ARTIKEL ZU SEELSORGE UND BERATUNG
Das Prinzip der Zuversicht
Im Grundkurs „Beratung für Kinder und Jugendliche“ habe ich zum ersten Mal vom Prinzip der Zuversicht von dem Psychologen Dr. Jörg Dieterich gehört und begonnen, mich damit auseinander zu setzen. In seiner neuen Publikation „Beratung kommt ohne Pädagogik nicht aus“ gibt er dazu einige Impulse. Für meine Arbeit braucht es eine ressourcenorientierte Haltung und auf jeden Fall Zuversicht.
Wenn ich eine Familie begleite und die „Intentionen“ und „Elementaria“, die Dr. Dieterich beschreibt, also meine methodischen und didaktischen Vorgehen auswähle, dann muss ich grundsätzlich zuversichtlich sein, dass mein Handeln in die richtige Richtung weist. Ich muss den Prozess mit den Klienten zuversichtlich gehen und daran glauben, dass die Menschen in der Lage sind Schritte zu tun. Es macht dabei für mich nicht nur Sinn zu neu Erlerntem anzuleiten und etwas zu „lehren“, wie es Dr. Jörg Dieterich beschreibt, sondern auch herauszufinden, wo der Klient anknüpfen kann, wo er sich rasch als selbstwirksam erfährt.
Diese Zuversicht ist nicht immer leicht zu generieren. Dr. J. Dieterich empfiehlt sie sich bei Gott zu „borgen“, damit sie langanhaltend, groß und gewichtig ist. Wie soll ein Ratschlag, ein Wert, ein Erziehungsziel usw. mit Zuversicht vorgetragen werden, wenn existenzielle Zweifel vorgelagert sind? (Zitat Buch S.126)
Ich arbeite im Vertrauen auf Gott mit meinen Klienten und der Glaube ist die Grundlage meiner Zuversicht in der Begleitung. Dabei geht es nicht darum naiv zu sein und zu denken, es wird schon werden. In meiner Begleitung muss ich genau hinschauen, ob die Hilfe zur Selbsthilfe angenommen wird, und ob die Klienten die Schwierigkeiten zum Wohl der Kinder angehen und lösen. Trotzdem geht es für mich um die grundsätzliche Frage, wem ich Zweifel und mögliches Scheitern, ja dieses Menschenleben und seine Zukunft letztlich anvertraue. Ich vertraue es Gott an, und ich glaube, dass er mein Handeln segnet und vor allem bei meinen Klienten bleibt.
Meine persönliche Zuversicht, dass ich mit Menschen beratend arbeiten kann, möchte ich mit einem Satz des Theologen Hermann Bezzel (1861-1917) beschreiben: „Nicht Satte können andere trösten, sondern Gespeiste, nicht Sichere können anderen die Not ihres Lebens sagen, sondern Gewisse, nicht Fertige können dem Volk sein tiefstes Elend schilden, sondern Gereifte.“
© Sabrina Bennewitz, Mai 2020
Kontakt: saone1@web.de
(Auszug aus ihrer Abschlussarbeit: „Die Allgemeine Beratung, Psychotherapie und Seelsorge in der Fall- und Beratungsarbeit der Jugendhilfe“
vollständige Arbeit nachzulesen unter: https://bts-ips.de/bts-intern/
Literatur: Jörg Dieterich „Beratung kommt ohne Pädagogik nicht aus“
Kinder sind anders, Jugendliche auch – Neuer Kurs in 2018
Warum Kinder und Jugendliche eine besondere Beratung und Seelsorge brauchen.
Kinder sind anders. Jugendliche auch. Diese Erkenntnis ist zwar bekannt. Aber es ist eine ungenaue Aussage. Ungenaues Wissen erzeugt Unsicherheit und hilft vor allem dann nicht weiter, wenn es darum geht, Menschen in dieser Altersstufe helfen zu wollen. Erst recht wirkt sich diese Unsicherheit aber dann deutlich aus, wenn die Hilfestellung im Rahmen der Allgemeinen Beratung, Psychotherapie und Seelsorge (ABPS) geschehen soll. Um hier zu sicheren Aussagen zu kommen, wollen wir in einem neu aufgebauten Kurs die Grundlagen der ABPS bei Kindern und Jugendlichen anbieten. Es soll darum gehen, interessierten Beratern und Seelsorgern (und solchen, die es werden wollen), Eltern und Lehrern vor dem Hintergrund der Andersartigkeit von Kindern und Jugendlichen unter Berücksichtigung unseres ganzheitlichen Konzeptes die Unsicherheit zu nehmen und konkrete Hilfestellungen für die Beratung zu leisten.
Ich möchte im Rahmen dieses Artikels einige fundamentale Unterschiede zwischen Kindern und Jugendlichen skizzieren und Ihnen dadurch die Notwendigkeit einer spezifischen Ausbildung vor Augen führen. Gleichzeitig erkennen Sie an diesen Skizzen bereits elementare curriculare Bestandteile des neuen Kurses, denn wir werden anhand der Unterschiedlichkeiten im Kurs arbeiten.
Beginnen wir mit der Motivation der Kinder und Jugendlichen. Wenn ein Erwachsener in die Beratung kommt, dann können wir in der Regel davon ausgehen, dass ein gewisses Maß an innerem Leidensdruck vorliegt, der ausreicht, dass er Hilfe sucht (ich werde im Folgenden keine gesonderte Geschlechterbeschreibung vornehmen). Erwachsene kommen von alleine, Kinder und Jugendliche werden in der Regel gebracht. Sie wollen nicht, zumindest meistens.
