was immer sie in Angriff nahm, wollte sie sehr gut machen. Das sind Kennzeichen für eine zumindest leichte Zwangsstörung. Sie verstand mit diesen Ergebnissen, wie sie ihr Streben nach Sicherheit und Perfektion auf andere Menschen projizierte und ihre enttäuschten Erwartungen zu Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit führten. Keiner konnte es ihr wirklich recht machen – was sie wiederum in eine depressive Grundposition führte.

Wir arbeiteten vor diesem Hintergrund zu Beginn an der Verringerung der perfektionistischen Gedanken (Pareto-Regel, Was bedeutet Feierabend?/ Was ist, wenn Jesus wiederkommt und es ist nicht geputzt, u.a.) und an ihrem Selbstwert (ABC von Ellis, um negative Gedanken über sich selbst in Frage zu stellen./ Welche Werte sind mir wichtig? Was soll an meinem 80. Geburtstag über mich gesagt werden? Was tut mir gut? Ressourcenarbeit, Welche Bedürfnisse habe ich? Wie äußere ich sie? …). Frau F. lernte, dass sie Zeit für sich gewinnt, wenn sie weniger perfektionistisch denkt und handelt. Sie erkannte, wie gut ihr das tat, weil es den Druck der Perfektion verringerte.

Am Ende eines langen Prozess konnte sie zu sich selbst sagen: „Ich musss nicht alles korrekt machen Andere sind anders und diese Erkenntnis gibt mir Gelassenheit. Ich ruhe mehr in mir. Sie möchte den Test wiederholen und sehen, was sich verändert hat.

Als ich das 2. Testergebnis sah, war ich erstaunt. Da es Frau F. nun schon längere Zeit besser ging, hatte ich damit gerechnet, dass die Besorgtheit und ihre innere Gespanntheit sich verändert hatten. Dies war jedoch nicht der Fall. In den Wesenszügen gab es nur eine signifikante Veränderung: von Pflichtbewusstsein (6) in Richtung Flexibilität (3). Frau F. hatte gelernt, dass das Leben lebendig und oft unkontrollierbar ist. Es ist deshalb günstig, sich auf die Erfordernisse der jeweiligen Situation einzulassen bzw. auch die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, selbst wenn dies auf Kosten der Ordnung und Sauberkeit geschieht.

Zu meiner Überraschung hatte sich die Grundstruktur signifikant in Richtung Mitte verändert. – Der Post-Test zeigte: Sie regt sich wirklich nicht mehr so schnell auf und ist deutlich gelassener geworden.

© Susanne Altstädt 19.01.2021

Ich möchte mich von meinem Freund trennen.“ Mit diesem Satz eröffnete Frau D. das Beratungsgespräch. Sie schilderte narzistische Züge ihres Freundes, die sie in der 10jährigen Beziehung immer wieder an den Punkt gebracht haben, über Trennung nachzudenken. Sie hatte sogar ein „Trennungs-Tagebuch“ geführt. Im Alltag erlebte sie ständig subtile Abwertungen ihrer Person, Schuldzuweisungen und Verunsicherungen des eignen Denkens und Fühlens, die dazu führten, dass sie ihr eigenes „Selbst“ in Frage stellte. Eine Fokussierung auf die Person des Partners und eine zunehmende Isolierung vom eigenen familiären und sozialen Umfeld waren die Folge.

Frau D. hatte zwar die Entscheidung zur Trennung bereits länger gefällt, war sich aber unsicher ob sie in der Lage ist, diese Entscheidung angemessen zu kommunizieren, so dass ihr Freund sie auch ernst nimmt. Außerdem wollte sie ihrem Freund nicht wehtun.

Frau D. bekam die Hausaufgabe, schriftlich die Trennung von ihrem Freund vorzubereiten, um sich über ihre Gedanken und Gefühle klar zu werden und angemessene, klare Worte zu formulieren.

Darüber hinaus machte Frau D. einen Persönlichkeitsstrukturtest PST-R, um ihre eigenen typischen Verhaltensmuster besser kennenzulernen.

Als Frau D. zum nächsten Beratungsgespräch kam, hatte sie die Trennung bereits umgesetzt. Sie war erleichtert und fühlte sich befreit. Sie wollte den PST-R nutzen, um zu verstehen, welche eigenen Anteile dazu beigetragen haben, dass diese Beziehung so gelaufen ist und warum ihr die Trennungsentscheidung so schwer gefallen ist. Sie will an ihrer Persönlichkeit arbeiten.

Ich komme zunächst auf die Ressourcen von Frau D. zu sprechen.

Trotz der belastenden Situation in der sich Frau D. befindet, weist sie in den Wesenszügen eine hohe Emotionale Widerstandsfähigkeit (8) und ein hohes Selbstvertrauen (2) auf. D.h. das „Krisenbarometer“ schlägt bei ihr nicht aus. Frau D. befindet sich nicht in einer „Ohnmachtsfalle“, sie kann ihre Gefühle trotz einer belastenden Situation gut unter Kontrolle behalten.

Ihr hohes abstraktes Denkvermögen und ihr hohes Selbstvertrauen sind ihr eine Hilfe, ihre Gedanken gut zu reflektieren und so nach Lösungen zu suchen.

Ein Grund für ihr zögerliches und selbstzweifelndes Vorgehen könnte in der Tiefenstruktur begründet sein. Frau D. beschreibt zwei Extreme in der Tiefe (warmherzig (8) und korrekt (1).

Mit einer deutlich korrekten Ausprägung hat Frau D. hohe Ansprüche an sich selbst und diese Ansprüche werden besonders auf der Beziehungsebene (warmherzig) gelebt. Sie strebt nach Harmonie und Hingabe. Deshalb das lange Aushalten in der Beziehung, trotz starker Trennungsgedanken. Hinzu kommt eine Idealisierung ihres Partners und der starke Wunsch, ihm nicht wehtun zu wollen und nicht die „Böse“ sein zu wollen (warmherzig). Hier könnte ihre Ressource sogar zu einer „Falle“ werden, weil sie ihre eigenen Bedürfnisse nicht genügend achtet und sich dadurch selbst zu wenig Raum gibt.

Außerdem beschreibt sie sich extrem introvertiert (1), also zurückgezogen und wenig mitteilungsfreudig. Sie möchte zudem nicht auffallen.

Da eine Trennung für sie schambesetzt ist (sie hatte kaum mit jemanden über ihre Situation gesprochen), scheute sie sich, ihre Beziehungssituation „öffentlich“ zu machen. Diese innere Verschlossenheit sowie ihr Streben nach Harmonie haben möglicherweise dazu geführt, ihre Entscheidung lange vor sich herzuschieben.

Was sie darüber hinaus ebenfalls von einer frühen Trennung abgehalten hat, ist ihre hohe internale Kontrollüberzeugung (7). Sie hat zu sehr darauf vertraut, dass ein Gelingen der Beziehung auch an ihr liegt, dass sie dafür kämpfen muss und nicht so schnell aufgeben darf, auch wenn sie ihre eigenen Interessen dafür geopfert hat. Ihr Leistungswille war so stark, dass sie über ihre eigenen Bedürfnisse hinwegschauen konnte, mit dem Ergebnis, dass sie von ihrem Partner immer wieder enttäuscht wurde.

Im weiteren Beratungsverlauf wurden diese Hypothesen durch die Ermittlung ihres Lebensskriptes darin bestätigt, dass sie sich selbst in einer Beziehung aufgegeben hatte.

Mit dieser Erkenntnis aus den Testergebnissen, insbesondere das Wissen um ihre Ausprägungen in ihrer Tiefenstruktur als auch Introvertiertheit ließen sie erkennen, wie sie in ihrem Alltag Automatismen durchbrechen und Entscheidungen fällen kann – weg von einem ich „muss“, hin zu einem ich „darf“.

© Elke Grapentin 26.11.2020

Frau M., eine 28jährige, elegante und gutaussehende Frau, kommt in die Beratung und beginnt gleich verzweifelt zu erzählen: „Ich bin Wirtschaftsingenieurin, arbeite seit drei Jahren in einem großen Unternehmen und habe dort einen verantwortungsvollen Job. Anfangs fand ich meine Aufgabe noch aufregend und herausfordernd, aber nach und nach fiel es mir immer schwerer, zur Arbeit zu gehen. Das Betriebsklima ist unmenschlich, Leistung und Druck stehen an erster Stelle. Alle Aufgaben, die sonst niemand bewältigen kann oder will, bekomme ich als Jungingenieurin zugeschanzt. Hilfe gibt es keine, ich muss mit allem selbst zurechtkommen. Wenn ich nach Unterstützung frage, erhalte ich die Antwort: Wenn Sie das nicht allein schaffen, sind sie hier am falschen Platz! Jeden Morgen reiße ich mich zusammen und hoffe, den Tag irgendwie gut zu überstehen und meine Arbeit gut zu machen.  Kontakte in der Firma habe ich wenige, höchstens mal ein kurzes Gespräch mit Kollegen in der knappen Mittagspause. Dabei liebe ich es mit Menschen zusammen zu sein!

Inzwischen geht es mir psychisch sehr schlecht. Ich bin hoffnungslos, habe Angst vor meiner Arbeit und vor jedem neuen Tag. Mein Tun in der Firma empfinde ich völlig freud- und sinnfrei und habe jeden Abend schreckliche Schuldgefühle, einerseits die Arbeit nicht richtig gemacht zu haben, andererseits mein Leben zu vergeuden. Ich bin in einem furchtbaren Teufelskreislauf, aus dem es kein Entrinnen gibt. Können Sie mir helfen, ich hasse meine Arbeit“.

Ich frage Frau M. warum sie sich gerade für ein Wirtschaftsingenieursstudium entschieden hat. Sie gibt mir folgende Antwort: „Ich habe mich mit 17 Jahren für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden, an dem ich sehr lange und schwer zu tragen hatte. Dieses ungeheuerliche Tun konnte ich vor mir selbst nur rechtfertigen, indem ich mich entschied als Kompensation ein erfolgreiches und gelungenes Leben vorweisen zu können. Erfolg im Beruf, eine Karriere und persönliches Weiterkommen wurden deshalb zu meinem vorrangigen Ziel. Ich dachte dann will ich einen Beruf auswählen, in dem ich Karriere machen kann, als eine Art „Wiedergutmachung“ für den Tod des ungeborenen Kindes. Aber das hat so nicht funktioniert und jetzt stehe ich hier und bin und habe gar nichts, fühle mich nutzlos. Aus der Karriere ist nichts geworden. Ich hasse diese Firma, diesen Beruf und meine Hilflosigkeit.“

Ich schlage Frau M. vor, dass wir gemeinsam ihre Probleme besprechen und sehe zwei unterschiedliche Linien die unabhängig voneinander behandelt werden sollten aber dann zur Lösung doch zusammengehören und ihren derzeitigen Zustand begründen:

  1. Das Thema „Schwangerschaftsabbruch“
  2. Das Thema Berufswahl bzw. Berufswechsel

Ich schlage Frau M. vor, mit ihr erstmals an diesen Punkten arbeiten zu wollten.

  1. Schwangerschaftsabbruch
    Der Schwangerschaftsabbruch ist eine Schuld vor Gottes Geboten. Dabei sind psychotherapeutische „Entschuldigungen“ nicht der richtige Weg. Wir arbeiten einige Sitzungen daran, dass es keine Schuld auf dieser Welt gibt, die nicht durch das Blut Jesu Christi vergeben werden könnte. Frau M. kann diese biblische Aussage als bekennende Christin akzeptieren und dann das Schuldgefühl an Gott abgeben.
    Nun ist sie auch frei, ihren weiteren Lebensweg zu gehen – egal welchen Beruf sie ausübt. Und sie braucht auch keine Angst vor einer Wiedergutmachung, die sie bisher so geplagt hatte, mehr zu haben. Aber sie sollte die Vergebung annehmen und bereit sein, dann auch sich selbst zu vergeben.

Diesen Prozess könnte sie auch in ihrem bisherigen Beruf üben und erlernen. Zu untersuchen wäre allerdings, ob ggf. eine berufliche Neuorientierung der günstigere Weg wäre, um ganzheitlich voranzukommen.

  1. Berufswahl bzw. Berufswechsel

Die Ergebnisse des PST-R können eine wesentliche Hilfestellung für den zukünftigen Berufsweg anbieten:

Frau M. hat in den Wesenszügen eine auffallend hohe Kontaktbereitschaft (10) und draus resultierend eine hohe Gruppenverbundenheit (1), eine mäßig ausgeprägte Kontaktorientierung (7) sowie eine hohe Vertrauensbereitschaft (2).

Die Ergebnisse der Wesenszüge sind passend zur Tiefenstruktur, die ebenfalls eine hohe Warmherzigkeit (7) aufweist. Der Verhaltenskorridor in der Tiefenstruktur befindet sich hauptsächlich im Quadranten korrekt/warmherzig  der auch als  „Sozialer Quadrant“ bezeichnet werden kann. Das heißt Frau M. beschreibt sich in der Tiefe sowie in den Wesenszügen nach außen hin im Kontakt mit Menschen wohl. Diese Persönlichkeitsstruktur entspricht jedoch nicht ihrem derzeitigem Beruf, bei dem sie hauptsächlich allein und auf sich selbst gestellt sachliche Themen bearbeiten muss.

Ich bespreche das Testergebnis mit Frau M. am darauffolgenden Termin. Sie selbst kommentiert den Befund, dass sie beruflich viel lieber etwas mit Menschen arbeiten würde als in der Firma einsam in ihrem dunklen Büro zu sitzen und mit niemanden in Kontakt zu kommen. „Irgendwie bin ich über das Testergebnis erleichtert, weil es bestätigt, was ich eigentlich immer gefühlt, mir aber selbst nie zugestanden hatte.“

In den darauffolgenden Beratungsstunden erarbeiten wir mit viel Geduld und Liebe, das „Gefängnis“, in das sich Frau M. durch ihre Selbstanklage über die Abtreibung ihres Kindes gesetzt hatte. Verzeihen konnte sie sich diese Tat bis dahin nicht – nur durch eine Art „selbstauferlegter Buße“ in Form eines geplant erfolgreichen und gelungenen Lebens schien es ihr die Tat vor sich selbst rechtfertigen zu können. Das führte beruflich in eine Richtung, die wenig mit ihr selbst, ihrer Persönlichkeit, ihren Gaben und Vorlieben zu tun hatte.

Das gemeinsame Ziel ist nun die Vergebung Gottes, die schon viele Jahre zuvor über sie ausgesprochen wurde, anzunehmen und sich selbst zu vergeben. Auch bearbeiten wir den irreführenden Gedanken im Leben nicht mehr glücklich sein zu dürfen, dadurch, dass sie ihrem Kind das Leben verwehrt hatte. Auch da muss sie lernen, dass dieser Gedanke nicht Gottes Ziel widerspiegelt, sondern ihre eigene, irrige Vorstellung.

Auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur frage ich sie, welchen Beruf sie sich vorstellen und was für sie der nächste Schritt sein könne. Nach einem dreimonatigen Krankenstand und einigen Beratungsstunden hat Frau M. in ihrer Firma gekündigt und sich für ein Praktikum in einer größeren Sozialen Einrichtung angemeldet, bei der sie in  unterschiedlichen sozialen Arbeitsbereichen hospitieren und somit einige neue sozialberufliche Facetten kennen lernen darf. Ihr weiterer Weg erscheint ihr noch nicht klar, aber sie weiß nun, dass sie etwas mit Menschen arbeiten möchte.

Die Vergebung für ihre Tat kann Frau M. immer mehr annehmen und sie muss sich nicht mehr selbst bestrafen. Sie weiß, gleichgültig was sie getan hat, dass sie jetzt leben und sogar glücklich leben darf.

Ich glaube, ich kann den Menschen und der Welt mehr zurückgeben, wenn ich das tue, was ich bin und was ich wirklich kann. Über diese Erkenntnis bin ich sehr dankbar.“

© Barbara Spägele 05.11.2020

Herr F. kam aufgrund einer Beziehungsproblematik zu mir. Er ist 27 Jahre alt und arbeitet als

selbständiger Einzelunternehmer. Er lebt im christlichen Glauben und ist seit drei Jahren mit seiner Ehefrau verheiratet.

In der Ehe kam es in letzter Zeit zu vermehrten Auseinandersetzungen. Das vergangene Jahr war geprägt von einer Zeit mit hohem Arbeitsaufkommen und einem überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz seinerseits. Die Kommunikation mit seiner Ehefrau wurde zusehends schwieriger.

Sie fühlte sich allein gelassen, ungeliebt und nicht respektiert. Er empfand die Vorwürfe seiner Ehefrau als kränkend, da er im Gefühl war, seine Karriere zum Wohle seiner Familie voranzutreiben. „Es ist nie gut genug“ war sein vorherrschendes Gefühl in der Beziehungsdynamik.

Ich schlug ihm vor, den PST-R Persönlichkeitstest zu machen, um sich selbst besser verstehen und führen zu können.

In seinen Wesenszügen beschreibt er sich als ausgesprochen belastbar und unabhängig. Hier fällt mir besonders die deutlich ausgeprägte Selbstbehauptung (10) und Selbstsicherheit (9) auf. Diese Wesenszüge können als große Ich-Stärke bei Anderen ankommen, sind jedoch nicht immer willkommen. Er beschreibt sich als einen Menschen, der immer weiß, was er will und durchsetzungsstark und von sich überzeugt ist. In diesem Wesenszug spiegelt er den meisten anderen Menschen, dass sie schwächer sind als er. Da dies für die Anderen kein angenehmes Gefühl ist, kann dieser Wesenszug in Beziehungen Stress auslösen.

Wir besprechen, dass er sich in Beziehungsthemen mit den folgenden Fragen prüfen darf:

„Wann ist es gut mich durchzusetzen?“
„Wann darf ich mich eher zurück nehmen?“
„Wann mache ich eher Angst und entmutige Andere?“

Des Weiteren ermutige ich zu lernen, bei anderen nachzufragen wie es ihnen geht, was sie denken und was sie fühlen? So gesehen wird sein „sich durchzusetzen“ mit dem Einverständnis seines Beziehungspartners erfolgen. Dafür ist es wichtig Rückmeldungen der Anderen zu erfragen.

Er erzählt mir, dass er in Arbeitssituationen immer mal wieder solche Konflikte erlebt. In seiner Ehe und anderen vertrauensvollen Beziehungen ist die hohe Selbstbehauptung und Selbstsicherheit, gepaart mit der außergewöhnlichen hohen emotionalen Stabilität in seiner Grundstruktur oftmals eine Mauer, die zwischen ihm und den Menschen steht.

Er kann diese Dynamik erkennen und möchte sich weiter entwickeln. Mit seiner Herkunftsfamilie erlebt er in den darauf folgenden Wochen wunderbare und befreiende Begegnungen, gegenseitige Vergebung wird möglich.

In seiner Grundstruktur beschreibt er sich sehr deutlich emotional stabil und eher extrovertiert. Die hohe emotionale Stabilität ist eine große Ressource, die es ihm ermöglicht, in stressigen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren und auch sehr vielfältige und umfangreiche Aufgaben zu erfüllen. Bei Schwierigkeiten in seinem Leben greift er auf sein Motto zurück: „nicht jammern, sondern Weitermachen“.

Auffallend ist auch, dass er in seiner Grundstruktur eine hohe emotionale Stabilität aufweist und dadurch nicht wirklich mit seinem Gegenüber mitfühlen kann. Es fehlt ihm die Fähigkeit, emotional bei anderen mitzuschwingen und dadurch kann er sich über gefühlsmäßig orientierte Menschen möglicherweise leichter hinwegsetzen. Beziehungspartner fühlen sich unter Umständen nicht verstanden.

Dennoch hat er in seinen Wesenszügen gelernt, sich anderen gegenüber deutlicher sensibel und wachsam zu verhalten. Dieses hilft ihm, auf andere Menschen besser einzugehen.

Wir besprechen, dass nur ungefähr 1-2 % aller Menschen sich in diesem Bereich genau so

Beschreiben wie er. Die Wahrscheinlichkeit, dass er auf Menschen trifft, die in diesem Punkt gleich emotional stabil sind wie er, ist also vergleichsweise als gering anzusehen. Er kann also noch lernen, sich in andere hineinzuversetzen und seine Fremdwahrnehmung zu schulen.

In seiner Tiefenstruktur zeigt er sich tendenziell eher warmherzig und mittig auf der Skala zwischen unkonventionell und korrekt. Dabei ist sein Verhaltenskorridor auffallend groß. Durch die leicht gewichtete Warmherzigkeit sind ihm vertrauensvolle Beziehungen und die Nähe zu anderen wichtig, dabei geht er jedoch selten soweit, dass er sich abhängig macht. Durch diesen breiten Verhaltenskorridor und die mittige Ausrichtung wird er vermutlich in der Lage sein mit Menschen aus verschiedenen Skalenwerten gut zurecht zu kommen.

In seinen Kontrollüberzeugungen beschreibt er sich als deutlich ausgeprägt internal kontrolliert bei einer mittleren externalen Kontrollierung. Er beschreibt sich als einen leistungsorientierten und leistungswilligen Menschen, der auch bei Widerständen nicht aufgibt. Er weiß, dass er alles erreichen kann, was er sich vornimmt, wenn er sich nur genug dafür anstrengt. Dabei ist er bereit auf Erfolge zu warten und durchzuhalten. Hier findet sich auch seine Motto “nicht jammern, sondern weitermachen“ bestätigt.

Wir besprechen, dass 95 % aller Menschen sich weniger anstrengen als er. Wenn er seinen eigenen Leistungswillen als Schablone auf andere Menschen überträgt, kann er schnell andere überfordern und über sie hinweggehen. Dieser stark ausgeprägte Leistungswille gepaart mit der großen emotionalen Stabilität führte oft zu Verständnisproblemen in seiner Beziehung. Seine gefühlsmäßig orientierte Frau fühlt sich unverstanden und ungeliebt. Durch die geringe, emotionale Mitschwingfähigkeit in Kombination zu seinem hoch ausgeprägten Leistungswillen, ist er zwar bereit viel zu tun und zu leisten, muss in seiner Beziehung jedoch die Erfahrung machen, dass seine Leistung nie genug ist, da sein Engagement nicht im Gefühlsleben seiner Partnerin ankommt.

Er darf sich fragen: „Setze ich meinen Leistungswillen für mein Team/meine Familie ein? Oder muss ich aufpassen, dass die Ziele für andere möglicherweise zu hoch sind?“

Dieser ausgeprägte Leistungswille kann andererseits auch ein großes Vorbild für andere sein, wenn er in Demut gelebt wird. In seinem Glauben ist er stark und ich ermutigte ihn, diese internale Kontrollfähigkeit zu nutzen, um andere Menschen in seinem Umfeld zu fördern, Mut zu schenken und in Liebe zu führen.

Ich ermutige ihn weiter zu üben und sich auszuprobieren. Es handelt sich um einen langfristigen Veränderungsprozess, welcher nicht von heute auf morgen vollzogen sein wird. Dabei darf er geduldig mit sich sein und lernen sich trotz seiner großen Ich-Kompetenz in Demut zu zeigen und seine Erwartungen an seine Mitmenschen anzupassen. Er fühlt sich verstanden und die gemeinsame Arbeit und der Persönlichkeitsstrukturtest haben ihm geholfen, eine klarere Sicht auf sich selbst und seine Mitmenschen zu gewinnen.

© Nadine Topel – 16.10.2020

Der neue Leiter eines großen Dienstleistungsunternehmens, kam zu mir in die Beratung und berichtete von seiner Unzufriedenheit mit einem seiner Regionalleiter.

„Ist das der richtige Mann für uns, um die von mir angestoßenen Veränderungsprozesse auch umzusetzen?“  Alles was ich ihm vorschlage, stellt er in Frage und beruft sich auf seine langjährige Erfahrung in diesem Unternehmen um mir zu erklären, warum meine Pläne nicht funktionieren werden. Ich sehe einfach nicht, dass er bereit ist, sich zu verändern und von seinen alten Arbeitsweisen loszulassen.“

Nach mehreren Einzelgesprächen mit dem Vorgesetzten und seinem Regionalleiter zeigte sich eine Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, um den anderen besser zu verstehen. Es war für mich offensichtlich, dass sich ihre unterschiedlichen Arbeitsweisen in ihrer jeweiligen Persönlichkeit wiederspiegeln. Also veranlasste ich, von beiden einen Persönlichkeitsstrukturtest durchzuführen, um die Unterscheide von beiden Personen herauszuarbeiten.

Im Ergebnis sehe ich zwei Menschen, die sich in ihren Wesenszügen und auch in ihrer Grundstruktur sehr ähnlich sind, sich in ihrer Tiefenstruktur aber deutlich unterscheiden und infolge dessen auch unterschiedliche Erwartungen an den anderen haben – also ein klassisches Beispiel für Projektionen auf der Beziehungsebene

 

Herr T., erst seit kurzem als Leiter der Entwicklung für ein weltweit tätiges Dienstleistungsunternehmen eingestellt, beschreibt sich mit warmherzig (3) als ein eher sachlich geprägter Mensch, der strategisch, analytisch, das Ziel vor Augen, planerisch und ein stückweit visionär seine Aufgaben angeht. Er macht sich dabei nicht so sehr von Menschen und deren Meinungen abhängig, sondern ist eher seinen Zielen verpflichtet. Kontinuität und Zuverlässigkeit zeichnen ihn im Wesentlichen aus. So gesehen könnte man seine Ausprägungen in der Persönlichkeit als typische Fähigkeiten eines Unternehmenslenkers betrachten. Das zeigt sich auch in seinem Führungsstil gegenüber seinen Regionalleitern. Er fordert von Ihnen, ihre bisherigen Arbeitsweisen zu überprüfen, macht ihnen Vorgaben welche Ziele sie erreichen sollen und bittet sie um mehr Durchsetzung in ihrer jeweiligen Projektentwicklung.

Herr J., sein Mitarbeiter und als Regionalleiter in diesem Unternehmen bereits seit mehreren Jahren an seinem Platz, beschreibt sich als warmherzig (9), demnach ein deutlich harmoniebedürftiger Mensch, dem es eher darum geht, anderen Menschen zu helfen, dabei aber auch manchmal das Ziel und sich selbst aus den Augen verliert. Seine Motivation liegt im Dienen, um sich anderen Menschen hinzugeben und auch ein stückweit sich selbst dabei aufzugeben. D.h. dass er oftmals bereit ist, seine eigenen Interessen in den Hintergrund zu stellen, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, weil es ihm zuallererst um die anderen geht, die er zufrieden stellen will.

Das macht ihn übrigens auch weniger konfliktfreudig. Differenzen sachlich auszutragen kostet ihm viel Kraft, weil er immer hofft, dass sich die Dinge schon wieder irgendwie hinbiegen, ohne sie konkret ansprechen zu müssen.

Beide Ausprägungen, sowohl von Herrn T., dem Leiter als auch von Herrn J., seinem Mitarbeiter sind in einer Zusammenarbeit zwar sehr konträr, insgesamt aber auch notwendig, wenn sie sich im Team ergänzen wollen. Die Gefahr ist oftmals, dass einer von beiden poloarisiert, also weniger bereit ist, von seinen eigenen Verhaltensmustern loszulassen und diese vom anderen ‚einfordert‘. Dann gerät eine Beziehung sehr schnell in ein Ungleichgewicht.

Herr T. hat häufig versucht, seinen Mitarbeiter in seine Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen und ihm dadurch Raum für seine eigene Entwicklung zu geben. Dennoch war es Herrn J. immer bewusst, dass er etwas von seinem eigenen Rollenverständnis aufgeben muss, was ihm sehr schwer fiel, weil er dieses bereits seit 6 Jahren in seiner Stelle ausprägen konnte. „Ich habe in all diesen Jahren meine Aufgabe sehr gut gemacht und dabei die Menschen vor Ort im Blick gehabt, die unser Unternehmen nach außen hin vertreten. Warum soll ich diese Haltung auf einmal aufgeben?“

Es war ihm ein Widerstand gegenüber Veränderungen an seiner Rolle anzumerken, weil er seine Beziehungen zu den beteiligten Menschen nicht aufgeben wollte, unabhängig davon, ob diese ihre Aufgaben gut gemacht haben. Sich anzupassen bedeutete für ihn eine Zäsur, sich ändern zu müssen.

Es stellte sich für Herrn T. also immer noch dieselbe Frage, ob Herr J. der richtige Mann sei, um die anstehenden Veränderungsprozesse mitzutragen. Herr J. beschreibt sich in seiner Rolle als ein ‚Generalist‘ (d.h. der viele Dinge auf einmal bearbeiten kann, aber diese auch nicht immer zu Ende führt. Das entspricht auch nicht seinen persönlichen Fähigkeiten). Herr T. wollte ihn hingegen zu einem Spezialisten auf seinem Gebiet ausbilden, der sich mit weniger beschäftigt, dafür aber zielgerichteter arbeiten kann.