Wir wissen aus der Psychologie, dass eine elementare Voraussetzung für Lernprozesse die Motivation ist. Am besten intrinsische. Diese liegt in der Regel bei einem Kind oder Jugendlichen, zumindest zu Beginn der Beratung, nicht vor. Das macht eine ganz andere Zugangsweise notwendig, die aber gleichzeitig Voraussetzung für den therapeutischen Erfolg ist. Wir müssen Motivation aufbauen, die (noch) nicht da ist. Über diesen Umstand werden wir im Kurs intensiv nachdenken und Lösungsansätze aufzeigen.
Aus diesem Umstand entwickelt sich unmittelbar das nächste Problem. Weil die Erwachsenen in der Regel selbst motiviert in die Beratung kommen, sehen sie im Berater zumindest eine potentielle Hilfe (sonst würden sie ja nicht hingehen). Das ist bei Kindern und Jugendlichen anders. Weil sie in der Regel nicht gerne in die Beratung kommen, wird jede Tätigkeit des Beraters als Eingriff in die eigene Souveränität begriffen. Der Berater wird sozusagen zum „Gegner“, oder wird zumindest äußerst misstrauisch beäugt. Wir müssen deshalb einen pädagogischen Bezug schaffen, der (noch) nicht vorliegt. Auch dies werden wir im Kurs intensiv betrachten.
Kommen wir zu einem weiteren Unterschied: Der Erwachsene, der in die Beratung kommt, hat ebenso wie ein Kind oder Jugendlicher zwar auch ein Problem, aber unabhängig davon, wie schwer es wiegt, so hat er auf jeden Fall bereits ein höheres Maß an Lebenszeit „auf dem Buckel“. Und zwar immerhin eine so erfolgreiche Lebenszeit, dass er bis dato gelebt hat. Ein Kind oder Jugendlicher hat keine so lange Zeit hinter sich. Es fehlt ihm Lebenszeit und dadurch – wenn nicht gar qualitativ, so doch zumindest quantitativ – Lebenserfahrung. Er weiß einfach weniger über die Welt. Das führt dazu, dass er seine psychischen Probleme immer in den Kontext einer allgemeinen Verunsicherung über die Welt an sich, und wie es sich in ihr leben lässt, bringt. Und zwar unabhängig davon, ob diese Unsicherheit in einer effektiven Verbindung zum jeweiligen psychischen Problem steht, oder nicht. Mit anderen Worten: die anthropologische Unsicherheit der Kinder oder Jugendlichen ist in jedem Fall zumindest quantitativ erheblich größer als die eines Erwachsenen. Und das macht eine spezifisch anthropologisch geprägte Beratung notwendig. Dies bedeutet, wir müssen anthropologisch viel reflektierter und betonter vorgehen, als in der Erwachsenenseelsorge. Darüber werden wir im Kurs nachdenken.
Auch bei dem Seelenbegriff in der ABPS stoßen wir schnell auf fundamentale Unterschiede bei der Beratung von Kindern und Jugendlichen, und zwar bei jedem der Faktoren. Nehmen wir zunächst die Spiritualität. Kinder und Jugendliche sind anders. Ob sich das direkt aus dem bekannten Spruch Jesu herleitet, „wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Reich Gottes gelangen“, kann und will ich jetzt an dieser Stelle theologisch gar nicht ausarbeiten. Fakt ist, Jesus beschreibt eine Andersartigkeit (sonst müssten Erwachsene nicht werden, wie Kinder), und wir können getrost davon ausgehen, dass sich die Spiritualität von Kindern und Jugendlichen anders darstellt, als diejenige von Erwachsenen.
Auch die Physis ist anders. Kinder und Jugendliche haben einen anderen Körper- und Hormonhaushalt als Erwachsene, sie haben andere Kräfte (wer von den Erwachsenen ist schon so biegsam wie Kinder, welches Kind kann schon einen Kasten Bier anheben) und dies wirkt sich in vielfältiger Art auf die Wahrnehmung und den Umgang mit psychischen Problemen aus. Wir Erwachsene haben auch hinsichtlich der Psyche eine ganz andere Sicht von Problemen. Ohne hier bereits allzu tief in die Fachlichkeit einzusteigen, können wir dies beispielsweise aufgrund der unterschiedlichen Denkentwicklung (vgl. z.B. Piaget) oder dem Umgang mit altersspezifischen Entwicklungsaufgaben (z.B. Havighurst) schnell nachvollziehen.
Fazit: Wir müssen die spirituellen, psychischen und somatischen Entwicklungsstufen und Unterschiedlichkeiten von Kindern und Jugendlichen kennen, um tatsächlich substantielle Hilfe zu leisten.
Je länger man mit solchen Andersartigkeiten konfrontiert ist, umso größer wird der Respekt vor der Andersartigkeit bei Kindern und Jugendlichen und demzufolge der Notwendigkeit einer spezifischen Vorbereitung auf die Herausforderungen, die Seelsorge mit Kindern und Jugendlichen mit sich bringt.
Wir laden Sie ein zu diesem neuen Einführungskurs in die Kinder- und Jugendberatung. Termine: 19.-205.10(Teil I) und 16.-17.11.2018 (Teil II), jeweils Freitags von 14:00 – 19:00 Uhr und Samstags von 09:00 bis 16:30 Uhr. Ort: Evangelische Nord-Ost-Gemeinde, 60316 Frankfurt
Dr. Jörg Dieterich, Jahrgang 1968, verheiratet, zwei Kinder (6, 10). Derzeitig Studiendirektor im Bereich Sozialpädagogik an der Justus von Liebis Schule in Überlingen. Langjähriger Leiter der Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche am damaligen IPS in Freudenstadt. Vertretungsprofessor für Pädagogik an der pädagogischen Hochschule Karlsruhe