Für Herrn J. war die Nähe zu Menschen mit dem Bedürfnis nach Harmonie jedoch deutlich wichtiger als sich einem messbaren Erfolg zu verpflichten und sich dadurch ein stückweit selbst ‚aufzugeben‘. Das entspricht nicht seinen Strebungen aus einer hohen Warmherzigkeit heraus. Zudem wurde sein Rollenverständnis häufig durch Rückmeldungen seiner Mitarbeiter vor Ort bestätigt, die ihn für seine ausgeprägte Warmherzigkeit schätzen. (Konkret heißt das, er hat sich durch seine hohe Warmherzigkeit auch von anderen Menschen abhängig gemacht).

Wir kamen schließlich zu einer Konklusion. Das Persönlichkeitsprofil von Herrn J. war nur schwer mit den Anforderungen eines strategisch denkenden und handelnden Menschen zu vereinbaren, der sich einer konsequenten Zielverfolgung verpflichten sollte, so wie es ihm von seinem Vorgesetzten vorgegeben wurde. Es fiel ihm schwer, sich auf deutliche Änderungen in seinem Rollenverständnis einzulassen.

Seine Beweglichkeit und Veränderungsbereitschaft im Hinblick auf eine neue Ausrichtung seines Arbeitgebers waren dabei äußerst starr, weil er den neuen Führungsstil seines Vorgesetzten nicht mit seinem Persönlichkeitsprofil erbringen konnte. Es lag bei ihm nicht an mangelnde Fähigkeiten, diesen Lernprozess einzugehen, sondern eher an seinen Einstellungen, sich auf die anstehenden Veränderungen einzulassen.

So gesehen war dieser Beratungsprozess für beide Seiten eine ‚Befreiung‘ von Ängsten und Befürchtungen, wie eine weitere Zusammenarbeit zwischen den beiden aussehen könnte. Herr J. entschied sehr schnell für sich, dass er mit dieser Erkenntnis eine neue Aufgabe in einem anderen Unternehmen suchen wolle, die mehr seinen persönlichen Veranlagungen entsprach. Sein Arbeitgeber gab ihm dafür ausreichend Zeit, ohne ihn dabei unter Druck zu setzen und er wurde auch schnell fündig.

An diesem Beispiel war für mich sehr eindrücklich zu sehen, wenn die ‚Passung‘ zwischen den Ausprägungen einer Persönlichkeit und den Anforderungen an eine Arbeitsstelle nicht stimmig ist, kann eine Beziehung sehr schwierig werden, vor allem dann, wenn man den Unterschieden in der Persönlichkeit keinen Namen geben kann. Die Testauswertung hat in diesem Fall beiden dazu geholfen, sich besser zu verstehen und sich mit Respekt zu begegnen.

© Ben Vaske – 19.09.2020

Frau P., eine schlanke, natürliche Frau, 50 Jahre alt mit weiß-blonden Naturlocken, sonnengegerbter Haut und groben, rissigen Händen kommt in die Beratung und fängt gleich vor dem ersten Satz an bitterlich an zu weinen. „Sehen sie, so geht es mir schon seit Wochen. Ich muss den ganzen Tag weinen. Gleich morgens nach dem Aufstehen kommen mir schon die ersten Tränen, das geht dann jeden Tag bis in den Abend, wo ich mich in den Schlaf weine. Mein Mann sagt täglich zu mir, dass ich verrückt sei. Laut ihm solle ich mir Tabletten verschreiben lassen, dass ich endlich wieder normal werde. Ich war auch schon bei einer Ärztin. Diese hat mir auch Medikamente verschrieben, jedoch meinte sie auch, ich solle zu einer Beratungsstelle gehen.

Mein Leben war von Anfang an eine Katastrophe. Ich kam als uneheliches Kind zur Welt und meine Eltern hatten mich zu meinen Großeltern gegeben, die mich aber auch nicht sonderlich mochten und sich für mich schämten. Als dann meine Eltern nach dem zweiten Kind schlussendlich doch heirateten, nahmen sie mich nicht mit in ihr neues Zuhause. Sie sagten, ihre Wohnung wäre zu klein für uns alle.

Ich versuchte früh dieser Lieblosigkeit durch eine Heirat zu entrinnen und nahm, als ich 19 Jahre alt war, einen Landwirt aus der Gegend zum Mann, in der Hoffnung, dass mein Leben nun besser werden würde.

Ich bemerkte schnell, dass es mir bei ihm auch nicht besser ging. Nie kam ein liebes Wort für mich über seine Lippen und in den Arm nahm er mich auch nie! Jeden Morgen muss ich um vier Uhr aufstehen, um mit meinem Mann bis 10 Uhr im Stall 150 Kühe zu versorgen. Danach gehe ich rasch in die Küche um für meinen Mann, die Schwiegermutter und damals noch für unsere zwei Kinder und die Landwirtschafshelfer zu kochen. Danach mache ich den Haushalt und den Garten bis ich wieder um 16 Uhr in den Stall muss, um bis 22 Uhr die Tiere zu versorgen. Das geht so tagein, tagaus, auch sonntags und feiertags und nie habe ich mich darüber beschwert. Ich wollte einfach immer alles gut und richtig machen, um dafür geliebt zu werden. Ein Lob oder gar Liebe bekam ich nie dafür.

Ich habe keine Hobbies und keine Freunde, weil ich gar keine Zeit dazu habe. Urlaube und Freizeit gibt es natürlich auch nicht. Ich weiß überhaupt nicht wer ich bin und was ich mag. Ich weiß nur: Ich hasse dieses Leben, ich hasse die Kühe und den Hof und habe sehr viel Mühe mit meinem Mann. Er hatte zwischendurch auch eine andere Frau, die er mit auf den Hof bringen wollte. Dagegen habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben gewehrt. Ich wollte nicht vertrieben werden. Wohin sollte ich auch gehen? Zu meinen Eltern sicherlich nicht! Außerdem bekomme ich für die viele Arbeit einen Monatslohn von 350.- Euro und muss mir dafür alle meine eigenen Dinge selbst kaufen. Geld habe ich keines und der Hof ist auf meinen Mann geschrieben.

Meine einzige Freude waren meine Kinder. Jetzt ist aber nach meinem Sohn auch meine Tochter ausgezogen und hat eine eigene Familie gegründet. Seitdem ist alles leer, trist und hoffnungslos. Was soll ich nun tun? Weg will und kann ich nicht, so weiterleben will ich aber auch nicht!“

Ich schlage ihr vor einen Persönlichkeitsstrukturtest durchführen zu lassen, damit ich sie als Person besser einschätzen und somit auch besser helfen können werde.

In der darauffolgenden Beratungsstunde besprechen wir die Ergebnisse des Tests, die die Lebensgeschichte in Zahlen widerspiegeln. Weiterhin ermittle ich das Skript, das sich wie ein roter Faden durch das Leben zieht: Für Frau P. ist wichtig, einerseits immer alles richtig und andererseits es allen recht zu machen. Der entsprechende Lebensskriptsatz lautet „Mach es richtig, dann wirst du auch geliebt!“

Die zweite Auffälligkeit liegt innerhalb der Grundstruktur mit Werten für Extraversion 1 und Emotionalität 7. Dazu passt ihr weiteres Lebensskript „Sei still und mache keinen Ärger!“

Dieses Verhalten verdichtet sich auch  innerhalb der Wesenszüge zu einer ausgeprägten Zurückhaltung, überdurchschnittlichem Pragmatismus (tägliche Anforderungen werden in bewährter Manier bewältigt) sowie einer auffällig hohen Reserviertheit (sich in Sachzwängen fügen), Besorgtheit (Angst) und inneren Gespanntheit.

Hinzu kommt eine deutlich ausgeprägte Korrektheit in ihrer Tiefenstruktur, die sie dazu antreibt, alle Aufgaben perfekt auszuführen. D.h. für Frau P. dass sie so viel Energie für Arbeiten aufwendet, die weit über das übliche hinausgehen. Im Ergebnis macht sie das müde und bringt sie an den Rand der Erschöpfung.
Das Erklären der Pareto-Regel, d.h. dass die letzte Genauigkeit den größten Kraftaufwand erfordert,
hilft Frau P, die Zusammenhänge besser zu versehen

Was ihre Leistungsmotivation angeht, zeigt sie bei Ihren Kontrollüberzeugungen eine deutlich höher ausgeprägte externale Ausprägung, die den Einfluss anderer Menschen auf das eigene Leben höher gewichtet als ihren eigenen Einfluss. Sie traut sich selber nicht zu, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen.

Ich frage sie, wie es ihr mit dem Testergebnis ergehe. Sie antwortet, über mein Nachfragen erstaunt, dass es sich genauso verhielte wie durch den Text beschrieben. „Es ist erstaunlich, wie ein Test mein kompliziertes Leben so auf den Punkt bringen kann! Aber was machen wir nun damit?“

Ich schlage vor, dass es zu Beginn das Wichtigste sei, sich zu stabilisieren. Da alle Ebenen des Tests auf eine Disposition in Hinblick auf eine Depression verweisen, ermutige ich sie, doch die verschriebenen Medikamente der Ärztin zu nehmen. Das hieße jedoch nicht, dass damit alles erledigt sei, so wie ihr Mann das gerne hätte, aber dass es ihr die anstehende Arbeit erleichtern und sie bei ihrem Prozess unterstützen würde.

Schließlich fixieren wir in dieser Beratungsstunde noch einen Vertrag über geregelte „Weinzeiten“: Sie dürfe jeden Tag drei Mal, jeweils morgens, mittags und abends, zu einer bestimmten Uhrzeit für eine Stunde weinen. In der restlichen Zeit solle sie üben das Weinen bis zu der nächsten ausgemachten Zeit zu verschieben, aber mit dem Wissen und der Sicherheit, dass sie in wenigen Stunden wieder weinen darf. Zudem soll sie sich bis zum nächsten Mal überlegen, was ihr Freude mache, welchen Hobbies sie nachgehen wolle und wie sie sich ihr Leben vorstellen könne.

Beim nächsten Treffen geht es Frau P. schon etwas besser. Sie beteuert, dass sie nun nicht mehr so oft weinen müsse. Sie habe aber gar keine Ahnung was ihr Freude bereiten würde, geschweige denn, welche Hobbies sie gerne hätte oder wie ihr Leben aussehen solle. „Es ist alles so verfahren, es hat doch alles keinen Sinn.“ Ich belasse es nicht bei diesem Satz und wir finden doch heraus, dass sie gerne Fahrrad fährt, mit Freude mit ihrer Tochter Kaffee trinken geht und Blumensträuße aus ihrem Garten liebt. Ein Anfang!

In einem zweiten Schritt ermutige ich sie  jeden zweiten Tag, zwischen Mittagessen und Stallzeit ab 16 Uhr, den Haushalt nicht zu erledigen, sondern sich selbst etwas Gutes zu tun, eben Fahrrad zu fahren gehen, ihre Tochter oder alte Freunde zu besuchen oder Blumen aus ihrem Garten zu pflücken. Ebenso ermutige ich sie die neu abgesprochenen Entspannung- und Atemtechniken auszuprobieren und einzuüben sowie einmal in der Woche die doppelte Menge Mittagessen zu kochen, um am darauffolgenden Tag zwischen den Stallzeiten sich frei nehmen zu können, beispielswiese um in der Stadt einen Cappuccino trinken oder bummeln zu gehen oder einfach um sich eine Auszeit zu gönnen.

Zusätzlich erarbeiten wir gemeinsam folgende Schritte:

  • Neue Erlebniswerte, Hobbies, Freude und Freunde finden
  • Negative Gedanken und Einstellungen erkennen und positive Gedanken üben
  • Eine Erweiterung des Lebensskripts und eine Überschreibung der destruktiven Anteile, d.h. irrige Gedanken wie „Ich kann nur geliebt werden, wenn ich alles richtig mache“ neu bewerten und lernen, dass beispielsweise Liebe nicht vom Grad der „Richtigkeit“ abhängig ist.
  • Die Kommunikation üben
  • Die Selbstbehauptung üben
  • Die Sozialkompetenzen üben (z.B. „Nein“ sagen lernen)
  • Die Auseinandersetzung mit Verletzungen aus der Kindheit und vergeben üben

Diese Punkte betreffend zeigt Frau P. sich bereit diese genauer anzusehen, sich damit auseinanderzusetzten und diese einzuüben. Mit den folgend aufgeführten Aspekten hat Frau P. noch Schwierigkeiten und bittet daher um Geduld und Zeit:

  • Die Partnerschaftsfrage klären und den Mann mit in die Beratung bringen, um grundsätzliche Probleme zu bereden.
  • Sich neue Arbeitszeiten im Hof überlegen (eventuell eine zusätzliche Hilfskraft einstellen, damit sie auch mal einen ganzen Tag frei nehmen kann)
  • Den Arbeitslohn neu überdenken und absprechen

Um diese Punkte klären zu können, so Frau P., bräuchte sie noch mehr Stabilität und Mut und möchte bis dahin noch mehr an sich arbeiten. Der Veränderungsprozess wird wohl noch einige Zeit dauern und einiges an Arbeit benötigen, um auf einen besseren Stand zu erhalten, jedoch war die aktive Auseinandersetzung mit sich selbst hierzu notwendig. Der Persönlichkeitstest hat Frau P. in diesem Prozess sehr geholfen.

© Barbara Spägele – 18.08.2020

Herr W., 56 Jahre und selbständiger Unternehmer kommt in die Beratung, weil er sich mehr Orientierung für seine Lebens- und Unternehmensführung wünscht. Im ersten Gespräch erzählt er mir, dass er in den letzten Monaten einige Verluste erlitten hatte. Daraufhin hatte seine Frau ihm vorgeschlagen, er solle doch in den Vorruhestand gehen, um sich von weiteren Risiken fernzuhalten. Das machte ihn sehr betrübt, was er mir in einem Satz wie folgt beschrieb:

Ich kann mir nun wirklich nicht vorstellen, zuhause bei meiner Frau auf der Couch zu sitzen und nichts selbständiges mehr tun. Die Arbeit hat mir immer Freude bereitet“.

Mit dieser Selbsteinschätzung konnte ich gut verstehen, dass es ihm um seine eigene Lebenserfüllung ging, die man nicht einfach so über Bord werfen konnte, ohne ihm einen gelingenden Abschluss zu geben. „Können Sie mir helfen, meine Prioritäten im Leben neu zu ordnen?“ war seine erste Frage an mich, worauf ich ihm antwortete, „Nein! Ich kann Ihnen aber helfen, sich selbst besser zu verstehen, um in Zukunft die Konsequenzen aus Ihren Entscheidungen besser abzuwägen und dadurch mögliche Risiken zu minimieren“. Damit war im Grunde auch mein Arbeitsauftrag definiert, der als nächstes mit einer Persönlichkeitsdiagnostik einherging.

In der Zusammenfassung der Einzelheiten zu den Wesenszügen, beschreibt sich Herr W. als ein belastbarer und kreativer Mensch.

Mit einer hoch ausgeprägten Emotionalen Widerstandsfähigkeit‘ (8) lässt er sich in seinem Alltagsgeschäft kaum von Schwierigkeiten beeindrucken. Enttäuschungen halten ihn nicht von seinen Zielen ab und so bleibt er beharrlich an seiner Arbeit dran.

Auch seine hohe Selbstsicherheit  (9) beschreibt ihn als jemand, der sich anderen gegenüber sehr gut mitteilen kann. Man merkt es ihm schnell an, dass er von sich und seiner Meinung überzeugt ist.Tätigkeiten, welche Auseinandersetzungen mit sich bringen, weicht er in der Regel auch nicht aus. Ebenso steht er emotional strapazierende Situationen ohne große Mühe durch.

Seine hohe Veränderungsbereitschaft (10) spornt ihn für neue Projekte an, insbesondere solche, die es noch nie gegeben hat und die einen Mehrwert für seine Kunden darstellen könnten. Er orientiert sich in seinem Handeln an Visionen und ist bereit, neue und risikoreiche Wege zu gehen. Es geht ihm weniger darum, alte Strukturen zu bewahren, sondern diese zu verändern, wenn es dafür eine gewinnversprechende Aussicht gibt.

Er nimmt dabei auch in Kauf, seine strategische Ausrichtung zu ändern, was er mir in einem Satz wie folgt beschrieb: „Manchmal kommen mir so viele neue Ideen, dass ich den Menschen Luftschlösser verkaufen kann“.

Allein von seiner äußeren Beschreibung der Wesenszüge her sah ich einen Mann vor mir, der voller Tatendrang war und der Menschen mit seiner Art faszinieren und überzeugen konnte ohne den Anschein einer Übertreibung zu erwecken. Was sollte ihm eigentlich nicht gelingen, dachte ich mir?

Auf diese Frage erfolgte dann aber auch sogleich die Antwort mit Blick auf seine Tiefenstruktur:

Im innersten Teil der Persönlichkeit, der also weniger veränderbar ist beschreibt sich Herr W. auf der Skala „sachlich – warmherzig (7)“ als deutlich warmherzig. Er sucht die Nähe zu den Menschen, möchte anderen helfen und ist dabei auch manchmal etwas großzügig in der Beurteilung anderer. Das kann bei ihm dann aber auch schnell zu Enttäuschungen führen, wie er mir bestätigte, weil er Menschen manchmal zu sehr idealisiert, zu viel von ihnen erwartet und ihre Reaktionen ihm gegenüber dann am Schluss doch nicht seinen Erwartungen entsprechen.

Auf der Skala unkonventionell – korrekt (8)“ ist sein Wunsch nach Veränderungen und Innovation deutlich größer als an bewährte Methoden festzuhalten. Freiheit im Handeln fördert ihn in seinem unternehmerischen Denken mehr als sich an enge Vorgaben halten zu müssen. So gesehen kann man Herrn W. auch als einen Pionier beschreiben, der ganz neue Möglichkeiten entdeckt, an die bisher noch niemand gedacht hat. Er handelt dabei manchmal nach seiner ganz privaten Logik, die für ihn selbst stimmig ist, auf andere aber auch unverständlich wirken kann. Insgesamt hilft ihm diese Ausprägung in der Tiefenstruktur, sich nach Erfolg zu sehnen und dabei auch mal Risiken einzugehen.

Meine Empfehlungen für einen konkreten Förderbedarf

Im Hinblick auf sein Problem, wie er unternehmerische Risiken minimieren kann, konnte ich ihm nun erklären, dass die Ursache dafür in seiner Tiefenstruktur zu finden sei. Wenn jemand so wie er, in seiner hoch ausgeprägten Warmherzigkeit dazu tendiert, andere Menschen zu idealisieren und sich sogar ein stückweit von ihnen abhängig macht, kann er auch schnell von diesen Menschen enttäuscht werden. Er hat anderen manchmal zu sehr vertraut und dabei den Blick für die Sache verloren. Es würde ihm helfen, anderen Menschen mit etwas mehr Skepsis zu begegnen und sich bei wichtigen Entscheidungen nicht zu sehr von seinen eigenen Gefühlen leiten zu lassen.

  • Auch wenn die Tiefenstruktur als solches weniger veränderbar erscheint, ist es dennoch möglich, seine Einstellungen gegenüber anderen Menschen zu verändern, indem man nicht zu viel von ihnen erwartet, nicht auf ihre Rückmeldungen angewiesen ist und sich dadurch selbst in seiner Autonomie stärkt. Eine kritische und selbstbewusste Haltung gegenüber anderen Menschen sollte hierbei das Ziel sein, um seine Projekte objektiv vor Augen zu behalten. Es geht nicht immer darum, es anderen Menschen recht zu machen, sondern diese lediglich in einem Entscheidungsprozess einzubeziehen, soweit es notwendig erscheint. Dazu gehört es auch, eine gewisse Distanz zu anderen zu bewahren und sich auf diese Weise nicht von anderen beeinflussen zu lassen.
  • Die in den Wesenszügen erkennbare hohe „Veränderungsbereitschaft“ sowie die in der Tiefenstruktur deutlich ausgeprägte „Unkonventionalität“ verleiten ihn häufig dazu, seine Ideen nicht auf ‚Herz und Nieren‘ zu prüfen, bevor er sich an eine Umsetzung wagt. Das kann schnell zu Fehleinschätzungen führen, weil Risiken nicht offengelegt bzw. ein Alternativplan nicht abgewogen wurde. Meine Empfehlung an ihn war, seine Gedanken mit einem ‚Sparring Partner‘ intensiver auszutauschen, sich bei neuen Projekten offen hinterfragen zu lassen um dadurch Überraschungen und Risiken in der Umsetzung zu vermeiden. So ein Sparring Partner könnte entweder sein Controller sein oder ein vertrauenswürdiges Mitglied in seiner Geschäftsleitung, der in seiner Tiefenstruktur deutlich mehr korrekt sein sollte. Dieser Dialog würde ihm helfen, seine Ideen auf Nachhaltigkeit zu prüfen, Risiken zu benennen und Überraschungen vorzubeugen. Auf der Grundlage eines kritischen Austauschs (wozu auch die Bereitschaft gehört, sich hinterfragen zulassen) wird es ihm schnell gelingen, seine Konzepte insgesamt auf ein stärkeres Fundament zu stellen bevor er mit einer Implementierung beginnt bzw. bevor er wichtige Entscheidungen trifft.

Herr W. konnte mir aufgrund seiner Ausprägungen in der Tiefenstruktur sehr viele Beispiele aus seinem Berufsleben benennen, die ihm keinen Erfolg gebracht haben. Nicht weil es ihm an Pioniergeist oder Fähigkeiten, sondern an Erkenntnis über die Konsequenzen aus seinen Entscheidungen gefehlt hat. Diese Einsicht konnte er nun aus dem Testergebnis gewinnen und sein Verhalten besser verstehen.

Vor diesem Hintergrund wurde ihm auch schnell klar, dass Vorruhestand keine Option für ihn sei mit einer einfachen Begründung: „Ich habe gelernt, wie ich Risiken in Zukunft besser einschätzen kann und vertraue dabei nicht alleine auf meine Visionen“

© Ben Vaske – 17.07.2020

Frau T. kommt in die Beratung und mein erster Eindruck ist, dass mir eine elegante, sportlich aktive und interessierte Frau mit wachen Augen gegenübersitzt.

Entgegen meiner ersten Einschätzung einer agil-aktiven Frau stellt sie mir die Frage: „Bin ich wirklich ein schwacher und fauler Mensch?“ Mein Mann denkt das nämlich von mir! Obwohl ich meines Erachtens immer aktiv und unternehmungsfreudig bin. Mein Mann macht mehr, ist aktiver und fleißiger. Ich halte seinem Tempo nicht stand, obwohl ich mich sehr bemühe. Er ist Manager einer großen Fima und kommt nach 10 Stunden Arbeit voller Elan und Tatendrang nach Hause. Nach dem Abendessen geht er meist noch für mehrere Stunden ins Büro oder werkelt im Keller oder im Garten. Am Wochenende, das für ihn meist erst am Samstagmittag beginnt, fängt er an das Haus aufzuräumen, die großen Fensterfronten zu putzen, weil der Hund mit seiner nassen Schnauze mal wieder die Scheiben verdreckt hat, macht Reisepläne oder lernt eine neue Sprache. Eigentlich fühle mich auch als aktiver Mensch aber mit diesem Tempo kann ich nicht mithalten. Oft brauche ich abends Ruhe, lese gerne ein Buch oder schau´ mir auch mal einen Film an. Mein Mann belächelt dann meine „Faulheit“ und findet, dass ich mir das Leben zu locker und schön mache.

Auch unsere Urlaube sind eine Herausforderung. Während ich auch mal gerne am Strand liege, versucht er die Kultur und Sprache des Landes zu lernen, alle Sehenswürdigkeiten abzuklappern und mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Natürlich hat er sein Handy und seinen Laptop immer dabei. Das ist für mich keine Erholung.

Eigentlich arbeite ich auch den ganzen Tag. Die Kinder sind zwar schon aus dem Haus, aber ich habe eine 50%-Stelle als Lehrerin an einem Gymnasium, kümmere mich darüber hinaus um das Haus, den Garten und den Hund und organisiere alles Private. Oft komme ich an meine Grenzen, nicht weil das Leben an sich schwer wäre, sondern weil mein Mann die gleichen Erwartungen an mich stellt, die er auch an sich stellt! Das zwingt mich in die Knie!“

Ich schlage vor einen Persönlichkeitsstrukturtest durchführen zu lassen. Nach meiner Eingangsdiagnostik mit Hilfe des Tests stellt sich, für mich wenig überraschend, folgendes Ergebnis heraus:

Wir besprechen das Ergebnis zunächst mit Blick auf ihre Wesenszüge und ich erklärte ihr, dass sie mit Ausnahme bei ihrer hohen Ausprägung in ihrer Selbstbehauptung (8) im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung kaum auffällt, sich hier also weder schwach noch faul zeigt.

Um ihrer Frage aber noch mehr auf den Grund zu gehen, war mir schon sehr bald klar, dass es in ihrem Falle viel interessanter wäre, wenn ihr Mann ebenfalls einen Test machen würde. Ihr Ehemann war sofort dazu bereit. Bei der gemeinsamen Testbesprechung stellte sich für ihn folgendes Ergebnis heraus:

Bei den Wesenszügen fällt ihr Mann deutlich mehr auf, mit hohen Ausprägungen in der Selbstbehauptung (10), Begeisterungsfähigkeit (9), Selbstsicherheit (9), Selbstvertrauen (1), also ein nach außen stark auftretender Mann, der weiß was er will und der sich anderen auch so mitteilen kann, ohne Rücksicht auf Kritik oder anderer Meinungen. Sie hingegen ist ihm gegenüber in Ihrer Außenansicht deutlich zurückhaltender und empfindet ihn möglicherweise manchmal als sehr herausfordernd.

Auch in der Grundstruktur zeigt sich ihr Ehemann als sehr belastbar (1). Seine psychische Stabilität ist weit höher als die seiner Ehefrau (4). Diese Ausprägung zeigt sich bei ihm darin, dass er sich nicht so leicht beunruhigen lässt und folglich zu großen psychischen Anstrengungen in der Lage ist. Er ist durch Gefühle kaum ablenkbar und kann dadurch diszipliniert und zielstrebig arbeiten. Man kann ihm sogar weitere psychisch anstrengende Aufgaben übergeben, vor denen er sich nicht so leicht zurückzieht. Das macht ihn für seine Leitungsaufgabe in einem Unternehmen natürlich sehr widerstandsfähig. Während er mit sich und seinem Leben relativ zufrieden ist, macht sie sich eher mehr Sorgen und reagiert manchmal empfindlicher weil sie in ihren Gefühlen häufiger schwankt als ihr Ehemann.

Weil ihr Mann nun davon ausgeht, sie sei schwach und faul konnte ich ihm anhand seiner Testergebnisse erklären, dass er sein Verhalten höchstwahrscheinlich auf seine Frau projiziert und von ihr ein gleiches Leistungsniveau erwartet.

Ein weiterer Unterschied zeigt sich bei den beiden in der Kontrollüberzeugung. Während ihre internale ‚Leistungsbereitschaft‘ schon relativ hoch bei 7 ausgeprägt ist, geht diese bei ihm noch weiter und zeigt sich bei 9. Beide sind nach diesem Ergebnis also der Meinung, dass man die meisten Probleme mit einem gewissen Aufwand lösen kann und stellen sich ihren jeweiligen Herausforderungen. Von anderen Menschen werden sie oft als „Macher“ oder „Kämpfer“ beschrieben und sind dadurch auch Leistungsträger in ihren Unternehmen.

Interessant ist bei beiden jedoch ein Vergleich der externalen Kontrollüberzeugung. Während sie (5) manche Leistungseinbrüche dem Schicksal oder auch anderen Menschen in ihrem Umfeld zuschreibt, sucht er (1) bei Misserfolgen die Schuld in der Regel nicht bei anderen, sondern bei sich selbst. Auch hier ein ganz hoher Leistungsanspruch, den er möglicherweise auf seine Frau überträgt, wenn er ihr sagt: „Warum gibst du immer so schnell auf?“. Das setzt sie dann noch mehr unter Druck.

Insgesamt konnte ich beiden mitteilen, dass Herr T. ein eher außergewöhnliches Profil aufweist und er deshalb lernen muss, mit seiner Frau etwas ‚demütiger‘ zu sein und sie nicht mit seinen Anstrengungen und Erwartungen überfordert.

Die Ehefrau war sehr beruhigt auf diesem Wege zu erfahren, dass sie immer noch ‚normal‘ ist und es ihr Mann ist, der bei vielen Wesenszügen aus der Reihe fällt. „Dass mein Mann etwas Besonderes ist, wusste ich schon immer. Deshalb habe ich ihn auch geheiratet“.

So gesehen hat sie gelernt, dass man unterschiedliche Persönlichkeiten immer in Relation zueinander sehen muss und in ihrem konkreten Fall ist sie im Verhältnis zu meinem Mann tatsächlich etwas weniger stabil und belastungsfähig. Sie fasste ihre Einsicht am Schluss der Beratung wie folgt zusammen: „Diese Erkenntnis gibt mir die Freiheit, meinen Mann immer wieder daran zu erinnern, wenn er sich wieder über meine Schwäche und Faulheit lustig macht.“

Um beiden Ehepartnern nochmals die Gelegenheit zu geben, diese Einsichten auch nachhaltig zu verankern, habe ich sie gebeten, ihre bis dahin erlebten Stresssituationen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale zu beschreiben. Diese Übung hat beiden geholfen, ihre Reibungspunkte anhand ihrer Projektionen konkret zu benennen. Sie haben verstanden, wenn jeder seinen Partner nur durch ‚seine Brille‘ anschaut, wird das häufig Enttäuschungen hervorbringen. Erst wenn es ihnen gelingt, auch die Perspektive ihres Partners zu übernehmen, können sie sich an einer gelingenden Kommunikation erfreuen – und dabei dennoch unterschiedlicher Meinungen sein.

© Barbara Spägele – 08.06.2020

Ein junger Mann, 28 Jahre alt, kam in die Beratung weil er große Mühe hatte, seine Diplomarbeit zu Ende zu schreiben. „Den ganzen Tag sitze ich vor meinem PC und schaffe es nicht einmal, nur ein einziges Blatt voll zu schreiben.“
Er berichtete mir, dass er sich nicht auf seine Aufgabe konzentrieren könne. Ständig gingen ihm Gedanken durch den Kopf, dass er nicht dazu fähig sei, etwas fertig zu bringen. Er zweifelte an seinem Selbstwert und es kamen ihm immer mehr Fragen und Zukunftsängste; hatte er mit seinem Studium überhaupt die richtige Entscheidung getroffen?

So fühlte er sich auch seinen Eltern gegenüber schuldig, dass diese ihn schon so lange unterstützen und er es nicht schaffe, auf eigenen Beinen zu stehen. Er konnte sein Dilemma in einem einzigen Satz zusammenfassen: „Ich weiß nicht wer ich bin und wofür ich lebe.“

Er verlor sich mit der Zeit in einer Spirale von Gedanken, die ihn unfähig machten, an sich zu glauben und ihm Stabilität für sein Leben zu geben. Es galt nun diesen Kreislauf zu unterbrechen und die Ursachen für seine Gedanken zu finden.

Nachdem er den PST-R Persönlichkeitstest durchgeführt hatte, konnte ich ihm einige Erklärungen für seine ‚eingeübten‘ Gedanken geben.

In seinen Wesenszügen zeigte er eine hohe Ausprägung bei der Emotionalen Schwankung (3). Das hatte bei ihm zur Folge, dass er sich leicht beunruhigen lässt und unter Stress, so wie seine Aufgabe mit der Diplomarbeit, ihn so stark beansprucht, dass ihm der Mut und die Konzentration fehlt, diese Arbeit dann noch zu Ende zu führen.

Des Weiteren beschreibt er sich mit einer deutlich großen Besorgtheit (10). Dieses erklärt dann auch, warum ihn seine Gedanken unsicher machen und er häufig an seinem Selbstwert zweifelt. Sorgen nehmen einen großen Anteil an seinen Gedanken und geben ihm das Gefühl, auch noch selbst dafür verantwortlich zu sein.

Schon allein an diesen beiden Wesenszügen konnte er schnell verstehen, warum er sich ständig im Kreis dreht und nicht an sein Ziel kommt.

Für eine weiterführende Diagnostik war es aber auch noch wichtig, sich seine Grundstruktur anzuschauen.

Er beschreibt sich hier einerseits als eher introvertiert (3), der seine Gedanken und Gefühle nicht so schnell von sich gibt, sich also insgesamt als mehr zurückhaltend zeigt. Auf der anderen Achse zeigt er sich als eher emotional flexibel (7), also schwankend in seiner Psyche. Letzteres erklärt dann auch, warum er in seinen Stimmungen so beweglich sein kann und warum er so oft und lange über sein Leben grübeln kann.

Ich konnte ihm mit diesen beiden Schaubildern relativ einfach aufzeigen, warum er sich so leicht von seinen Gedanken kontrollieren lässt, wie er es mir zu Beginn seiner Beratung geschildert hat. Weil dieser Zustand bei ihm schon seit ca. einem halben Jahr so wie geschildert anhält, konnte ich bei ihm von einer leichten depressiven Verstimmung ausgehen, die er insgesamt gesehen über falsche Gedanken ‚erlernt‘ hat.

Seine häufigen negativen Einreden haben ihn dazu gebracht, sich als keinen wertvollen Menschen zu sehen und er dadurch seine ganze Zukunft(splanung) hinterfragt. Die Frage, ob er seine Diplomarbeit überhaupt abschließen soll oder nicht doch mit etwas anderem beginnt, läßt ihn verzweifeln.

Nach den ersten Gesprächen haben wir festgehalten, dass er sich im Augenblick in einer ‚Phase‘ der depressiven Verstimmung befindet, in der er nicht klar und strukturiert denken kann. In dieser Phase sollte er keine Entscheidungen treffen, um sich selbst den Druck zu nehmen, über den Abschluss seiner Diplomarbeit überhaupt nachzudenken. Wichtig ist jetzt im Sinne von Paul Gerhardt „Geh aus mein Herz und suche Freud.“

Als Teilziele haben wir vereinbart, ihm zunächst einmal zu einer Tagesstruktur zu verhelfen, die es ihm ermöglicht, einen groben Stundenplan einzuhalten. Dazu gehörten Aufstehen und Frühstücken zu einer festen Zeit, am Vormittag Bewegung und Sport einplanen und am Nachmittag Gartenarbeit bei seinen Eltern ausführen, um ihn körperlich in eine bessere Verfassung zu bringen. Fahrrad fahren, Joggen und Blumengießen wurden schnell zu seinen neuen Tagesinhalten. Nicht alles ist ihm sofort gut gelungen, er verstand es aber sich Prioritäten zu setzen.

Als weitere Übung hat er angefangen, ein Tagebuch zu führen. In diesem schreibt er täglich einige seiner Gedanken auf, die ihm Mühe gemacht haben oder die ihn herunterziehen. Ebenso sollte er schöne Erlebnisse aufschreiben, was ihm Freude oder ihn zum Lachen gebracht hat. Für viele Menschen sind solche Aufgaben vielleicht ganz banale Dinge. In einer Situation wie bei meinem Ratsuchenden helfen sie aber, sich selbst besser kennen zu lernen und dadurch altes zu verlernen.

Parallel zu diesen Aufgaben haben wir dann in unseren wöchentlichen Gesprächen über seine häufigen Einreden gesprochen und diese auf den Prüfstand gestellt. Stimmen denn diese alten Gedanken, die sich bei ihm verankert haben wirklich so und wenn nicht, welche neuen Einreden können wir den alten entgegensetzen?

Wir haben für ihn auf diese Weise einen ‚Erste Hilfe Kasten‘ zusammengestellt, aus dem er bei Bedarf ganz bestimmte Sätze herausholen kann. Immer dann wenn er wieder in Bedrängnis kam, falsches über sich zu denken, wusste er sogleich, womit er diesen (irrigen) Gedanken entgegentreten konnte. Beispiele wie: „Ich muss jetzt nicht an meine Diplomarbeit denken“ oder „In dieser Phase werde ich keine Entscheidungen über mein Leben treffen“ oder  „Ich will mich nicht hängen lassen“ wurden schnell zu seinen neuen Pflastern, die er auf seine Wunden legen konnte, wenn es ihm in Gedanken schmerzte.

Augenblicke der Freude und des Glücks waren nach einigen Wochen nicht mehr von ihm fern. Er hatte sich einen Schutzschild geschmiedet, den er wie ein römischer Soldat immer dann hochhielt, wenn er Anfechtungen in seinen Gedanken erlebte. Interessant auch hier die Bedeutung von Bildern, die zu Menschen ganz unterschiedlich sprechen können. Er brachte mich auf diese Beschreibung, nachdem er mir von seiner glücklichen Zeit als Soldat berichtet hatte.

Der SatzIch will mich nicht von meinen Gedanken und meinen Gefühlen kontrollieren lassen“ war bei ihm nach sechs Wochen intensiver Beratung nicht mehr nur ein Wunsch, der ins Leere lief sondern ein fest verankerter Glaube in seinem Leben, der ihm neue Hoffnung gab.

Auch wenn diese Zeit des ‚Umlernens‘ und ‚Neu Lernens‘ bei ihm noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, hat mein Ratsuchender neue Hoffnung gefunden, wie er in seiner Persönlichkeit wachsen und an sich selbst neu glauben kann. Seine Stimmungsschwankungen waren nach wenigen Wochen deutlich mehr ausgeglichen.

© Ben Vaske – 15.05.2020

Das Ehepaar F. kommt verzweifelt in die Beratung und er fängt auch gleich an zu erzählen: „Ich bin an einem Punkt in unserer Ehe angekommen, wo ich wirklich nicht mehr kann! Ich weiß, ich habe eine kreative Frau geheiratet und ihre bunte, einfallsreiche und lebensfrohe Art hat mir auch anfangs sehr gefallen. Aber jetzt stresst mich genau das so sehr, dass ich nicht mehr zur Ruhe komme. Ich bin in der Finanzbuchhaltung tätig und die Arbeit kostet mich wirklich sehr viel Kraft.

Meine Arbeit ist es, genaue Abrechnungsabläufe und Zahlen im Blick zu haben und ich brauche, wenn ich nach Hause komme, einfach meine gewohnte und ruhige Umgebung, um mich von dem Stress zu erholen. Aber meine Frau dekoriert ständig das ganze Haus um, streicht alle Wände neu und mein Zuhause ist dann kaum wieder zu erkennen. Das stresst mich so sehr, dass ich Tage brauche bis ich wieder zur Ruhe komme. Kaum habe ich mich an die neue Umgebung gewöhnt, steht plötzlich wieder alles irgendwo anders. Ich weiß ja, dass ihr das Freude macht – sie hat ja auch Design studiert, aber ich komme mit so viel Veränderung überhaupt nicht zurecht. Ich habe sie auch gebeten alles so zu belassen wie es ist, aber sie kann es überhaupt nicht verstehen und denkt noch, sie würde mir eine Freude machen, wenn alles immer wieder anders aussieht.“

Ich schaue die Ehefrau an und frage wie es ihr ergeht. Sie erwidert dann auch gleich: „Am Anfang war ich sehr angetan von seiner stetigen, genauen und zuverlässigen Art. Aber inzwischen treibt mich das in den Wahnsinn! Alles muss so bleiben wie es ist, keine Veränderung – am besten nichts Neues. Jeden Tag dieselben ritualisierten Abläufe, der gleiche Arbeitsweg, dasselbe Essen im Restaurant, alles muss so bleiben wie es ist. Das raubt mir alle Lebenskraft und Freude und nimmt mir die Luft zum Atmen! Das Leben ist doch Veränderung und Neues bringt Lebenskraft! Zu träumen, große Visionen zu haben und Dinge zu tun und zu erleben, die niemand zuvor getan oder erlebt hat, ist doch das Spannende im Leben! Mein Mann ist schon überfordert, wenn ich das Wohnzimmer umstelle! Das ist doch nicht normal, oder?

Ich schlage vor, einen Persönlichkeitsstrukturtest durchzuführen und nach meiner Eingangsdiagnostik mit Hilfe des Tests stellten sich bei den Ehepartnern folgende signifikante Unterschiede heraus:

Obwohl beide Partner sich in der Tiefenstruktur auf der Achse sachlich-warmherzig auf 5 befinden, sind die Werte auf der Achse korrekt-unkonventionell deutlich verschieden. Er weist einen Korrektheitswert von 1, sie eine Wert für Unkonventionalität von 8 auf.

Ich erkläre dem Ehepaar, dass bei diesem Ergebnis in der Tiefenstruktur die natürliche Neigung von Herrn F. ein Streben nach Sicherheit, Ordnung und Kontrolle sei. Seine Komfortzone sei das Festhalten an vertrauten Strukturen, oft verbunden mit Entscheidungsschwierigkeiten, aber auch mit der Neigung Ruhe in eine Situation zu bringen bevor ein neuer Schritt getan wird. Seine Stärken seien Stabilität, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Planung, Kontrolle, Loyalität, Ordnung und Präzision. Bei korrekten Menschen spiele die Angst vor Veränderung eine große Rolle. Er erhole sich in vertrauter Umgebung und vertrauten Situationen und Veränderung kosten ihm sehr viel Kraft.

Ihre natürliche Neigung hingegen sei das Streben nach Freiheit, Weite und Vielseitigkeit, die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und eine große Begeisterungsfähigkeit. Ihre Stärken seien eine ausgeprägte Kreativität, sie könne sich schnell auf neue Situationen einstellen, andere für Neues ermutigen, ließe keine Langeweile aufkommen und ließe sich vor Ungewöhnlichem nicht abschrecken. Wenn es bei ihr um Ängste ginge, dann um Stillstand und Unveränderbarkeit. Gleichbleibendes kostet ihr Kraft und Neues bringt Energie und Lebensfreude mit sich.

„Das ist ja interessant“ meint Frau F. „Ich fühle mich genau beschrieben und bei meinem Mann trifft die Beschreibung auch genau ins Schwarze! Dass diese Tiefenstruktur vererbt oder in der frühen Kindheit erworben worden ist, wusste ich nicht. Ich dachte immer mein Mann wollte mich ärgern oder ist in seinem Verhalten einfach nicht normal. Dass wir beide eher Extreme sind, hätte ich nicht gedacht. Aber das Wissen um unsere Persönlichkeit, und dass jeder so sein darf, wie er ist, hilft uns schon sehr.

Trotzdem stellt es uns vor eine große Herausforderung. Was machen wir denn jetzt?“

Ich schlage folgende Verhaltensübungen vor:

  1. Jeder darf sich und den anderen in seiner Art so annehmen wie er ist. Es gibt kein richtig oder falsch.
  2. Beide sollen sich überlegen, welche Vorteile ihre Unterschiedlichkeit mit sich bringt und welche Bereiche der andere durch seine Art übernehmen kann, die dann beiden dienen.
  3. Jeder soll sich überlegen, was ihm sehr wichtig ist und in welchen Bereichen Kompromisse möglich sind.
  4. Bei Spannung sollen sie im Gespräch bleiben und versuchen gemeinsame Lösungen finden.
  5. Herrn F. schlage ich vor, wann immer es im möglich ist, sich auf Veränderung einzulassen, Neues zu wagen und somit seine gewohnten Strukturen immer wieder zu verlassen und sein „Lebensland“ zu erweitern. Auch soll er sich mehr mit Kunst und Kreativität auseinandersetzten, ins Theater oder in ein Museum gehen und neue Bereiche des Lebens erobern.
  6. Frau F. schlage ich vor, immer wieder Strukturen, Verbindlichkeit und Ordnung zu trainieren, unausgegorene Idee erst einmal für sich allein zu überdenken, ohne ihren Mann dabei zu überfordern, ihrem Partner bei Veränderungen rechtzeitig miteinzubeziehen und ihm bei Entscheidungen Zeit zu lassen.

Nach einiger Zeit der Beratung haben sich beide in einer neuen Tiefe kennengelernt und befinden sich im Prozess gegenseitiger Annahme. Beide sind eifrig dabei, Punkt für Punkt aufzuarbeiten. Betreffend ihrem gemeinsamen Haus und Garten konnten sie einen guten Kompromiss schließen: Frau F. darf Haus und Garten nach ihrem Geschmack jederzeit umgestalten, nur das Wohn- und Schlafzimmer bleibt wie es ist.

© Barbara Spägele – 22.04.2020

Herr V., der den PST-R beruflich kennen gelernt hat, war so begeistert, dass er seine Frau bat den Test ebenfalls zu machen, um daraus Hilfestellungen für ihre Ehe zu erhalten. Die Ehe steckt in keiner Krise. Beide hatten den Wunsch nach bereichernden Impulsen und Erklärungen für Ihr Miteinander.

Frau V.: „Mein Mann zieht sich in Konfliktsituationen häufig zurück und verfällt in ein Schweigen. Das ist für mich nur schwer auszuhalten.“
Herr V. fühlt sich andererseits bei gemeinsamen Projekten oftmals missverstanden und überfordert: „Meine Frau kann sprunghaft ihre Meinung wechseln und ich habe große Mühe, mit meinen Gedanken und Planungen hinterher zu kommen.“

Wir haben daraufhin ihre Persönlichkeitsergebnisse anhand des PST-Rs übereinander gelegt.

In den Wesenszügen wird deutlich, dass Frau V. sich wesentlich > begeisterungsfähiger, flexibler, unkonventioneller, veränderungsbereiter und spontaner beschreibt. Hinzukommt, dass ihre Selbstbehauptung und Selbstsicherheit leicht, aber vor allem ihr Selbstvertrauen stärker ausgeprägt sind als bei ihrem Mann. Insgesamt beschreibt sich Frau V. als eine belastbare, flexibel reagierende und durchsetzungsstarke Persönlichkeit.

In der Beratung wurde herausgearbeitet, dass hierin die Überforderung und Verunsicherung von Herrn V. begründet sein kann. Hinzu kommt, dass sich Herr V. in der Tiefenstruktur mit 1 unkonventionell und Frau V. mit einem Wert von 6 beschreibt. Infolge dessen hat Herr V. ein viel höheres Bedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit. Allein das sichtbar machen der Unterschiedlichkeit hat dem Ehepaar V. geholfen, einander in diesem Punkt besser zu verstehen und die Bedürfnisse des jeweils anderen zu berücksichtigen.

Herr V.:  „Jetzt verstehe ich, warum ich mich oft in Schweigen zurückziehe weil meine Frau ein viel stärkeres Bedürfnis hat, sich mir gegenüber mitzuteilen und dadurch manchmal zu dominant und bedrängend auf mich wirkt.“

Hier kommt verstärkend hinzu, dass sich Frau V. in der Tiefenstruktur etwas warmherziger als ihr Mann beschreibt, dieser aber eine höhere Introvertiertheit aus der Grundstruktur mitbringt.

Das Verdeutlichen dieser Mechanismen und Unterschiedlichkeiten führte dazu, dass beide Ehepartner sofort anfingen, praktische Beispiele aus ihrem Ehealltag zu reflektieren und nach neuen Lösungen zu suchen. Hier kommt dem Ehepaar eine Ressource zur Hilfe, die ebenfalls im PST-R sichtbar wird. Beide verfügen über ein gleiches hohes abstraktes Denkvermögen und beschreiben sich auch in der Selbstbehauptung ähnlich. Dies sind Hinweise dafür, dass eine Kommunikation auf Augenhöhe gut möglich ist.

An diesem Beispiel kann man gut aufzeigen, wie mit Hilfe der Ergebnisse aus dem PST-R die Stabilisierung einer Ehe stattgefunden hat. Gleichzeitig sind die Erkenntnisse ebenso eine Prävention, damit Unstimmigkeiten, die sich nach 8 Ehejahren eingeschlichen haben, nicht weiter ausufern. Der verantwortliche Umgang des Ehepaares V. mit Ihrer Ehe hat mich beeindruckt und begeistert. Eine gute Grundlage für Ihre Beziehung und ihre drei Kinder.

© Elke Grapentin – 26.03.2020

„Ich darf nicht versagen; keine Fehler machen.“

Eine Frau S. 42 Jahre, Sozialarbeiterin, kommt zu mir in die Beratung mit dem Wunsch, kritikfähiger zu werden, mit schwierigen Situationen umgehen zu können und sich bei Kollegen besser behaupten zu können. Sie macht einen vorsichtigen, zurückhaltenden und etwas unsicheren Eindruck.

Derzeit ist sie arbeitslos, möchte gern eine neue Stelle annehmen, aber hat andererseits große Ängste, dass sie wieder „scheitern“ könnte.

Wir schauen uns die Ergebnisse ihres Persönlichkeitstests an.

Frau S. beschreibt sich in den Wesenszügen mit einer geringen Kontaktbereitschaft (3), geht also nicht so leicht auf andere Menschen zu. Mit einer hohen Ausprägung bei der Selbstbehauptung (8) hingegen wirkt sie auf ihre Kollegen dominant und kann stark auftreten, verbirgt aber damit ihre weniger ausgeprägte Selbstsicherheit (3) sowie ihre deutlich hohe Besorgtheit (9). Die Menschen in ihrer Umgebung schätzen sie dadurch falsch ein und sehen nicht ihre innere Unsicherheit sowie Verletzlichkeit (Sensibilität 7), weil sie nach außen anders wirkt als sie sie sich selbst wahrnimmt.

In der Tiefenstruktur hingegen beschreibt sie sich bei warmherzig 6, wünscht sich also deutlich mehr Nahkontakt zu den Menschen als sie es nach außen zeigt. Sie möchte gern Menschen helfen und braucht auch die Zuwendung und Anerkennung Anderer, aber sie teilt sich kaum mit. Dadurch, dass sie sich kaum mitteilt, entstehen Missverständnisse.

„Ich hätte niemals gedacht, dass ich dominant auf andere wirke. Denn ich habe den Eindruck, dass ich mich nicht durchsetzen kann.“

Wir führen Übungen durch: „Wahrnehmen statt Interpretieren“. Frau S. lernt, genau hinzuschauen und die Fakten zu beschreiben. Das hilft ihr, andere Menschen besser verstehen und einschätzen zu können. Außerdem führt Frau S. Entspannungsübungen durch, die sie regelmäßig anwendet, um ihr Angst- und Stresslevel zu senken und innerlich mehr zur Ruhe zu kommen.

Eine weitere Übung ist „Kommunikation in Beziehungen“, bei der sie lernt, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu kommunizieren und entsprechend auch bei anderen nachzufragen, um Missverständnisse zu vermeiden.

„Ich darf nicht versagen; keine Fehler machen.“

Frau S. hat ein sehr negatives Selbstbild, das sie hindert, ihre Begabungen einzusetzen. Da ihr Glaube eine große Ressource ist, stellen wir ihre negativen Gedanken über sich selbst den Gedanken gegenüber, die Gott über sie denkt. Am Ende der Beratung sagt sie: „Ich habe gelernt, stark zu sein in Gott.“ Sie entwickelt ein positives Selbstbild, was ihr Mut macht, Herausforderungen anzunehmen und keine Angst vor Fehlern zu haben, sondern dazu zu stehen.

Im Lauf des Beratungsprozesses bekommt sie zwei Absagen auf ihre Bewerbungen. Wir üben an diesen praktischen Beispielen, wie sie positiv damit umgehen kann.

Beim letzten Gespräch kommt sie freudestrahlend auf mich zu: „Es geht mir sehr gut! Ich habe eine wunderbare Stelle gefunden!“

Bei einem späteren Kontakt nach einigen Jahren sagt sie mir: „Ich bin sehr dankbar und zufrieden mit meiner Arbeit. Ich komme gut mit meinen Kollegen zurecht.“

© Silke Berg – 25.02.2020

„Ich bin unfähig, als Lehrerin zu arbeiten“

Eine 57-jährige Frau M., seit über 10 Jahren Lehrerin, kommt mit deutlich sichtbaren psychosomatischen Stress Symptomen in die Beratung. Ihre Motivation ist es, Alternativen zum Lehrerberuf zu überprüfen, um dem zu befürchtenden Absturz in die Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken. In diesem Rahmen wird der PST-R als förderdiagnostisches Instrument empfohlen und eingesetzt.

Am Tag des Auswertungsgesprächs wirkt Frau M. sehr angespannt. Als ich nachfrage, welche Befürchtungen sie belasten, sagt Frau M.: „vielleicht kommt durch das Testergebnis raus, dass ich völlig unfähig bin als Lehrerin zu arbeiten und ich mir und allen anderen nur etwas vormache.“

Ich leite das Auswertungsgespräch mit allgemeinen Hinweisen zur Persönlichkeitsentwicklung ein und weise daraufhin, dass Persönlichkeitsmerkmale per se individuelle Merkmale sind, die objektiv nicht bewertet werden in gute oder schlechte Merkmale.

Zu Beginn des Auswertungsgesprächs zeige ich die Ressourcen in den Wesenszügen auf, die für den Beruf des Lehrers nützlich sind.

Mit einer Wachsamkeit von 4 beschreibt Frau M. sich mit einer gut ausgeprägten Sensibilität, um die Komplexität des Lehreralltags wahrnehmen und professionell und ausgewogen mit Nähe und Distanz den Schülern, Eltern und Kollegen gegenüber reagieren zu können. Die mittige Ausprägung in der Unabhängigkeit und soziale Anpassung vs. Selbstbehauptung unterstützt die Ausgewogenheit zwischen verständnisvoller Wertschätzung und direktivem Handeln in Entscheidungsprozessen. Aufgrund des permanenten Erwartungsdrucks, dem Lehrer im Allgemeinen ausgesetzt sind, ist die Ausprägung der Robustheit / Sensibilität mit 5 eine schützende Ressource, den multikausalen Erwartungen entgegen treten zu können. Die deutlich ausgeprägte Flexibilität, 1, und Unkonventionalität, 10 erleichtert es Frau M. den vielen unvorhersehbaren Situationen im Schulalltag mit hoher Selbstsicherheit, 9 und Eigenständigkeit, 8 begegnen zu können. Vergleichen wir diese Ressource mit der Tiefenstruktur (sachlich / korrekt) wird ein massiver Lernprozess deutlich, der im Schulalltag viel Kraft und Energie gefordert hat und nach wie vor von Frau M. fordert. Dies ist einer der Gründe für die deutlich spürbare Erschöpfung von Frau M.

Im nächsten Schritt verdeutliche ich die Ressource für sie als Lehrerin, die in der Ausprägung der Persönlichkeit sachlich / korrekt in der Tiefenstruktur zu erkennen ist. Mit diesen Kompetenzen ist es ihr möglich, Wissen, inhaltliche Zusammenhänge didaktisch so aufzuarbeiten, dass die Wissensvermittlung gelingt. Ebenso helfen die rational, sachlichen Persönlichkeitsmerkmale dabei, fair und gerecht Leistungsmaßstäbe zu setzen. Diese Fähigkeiten kann Frau M. automatisch mit wenig Kraftaufwand ausleben.

Im Verlauf des Auswertungsgesprächs relativiert die Ratsuchende immer wieder die Ressourcen ihrer Persönlichkeit, die durch die Testergebnisse erkennbar werden. Ich frage Frau M. wie sie es sich erkläre, dass sie über sich denke, sie sei unfähig als Lehrerin zu arbeiten, obwohl das Testergebnis mehrere starke Ressourcen für den Lehrerberuf aufweist. Daraufhin beschreibt Frau M. die negativen Strukturen des Schulsystems, die angepasste Haltung der Lehrkräfte, die überhöhten Erwartungen der Eltern an die Förderung ihrer Kinder und die Tabuisierung von wahrnehmbaren Missständen im Bildungssystem. Sie fühle sich den äußeren Umständen schutzlos ausgesetzt und ihre Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf begonnen hatte, sei völlig verloren.

Anhand der Kontrollüberzeugungen konnte ich Frau M. den von ihr beschriebenen Prozess aufzeigen und mit ihr reflektieren, wie die äußeren Einflüsse von Menschen und Umstände dazu geführt haben, dass sie ihre Kernkompetenz der Eigenständigkeit in der Tiefenstruktur, des rationalen Analysieren von Zusammenhänge immer weniger mit Selbstvertrauen (Wesenszüge) und authentischen Durchsetzungsvermögen (Selbstbehauptung, Wesenszüge) leben kann und ihr immer weniger der Zugang zu ihren tiefsten Begabungen gelingt.

Durch den immensen äußeren Druck hat sich Frau M. von einer eigenständigen Willensstarken Persönlichkeit zu einer fremdbestimmten Persönlichkeit entwickelt. Das über viele Jahre entwickelte Bild der Abhängigkeit und das Gefühl ohnmächtig äußeren Bedingungen ausgeliefert zu sein, beeinflusst Frau Ms. Selbstbild massiv und verhindert, dass sie die vielen Ressourcen ihrer Persönlichkeit wahrnehmen kann.

Am Ende des Gespräches wurde deutlich, dass Frau M. unter einem stark verzerrten Selbstbild leidet, wodurch sie die Chancen, die der Alltag für sie bereithält, nicht nur nicht mehr wahrnehmen, sondern darüber hinaus auch nicht mehr für wahr halten kann. Für den weiteren Beratungsprozess vereinbare ich mit Frau M. an einem positiven Selbstbild zu arbeiten, so dass es ihr in Zukunft wieder gelingt, aus ihren vorhandenen Ressourcen heraus ihrem beruflichen Alltag zu begegnen. Die förderdiagnostische Haltung und die Perspektive des lebenslangen Lernens hat Frau M. ermutigt, sich zuversichtlich auf den Lernprozess einzulassen.

© Dagmar Janssen – 28.01.2020

„Mein Mann kann mit allen reden, nur nicht mit mir!“

Das Ehepaar M. kommt verzweifelt und ratlos in die Beratung und sie fängt auch gleich an zu erzählen:

„Mein Mann ist Lehrer und sehr beliebt bei seinen Kollegen und Schülern. Er versteht sich wunderbar mit ihnen, ist Vertrauenslehrer und hat immer ein offenes Ohr für sie. Doch kaum kommt er nach Hause ist er stumm wie ein Fisch. Ich sitze den ganzen Tag allein und ohne Ansprache mit zwei kleinen Kindern zu Hause und freue mich wirklich, wenn er kommt. Aber kaum mache ich die Tür auf und erzähle ihm meinen Tag, verdunkelt sich sein Blick. Er ist dann genervt und nimmt Reißaus Richtung Computer, Keller, Garten oder sonst einen Ort, wo er für sich allein sein kann. Das verletzt mich wirklich sehr. Ich glaube er liebt mich nicht mehr!“

Ich schaue nun Herrn M. an und frage ihn, was er dazu meint. Er beteuert gleich, dass er seine Frau wirklich liebe und sich auch jeden Tag auf seine Frau und die Kinder freue, aber nach acht Unterrichtsstunden sei für ihn irgendwie die Luft raus und seine Worte wären für diesen Tag schon  alle gesprochen. Er wisse auch nicht was da mit ihm los sei.

Nach meiner Eingangsdiagnostik auf Basis des Persönlichkeitsstrukturtests stellten sich bei den Ehepartnern folgende signifikante Unterschiede heraus:

Obwohl beide in ihren Wesenszügen eine hohe Kontaktbereitschaft zeigen (er 7 und sie 8) ist er in der Grundstruktur Introvertiert 1 und sie Extrovertiert 7.

Ich erkläre ihnen, dass Herr M. in  seiner Grundstruktur eher im Schweigen zu Hause ist. Bei Problemen, unter Stress und bei neuen Kontakten zu Menschen wird er diesen Situationen zunächst mit Schweigen begegnen und dadurch Kraft und Ideen schöpfen. In seiner Komfortzone ist er ruhig, nach innen gekehrt, wenig mitteilungsfreudig und gesellig, verschlossen und ernst. Er hat zwar im Laufe der Jahre durch die Arbeit als Lehrer in den Wesenszügen gelernt zu reden, sowie in Kontakt zu anderen zu treten und diese Kontakte zu pflegen. Dieses Verhalten beherrscht er mittlerweile auch gut, aber es kostet ihn sehr viel Kraft und Mühe.

Frau M. ist in ihrer Grundstuktur extrovertiert, das heißt sie ist im Reden zu Hause, löst Anspannung, Stress und Probleme durch Reden. Sie ist von Natur aus gesellig, nach außen gekehrt, hat ein Bedürfnis nach anregender Gesellschaft und Abwechslung und zeigt sich eher spontan und veränderungsfreudig.

>Sie verarbeitet Erlebnisse und Eindrücke des Tages durch Reden und ihr Mann durch Schweigen.

„Ja das stimmt.“ meint Frau M. „Auch jedes Mal, wenn wir uns streiten, werde ich immer lauter und er immer ruhiger. Seine Flucht nach innen macht mich dann so wütend, dass das Gespräch daraufhin  oft eskaliert und er dann gar nichts mehr sagt. Das ist ein furchtbarer Kreislauf. Je mehr ich ihn verbal verfolge, desto mehr zieht er sich zurück und umso ärgerlicher werde ich und versuche ihn noch mehr zu konfrontieren.  Aber was kann ich da machen? Alle Probleme unter den Tisch kehren und nichts mehr bereden will ich aber auch nicht!“

Ich schlage dem Ehepaar M. folgende Verhaltensübungen vor: Wenn Herr M. nach Hause kommt,  darf er sich erstmal erden und ankommen, ohne dass er etwas sagen muss. Je introvertierter der Partner ist, desto mehr braucht er Zeit zum Auftanken und sich zu erholen.  Im Fall des Ehepaars M. empfehle ich eine Auszeit über eine gute Stunde ohne anstrengende Gespräche zu führen. Nach dieser Auszeit darf sie ihm von ihrem Tag erzählen und er bekommt die Aufgabe, ihr auch dann auch aufmerksam zuzuhören und sich am Gespräch zu beteiligen.

Als zweite Übung soll das Paar in den kommenden Wochen im Fall eines sich zuspitzenden Streits das Gespräch vertagen und gemeinsam einen Termin auszumachen, an dem die Probleme nochmals bewegt werden können. Damit hat er die Sicherheit sich konsolidieren zu können und sie weiß, dass die für sie wichtigen Themen nicht unter den Tisch fallen.

Als ich das Paar bei der nächsten Beratungsstunde frage, wie es ihnen mit diesem neuen Setting ergangen sei, bestätigen sie mir, dass sie schon auf einem ganz guten gemeinsamen Weg seien.

Nach dieser Auszeit ist er wirklich neu aufgetankt und wie ausgewechselt.“ Dankbar fügt sie noch hinzu: „Seit diesem Test weiß ich, dass er es mit seinem Schweigen nicht böse gemeint hat, sondern dass es einfach seine Art ist. Das hilft mir am allermeisten!“

© Barbara Spägele – 16.12.2019

Im Rahmen eines Projektes zur Persönlichkeitsentwicklung, das als Angebot für Führungskräfte in einem mittelständischen Unternehmen den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wurde, entstand eine konkrete Coaching Situation.

Eine junge Frau (Frau G.,26 Jahre) thematisierte im Verlauf des Auswertungsgesprächs, dass sie für eine leitende Position angefragt worden ist. Sie selbst hatte sich noch nicht entschieden, sie war sich unsicher, ob Sie der Anforderung, die so eine Position mit sich bringt, auch wirklich gewachsen ist.

Ich fragte Frau G: „Wovor haben Sie am meisten Angst?“ worauf sie spontan erwiderte: „Ich traue manchmal meinen Gefühlen nicht.“

Nach Auswertung ihres Persönlichkeitsstrukturtests haben wir uns insbesondere die Ausprägungen angeschaut, die etwas über die Leitungskompetenzen von Frau G. aussagen.

Zunächst habe ich das Thema Vulnerabilität in den Wesenszügen angesprochen (Emotionale Schwankung auf 3, Selbstvertrauen auf 10, Innere Ruhe 8). Diese Werte lassen darauf schließen, dass Frau G. über wenig innere Stabilität verfügt und auf der emotionalen Ebene sehr verunsichert ist.

Als zweiter Punkt wurde die Ich-Stärke in den Wesenszügen angesprochen (Soziale Anpassung 4, Zurückhaltung 4, Selbstvertrauen 10). Da eine leitende Position das Führen von Mitarbeitern beinhaltet, braucht es ein gutes Standing, eine mittig bis stark ausgeprägte Ich-Stärke, um Leitung umzusetzen.

Ihr Verhalten wird noch verstärkt durch eine hohe Emotionalität in der Grundstruktur (flexibel 9), d.h. dass es ihr Mühe macht, sich von den eigenen Emotionen ausreichend abzugrenzen. Hinzu kommt noch eine leichte Introvertiertheit von 4. Auch hier wäre eine stärkere Ausprägung in Richtung Extraversion hilfreich, sich anderen Menschen mehr mitzuteilen.

Aus diesen Überlegungen heraus habe ich Frau G. empfohlen, die Leitungsfunktion auf keinen Fall ohne ein begleitendes oder vorgeschobenes Coaching anzunehmen, um an ihrer Resilienz  zu arbeiten.

Es verging ein halbes Jahr und Frau G. befand sich inzwischen in der Leitungsfunktion als sie zu mir in ihrer großen Verzweiflung zurückkam. Ihre ersten Worte waren: „Ich stehe kurz davor, unter der emotionalen Belastung in meiner neuen Stelle zusammenzubrechen. Es gelingt mir einfach nicht, mich anderen gegenüber mehr durchzusetzen.“

Sie hatte jetzt verstanden, was ich ihr in unserem Erstgespräch vermittelt hatte und sie konnte ihre typischen Verhaltensmuster den Ausprägungen in ihrer Persönlichkeit zuordnen. Es war ihr nicht gelungen, in ihren Entscheidungen stetig zu sein und diese auch ihren Mitarbeitern zu vermitteln. Dadurch geriet sie immer wieder in emotionale Schwankungen und erlebte sich als sehr unsicher, was wiederum ihre Ängstlichkeit verstärkte.

Im Rahmen eines sich anschließenden Coachings konnten wir jetzt gemeinsam konkrete Lernprogramme entwickeln. Als erstes sollte es ihr gelingen, sich nicht so sehr von ihren Gefühlen beeinflussen zu lassen und dadurch ihre inneren  Spannungen zu reduzieren. In einem zweiten Schritt haben wir dann daran gearbeitet, die ‚Ich-Stärke‘ von Frau G. zu erhöhen und dabei zu lernen, sich anderen Menschen gegenüber eindrucksvoller ‚zu-behaupten‘. Es gelang ihr mit der Zeit immer besser, ihren Stärken zu vertrauen und sich weniger von ihren Gefühlen beeinflussen zu lassen.

Heute fühlt sich Frau G. in ihrer Führungsrolle und -position wohl. Trotzdem wird sie noch eine gewisse Zeit und Kraft aufwenden müssen, bis sie das neu Erlernte ganz verinnerlicht hat.

© Elke Grapentin – 25.11.2019

 Situationsbeschreibung

Ein Geschäftsführer, 45 Jahre alt, eines kleinen Dienstleistungsunternehmens hatte den Betrieb vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen. Schnell war er in die Organisationsabläufe eingearbeitet und er baute das Unternehmen kontinuierlich aus.

Der Vater – obwohl bereits im Ruhestand – konnte sein Geschäft nicht richtig loslassen. Ständig überprüfte er seinen Sohn. Sobald die Tür zum Büro aufging und der Vater vor ihm stand, verwandelte sich der Sohn in einen unscheinbaren und unsicheren Mitarbeiter.

Problemstellung:
Habe ich dir nicht schon immer gesagt, dass du mit diesen modernen Methoden nicht weiterkommst? Wenn du doch nur auf mich hören würdest, wärst du heute schon viel weiter gekommen.“

Solche und andere Sätze trafen den Sohn in seinem Innersten und stellten manchmal auch seinen Selbstwert infrage. Seine Gedanken drehten sich oft im Kreis und er hinterfragte sich, was er denn noch alles besser machen könne. Immer wieder kamen Zweifel auf, ob er in bestimmten Situationen die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Die Geschäftszahlen sahen gut aus, Umsatz und Ertrag stiegen in jedem Jahr an. Neue Produktideen wurden entwickelt, er war auf internationalen Messen gefragt und an innovativen Ideen fehlte es ihm wirklich nicht. So gesehen war der Sohn eigentlich erfolgreich und mit sich zufrieden. Nur der Vater war nie zufrieden und liess ihn das immer wieder wissen.

Als der Sohn in der Beratung dann von der belastenden Beziehung zum übermächtigen Vater berichtete und klagte, wie sehr ihm das zu schaffen machte, war frühzeitig offensichtlich, dass hier wahrscheinlich zwei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten im Konflikt stehen mussten. Im Rahmen der Diagnostik mit dem PST-R wurde schnell eine Bestätigung für diese Annahme deutlich. So wie der Klient den Vater in seiner Fremdwahrnehmung beschrieben hatte, „sah“ ich ein einen sehr selbstbewussten Mann vor mir, der sich in seinem Leben immer durchgesetzt hatte. Seine Meinung zählte und Widerspruch ließ er meistens nicht zu.

Der Sohn war von klein auf daran gewöhnt und ging der Konfrontation mit dem Vater immer aus dem Weg. Deshalb wunderte es ihn nicht, dass er sich bei der Testauswertung in seinen Wesenszügen auf der Achse „Soziale Anpassung und Selbstbehauptung“ nur mit dem Wert „3“ beschrieben hatte, also jemand, …

der sich schnell den Meinungen anderer Menschen unterordnet, der bereit ist zu dienen und sich anzupassen, ohne dass ihm dabei feindliche Gefühle aufkommen.

Auf meine Frage, wo er auf dieser Achse seinen Vater einordnen würde, sah er dieses Persönlichkeitsmerkmal seines Vaters diametral auf der gegenüberliegenden Seite. D.h. der Vater wurde von ihm als ein Mensch mit einer hohen Selbstbehauptung wahrgenommen, also jemand, …

der mit einer hohen „Ichstärke“ auftritt, der sich selbstbewusst und unnachgiebig zeigt, der sich nicht so leicht etwas gefallen lässt und seine Entscheidungen auch gegen den Widerstand anderer Menschen durchsetzt.

Ich bat meinen Klienten zu beschreiben, welche Konsequenzen zwei so gegensätzliche Verhaltensmerkmale in einer Beziehung haben würden. Darauf sagte er spontan: „Wenn Soziale Anpassung auf Selbstbehauptung trifft, bist du immer nur der Verlierer!“

Es schien auf den Punkt gebracht, als ob mein Klient diesen Satz zu seinem Lebensmotto gemacht hatte. In seiner Persönlichkeit war er ein deutlich warmherziger und sehr einfühlsamer Mensch, der sich gut in andere hineinversetzen und dadurch auch sehr schnell ein Vertrauensverhältnis zu diesen aufbauen konnte. Seine Kunden, seine Mitarbeiter und auch viele in seiner Gemeinde schätzten ihn und waren gerne mit ihm zusammen. Aber, jedes Mal wenn sein Vater ins Büro kam, beschlich ihn ein seltsames Gefühl, dass er schon wieder alles falsch gemacht hatte.

Beratungsansatz

Mit der Betrachtung von diesen beiden unterschiedlichen Verhaltensmerkmalen ‚Soziale Anpassung‘ und ‚Selbstbehauptung‘ in den Wesenszügen wurde ihm sehr schnell klar, woran er arbeiten müsste, um u.a. seinem Vater gegenüber mehr Selbstbehauptung entwickeln zu können.

Drei Schritte wurden in der Beratung ausgearbeitet, an die er sich in jeder neuen Konfliktsituation erinnern soll:

  1. Jedes Mal, wenn sein Vater ein scheinbar vernichtendes Urteil über seine Leistung ausspricht, will er dieses nicht als eine Bewertung seiner Person sehen, sondern als eine „subjektive Wahrnehmung“ eines anderen. Weil diese Bewertung eben nicht der objektiven Wahrheit entsprechen kann, (ist die Macht des väterlichen Urteils abgeschwächt), der Klient fühlt sich befreit und muss sich nicht mehr als Verlierer fühlen. Er ändert also seine innere Einstellung zu der Kritik eines anderen.
  2. Der Sohn beschließt, in Zukunft seine Meinung gegenüber seinem Vater deutlicher zu vertreten, weil er als Erwachsener dazu in der Lage ist. Er kann sich auf den Erfolg des Unternehmens unter seiner Führung berufen, über Schritte im Wandel in der Unternehmenskultur und neue Lösungen für Kunden berichten… Dadurch begegnet er dem Vater ‚auf Augenhöhe‘. Wenn der Sohn durch hohe soziale Anpassung bisher vom Vater als Verlierer wahrgenommen wurde, wird dieser die sich neu entwickelnde Selbstbehauptung des Sohnes als eine neue Stärke erkennen. Dies wird die Dynamik in der Beziehung von Sohn und Vater positiv verändern.
  3. Auch wenn er es seinem Vater nicht immer recht machen kann (und nicht recht machen muss!), wird er mögliche Konflikte auf der Sachebene einordnen lernen: beide dürfen unterschiedlicher Meinung sein! Der Sohn muss sich dabei nicht in seiner Persönlichkeit bzw. in seinem Denken über sich selbst angegriffen fühlen.

Verhaltensänderungen an einem selbst brauchen manchmal nur ein Verstehen der eigenen Wesenszüge und von seinem Gegenüber. Bereits mit veränderten Einstellungen kann man erste Erfolge erzielen. Mein Klient hat dieses in seinem Alltag erlebt, der Vater poltert manchmal immer noch, wenn er mit Kritik zu ihm kommt, aber die negative Wirkung auf seinen Sohn läßt nach.

© Ben Vaske – 30.10.2019

Herr G., Schuldirektor, 54 Jahre alt, seit 30 Jahren verheiratet, 3 Kinder, kommt mit seiner Frau in die Beratung und versteht die Welt nicht mehr. Nach all der langen Zeit einer glücklichen Ehe will sich seine Frau plötzlich von ihm scheiden lassen. Natürlich habe er gemerkt, dass es ihr in den letzten Monaten nicht so gut ging aber seine Frau habe schon immer unter Stimmungsschwankungen gelitten, das gehörte schon von Anfang an zu seiner Ehe.  Aufgrund ihrer zurückhaltenden und unsicheren Art habe er sich seit Beginn seiner Ehe um alles gekümmert. Wann und wie viele Kinder sie haben wollten, wo sie wohnten und arbeiteten – insgesamt, wie das gemeinsame Leben auszusehen habe. Er gehe zur Arbeit und sie kümmere sich um Haus und Kinder. Und es war all die Jahre gut so.

Seine Frau sagte in dieser ersten Beratungsstunde nicht viel. Sie weinte nur.

Nach meiner Eingangsdiagnostik mit Hilfe des Persönlichkeitsstrukturtests stellten sich bei den Ehepartnern folgende signifikante Unterschiede heraus:

  • Grundstruktur:
    Er ist extravertiert (8), sie ausgeprägt introvertiert (1).

  • Tiefenstruktur:
    Beide sind korrekt(2), er aber sachlich (2) und sie eher warmherzig (7).

  • Wesenszüge:
    Er zeichnet sich durch eine ausgeprägte Unabhängigkeit (10) sowie Selbstbehauptung (10) aus. Ihr Test zeigt eine äußerst geringe Ausprägung betreffend ihrer Unabhängigkeit (1) und Selbstbehauptung (3).

Zusammen mit dem Ehepaar interpretierte ich den Test mit folgendem Ergebnis:
Bedingt durch seine hohe (Menschen-) Unabhängigkeit und Selbstbehauptung, setzt sich Herr G. in den meisten Stationen und Entscheidungen in der Ehe durch, ungeachtet, was seine Frau benötigt oder möchte. Da sie zusätzlich sehr introvertiert und sozusagen „im Schweigen zu Hause ist“, wird sie mit ihm als dominanten und wortgewandten Gegner kaum in der Lage sein sich mit ihm auseinandersetzen zu können. Hinzu kommt, bedingt durch ihre Warmherzigkeit, ihr großes Harmoniebedürfnis, welches das Problemverhalten noch verstärkt. Über die Ohnmacht sich nicht behaupten zu können ist sie über die Jahre in eine Depression gefallen, die sie jetzt veranlasst sich aus der Beziehung zurückzuziehen.

Frau G. fühlte sich durch das Ergebnis des Persönlichkeitstest  zum ersten Male  verstanden: „Ich finde zum ersten Mal in meinem Leben passende Worte, um meinem Schmerz einen Namen zu geben und mich nicht dahinter zu verstecken.“ Sie schöpfte daraus neuen Mut und taute förmlich auf.

Ihr Ehemann wiederum zeigte sich irritiert und erleichtert zugleich: „Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Ich dachte immer, es sei alles gut!“

Es begann ein auf das Testergebnis abgestimmtes Lernprogramm  mit dem Fokus jeweils mehr auf den Partner einzugehen und gemeinsame Wege zu finden.

Dies ist nun über ein Jahr her und beide haben in der Zwischenzeit große Lernfortschritte erzielt. Als ich neulich Frau G. fragte, wie sie ihre Ehe heute bewerten würde, antwortete sie mir mit einem erleichterten Lächeln „Vor einem Jahr gab ich unserer Ehe noch 10 von 100 Punkten. Heute gebe ich 75.“

(Barbara Spägele, 09.09.2019)

Eine leistungsorientierte Persönlichkeit – im Abseits !

Warum verstehen mich die Menschen nicht, wenn ich sie von meinen Ideen überzeugen  möchte?

Herr M, ein Mitarbeiter in Leitungsposition stellte sich diese Frage immer wieder, warum es ihm nicht gelingt, seine gut durchdachten und innovativen Strategien im Konsens mit anderen umzusetzen. Auf der einen Seite investiert er sehr viel Zeit, neue Konzepte für den Vertrieb zu entwickeln, Geschäftspartner von seinen Vorschlägen zu überzeugen und genießt dabei auch noch das Vertrauen seiner Geschäftsleitung, weil er sich dem Unternehmenserfolg verpflichtet fühlt. Andererseits erlebt er bei der Umsetzung seiner Ideen Widerstand bei den Mitarbeitern und zum Teil auch bei den Geschäftspartnern, mit denen er Kooperationen eingehen will.

In der Beratung fragte er mich, wie er mit diesem Frust um mangelnde Erfolgserlebnisse umgehen soll. Wir haben uns daraufhin sein Persönlichkeitsprofil mit einer PST-R Auswertung angeschaut und kamen zu den folgenden Erkenntnissen:

         In der Zusammenfassung der Einzelheiten zu den Wesenszügen, also für andere leicht erkennbar, beschreibt sich Herr M. als ein unternehmerischer und kreativer Mensch, der das Neue sucht (Unkonventionalität 8) und der andere Menschen leicht von seinen Ideen überzeugen kann (Begeisterungsfähigkeit 9). Er vertritt dabei eine klare Meinung, die er seinen Zielen verpflichtend auch gegenüber andere Menschen unter schwierigen Situationen durchsetzen kann (Selbstbehauptung und Selbstsicherheit 8).

So gesehen hat dieser Mitarbeiter in seiner Persönlichkeitsstruktur eigentlich alle wichtigen Voraussetzungen, um für ein Unternehmen neue Kundenkreise zu werben und diese von seinen Produkten und Dienstleistungen zu überzeugen. Warum gelingt es ihm dennoch nicht?

Wir schauten uns daraufhin zwei weitere Ausprägungen in seinem Persönlichkeitsprofil an, die uns Erkenntnisse über die ihm entgegengebrachten Widerstände geben sollten.

Herr M. beschreibt sich in seinem Profil mit einer geringen Ausprägung in seiner Sensibilität, wird von anderen Menschen also deutlich mehr in seiner Robustheit (3) wahrgenommen.

Nachdem ich ihm die Unterschiede zwischen diesen beiden Polen aufgezeigt hatte, bat ich ihn, mir dieses Verhaltensmuster in seinen eigenen Worten zu erklären und wie er dieses konkret in seinem Alltag erlebt. Er hat mir seine Überlegungen dazu wie folgt beschrieben:

Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, dann packe ich diese einfach an und überlege nicht lange hin und her ob da auch all anderen mit einverstanden sind. Ich habe mir ja bereits genügend Gedanken darüber gemacht und bin mir ziemlich sicher, dass es so funktionieren wird, wie ich mir das vorgestellt habe. Und wenn dann mal jemand nicht damit einverstanden ist, dann habe ich damit ja auch kein Problem.“

Ich fragte ihn anschließend, mal zu überlegen, wie die Menschen in seinem Umfeld seinen gut gemeinten und sachlich fundierten Ehrgeiz wahrnehmen könnten, worauf er mir die folgende Antwort gab:

Also wenn ich ehrlich bin, dann könnte ich mir vorstellen, dass ich manchen Menschen zu sehr auf die Füße trete und mich nicht genügend in ihre Gedanken und Interessen hineinversetze – Pause – das sagt mir meine Frau übrigens auch immer wieder ! Ich bin da wohl manchmal zu schnell.“

Nach dieser von mir geleiteten Selbstwahrnehmung wurde Herrn M. dann sehr schnell bewusst, wie ein Förderprogramm für ihn aussehen könnte. Offensichtlich empfinden ihn manche Menschen aufgrund seiner hohen Ausprägung in der Robustheit als wenig empathisch. Wenn es aber darum geht, diese für eine Sache zu gewinnen, muss Herr M. lernen, die Gedanken und Gefühle seines Gegenübers besser zu erkennen und darauf einzugehen bevor er seine Pläne eigenständig umsetzt. Mit diesem Verhalten kann er Menschen viel effektiver für seine Ideen gewinnen indem er sie in seine Überlegungen mit einbezieht.

Interessant dabei auch sein Resüme nach der Beratung: „das werde ich jetzt mal häufiger mit meiner Frau üben!

Ein leistungsorientierter Mensch, der nicht verstehen konnte, warum seine hohe Kreativität und sein unternehmerisches Denken immer wieder von anderen ausgebremst wurden, entdeckte für sich auf einmal ganz neue Ressourcen in seinem Verhalten aufgrund dieser Gegenüberstellung von einer geleiteten Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Für die Beratungspraxis will ich abschließend noch darauf hinweisen, dass eine hohe Ausprägung, so wie in diesem Fall bei der Robustheit, nicht immer eine Schwäche sein muss. Es gibt durchaus Berufe oder Situationen, in denen es hilfreich sein kann, sich von den Gefühlen anderer Menschen abzugrenzen. Dieses gilt es in der Eingangsdiagnostik zu klären, welche Verhaltensmuster am besten zu einer Stellenbeschreibung passen. Wenn diese zwei gut aufeinander abgestimmt sind, wird es vielen Menschen deutlich besser gelingen, gute Beziehungen am Arbeitsplatz oder auch in der Gemeinde zu gestalten.

© Ben Vaske – 08.08.2019

Eine Ehe (-vorbereitung) kurz vor dem Aus

„Wir haben im letzten halben Jahr mehr miteinander gestritten, als in den 8 Jahren, die wir uns kennen.“

Ein junges Ehepaar bereitet ihre Hochzeit vor und hat viele Entscheidungen zu treffen. Dabei geraten sie immer häufiger aneinander und fragen sich, ob sie denn noch wirklich zueinander passen. In dieser dramatischen Situation kommen sie in die Beratung und suchen Hilfe.

Um mir einen besseren Einblick in ihre Verhaltensweisen zu ermöglichen, bitte ich sie, den Persönlichkeitsstrukturest durchzuführen, dem sie auch gleich zugestimmt haben. Dabei stellt sich heraus, dass sie ihre größten Unterschiede in der Tiefenstruktur erleben. Auf der Achse ‚sachlich-warmherzig‘ beschreibt sie sich mit 2, während er sich bei 6 wiederfindet. Auf der Achse ‚korrekt-unkonventionell‘ befinden sich beide bei 3.

Der Test zeigt hier also sehr schnell, dass sie ihre größten Herausforderungen auf der Nähe-Distanz Ebene erleben.
Sie, eine gute Beobachterin und in ihren Gedanken(spielen) nichts dem Zufall überlassend, strebt nach so viel Unabhängigkeit wie möglich.
Er, in einer sich aufopfernden und dienenden Haltung, meidet den Konflikt in Auseinandersetzungen und sucht über alles andere nach einer harmonischen Beziehung, auch wenn er sich selbst dabei ein stückweit aufgeben muss.

Nachdem ich den beiden diesen Unterschied in ihrer Tiefenstruktur erklärt hatte, bat ich sie, mir ein Beispiel aus ihrem Alltag zu geben, wo sie diese Ausprägungen in ihrer Persönlichkeit möglicherweise erleben. Sie sprechen jetzt insbesondere über Entscheidungen, die bei der Hochzeitsvorbereitung anstehen.
Sie führt an, dass sie sich über viele Sachen Gedanken macht, diese bis ins letzte Detail plant wie es am besten funktionieren könnte und teilt ihm dann das Ergebnis mit. Ihre Motivation dabei ist, ihm Arbeit abzunehmen und es ihm leicht zu machen, Ihrer Entscheidung zuzustimmen. So gesehen zeigt sie sich relativ unabhängig und bezieht ihn in ihren Überlegungen nicht wirklich mit ein.

Er fühlt sich nach mehreren solcher Entscheidungen ihrerseits übergangen und hilflos, weil er gar nicht weiß, mit welchem Thema sie sich gerade beschäftigt. Wenn sie ihn nicht einlädt, an ihren Gedankenspielen schon früher teilzuhaben bevor sie eine Entscheidung trifft, kommt für ihn jeder Vorschlag wie ein unumkehrbarer Entschluss zu dem es dann keine Alternative mehr gibt. Im Grunde will er ihr vertrauen, dass sie schon alles richtig macht, scheut aber den Konflikt, ein Thema ernsthaft und gemeinsam zu diskutieren.

Sie erkennen beide, dass sie im Alltag aus ihrer individuellen Tiefenstruktur heraus ihre Gedanken auf den Partner ‚projizieren‘ ohne zu verstehen, wie der andere wirklich denkt. Im Ergebnis sind dann beide enttäuscht, weil sie keinen gemeinsamen Beschluss fassen können.
Auf die Frage, wie sie im Alltag besser miteinander umgehen könnten, bemerkte sie sehr schnell: „Dann will ich versuchen (aus meinem Streben nach Unabhängigkeit heraus), dich früher in meine Gedanken einzubinden, damit du weißt, was mich gerade beschäftigt und du kannst mir deine Meinung dazu sagen.“
Für ihn wurde es andererseits auch schnell klar, dass er sein Harmoniebedürfnis dabei manchmal aufgeben muss und ihr deutlicher mitteilt, was er eigentlich will um dadurch schon viel früher zu einer gemeinsamen Schnittmenge zu kommen, bevor ihre Entscheidung in eine ganz bestimmte Richtung geht. Er hat sich (in seiner Abhängigkeit ihr gegenüber) viel zu oft zurückgehalten und sich immer hintenan gestellt, in der Hoffnung, es wird schon….bis es zur nächsten Konfrontation kam.
So gesehen konnten beide nach bereits zwei Gesprächen ganz konkrete Hausaufgaben für sich entwickeln, wie sie sich im Alltag besser begegnen und sich anbahnende Konflikte aufgrund ihrer unterschiedlichen Tiefenstruktur entschärfen können.

Beide waren überzeugt, dass die Hochzeitsvorbereitungen nun weniger stressbeladen sein werden.

© Ben Vaske – 29.06.2019